Francesco Tristano im Interview

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Techno auf dem Klavier geht nicht? Geht doch! Den Beweis liefert FRANCESCO TRISTANO – gefragter klassischer Pianist, Komponist und Produzent. Mit dem heutigen Tag erscheint die 16. Ausgabe seiner Body Language-Compilation, dessen kontinuierlicher Echtzeit-Mix elektronische Töne mit Kompositionen aus Synthesizer- und Piano-Flächen verbindet – weniger als herkömmlicher DJ, sondern mehr als moderner Tonkünstler im Grenzgang zwischen Klassik, Jazz und Techno. Popmonitor traf den Luxemburger bei seinem Label Get Physical, um mehr über seine Arbeit herauszufinden.

Francesco, was hat dich dazu inspiriert, dein Klavierspiel mit der Technik elektronischer Musik zu verknüpfen?

Jegliche Geschmäcker der Musik gehen ja auf die Kindheit und Erziehung zurück. Meine Mama hat immer sehr viel klassische Musik wie Bach, Vivaldi und Wagner gehört. Dann war da aber auch Pink Floyd, Jean Michelle Jarre und ganz viel Musik der 70er, in der es diese Synthesizer-Sounds gab. Es gibt Bilder von mir, wie ich mit fünf am Klavier oder Keyboard sitze. Keyboards waren schon immer meine große Liebe. Ich habe direkt angefangen zu improvisieren und komponieren. Das ist genau das, was ich jetzt immer noch mache. 1996 hörte ich dann Daft Punk mit „Around The World“. Ich war 14 und dachte: „Wow, was ist das?“. Ich fand es nicht besonders gut, aber zumindest hat es mich irgendwie angezettelt. Mit 17 habe ich dann in an einem Musik-Lab als Teil meines Klavierstudiums in Amerika teilgenommen, saß am Sequenzer und habe an Pseudo-Techno-Tracks gebastelt. Es war aber noch zu früh, um etwas Konkretes zu veröffentlichen.  Das mache ich erst seit ungefähr 10 Jahren.

Du trittst für deine Auftritte von pompösen, klassischen Konzerthäusern in dunkle, dubiose Club-Räume. Was macht diesen Wechsel für dich reizvoll?

Es gibt für mich wenig Unterschiede in der Musik. Für mich ist Musik universell. Es gibt Rhythmus, es gibt Melodik, es gibt Harmonik. Das ist bei Club-Musik genauso wie bei Klavier-Musik. Was tatsächlich anders ist, ist der ganze Rest: Wo findet der Auftritt statt? Welches Publikum ist vor Ort? Welche Uhrzeit haben wir? Welche Hygieneumstände liegen vor? Die Abwechslung ist es, die für mich cool ist. Bei mir gibt es keine zwei Auftritte, die gleich sind. Diese Kontraste und mich ständig an neue Situationen zu adaptieren, halten mich wach. Ich mag das. So bin ich.

Woher kommt dein Faible für Detroit-Techno?

Das ist eine gute Frage. Ich habe ihn erst nach der eigentlichen Hochphase für mich entdeckt. Dabei fand ich diese Sounds und vor allem die Stimmung sehr menschlich und es war für mich faszinierend, wie mich eine Techno-Musik so bewegen konnte. Es ist maschinelle Musik, aber da steckt diese Story des Versagens mit drin. Eine Geisterstadt, geprägt von dem Zerfall der Autoindustrie und der daraus resultierenden Armut. Ich finde, dass Detroit-Techno diese Stimmung eingefangen hat. Da ist diese Traurigkeit, die mich immer bewegt. Dieses Maschinelle hat immer einen human touch. Das ist das faszinierende an der Techno-Musik. Die Maschinen erzeugen den Sound nicht von alleine. Es stehen immer Menschen dahinter.

Deine Compilation heißt Body Language und zielt zunächst einmal darauf, Menschen physisch zu bewegen. Schließt das einen mentalen Effekt mit ein?

Die Körper meines Publikums zu erreichen, bedeutet für mich auch ihre Herzen zu erreichen. Emotionen sind nicht nur intellektuell, sondern ein einfaches Gefühl im Bauch. Das ist für mich miteinander verknüpft. Die erste Ausdrucksform ist der Tanz. Das merkt man schon bei kleinen Kindern, wenn sie Musik hören und dabei rumhüpfen. Man bewegt sich, weil etwas im Inneren bewirkt wird. Body Language trifft dann auf alles zu: auf Kopf, Body und Soul. Musik ist Tanz. Es gibt keine Trennung. Musik ist nichts, was man erlernen muss, sondern eine ganz normale, organische, verinnerlichte Form, sich zu bewegen. In diesem Sinne: Hat man schon einmal eine Person getroffen, die Musik nicht liebt? Ich kenne keine. Die Liebe für Musik ist sicher eine der wenigen, die alle Menschen miteinander vereint. Musik geht über Sprache und Verstand. Sie ist eine universelle Emotion, die in allen Kulturen ihren gleichen Wert besitzt.

Warum ist dir die Kontinuität deiner Musik so wichtig?

Ich glaube, das geht auf ein ganz ordinäres Gefühl zurück: auf das Herzklopfen. Auch das ist bis zu einem gewissen Punkt kontinuierlich. Das Leben ist ein Mysterium, das wir nicht in diesem Interview lösen werden, aber so viel kann man sagen: Musik gibt es schon ewig. In der Natur von Tieren ausgehend, in den Wäldern, in Steinen. Irgendwann hat man versucht die Musik zu systematisieren und es entstand die traditionelle abendländische Musikgeschichte. Das ist alles ein Kontinuum und nicht abschirmbar von den ersten afrikanischen Tribus, die den Rhythmus als eine Art Zelebration des Lebens sahen und immer noch sehen. Dieses Gefühl des Rituals, dass man fast in einen Zustand der Trance gelangt durch einen repetitiven Rhythmus, um das Feuer herum, alles wird eins – das ist eigentlich der Ursprung der minimalistischen Musik und den versuche ich einzufangen.

FRANCESCO TRISTANO
Body Language, Vol. 16
(Get Physical Music)
VÖ: 01.05.2015

www.francescotristano.com

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