JENSEITS VON MILLIONEN am 07. + 08.08.2009 in Friedland


Hinter dem Horizont, der Himmel so blau.



Bei den meisten Berlinern stellt sich wohl ob der Mannigfaltigkeit von großstädtischen Möglichkeiten früher oder später eine gewisse Bequemlichkeit ein. Musik- und anderes kulturelles (Über-)Angebot lässt den Horizont auf eine Skyline mit einem gewissen spitzen Turm herausragend schrumpfen, und musikalische Offerten darüber hinaus scheinen jeglicher Notwendigkeit zu entbehren. Hierzu können Institutionen wie ein Festival in der Großstadt noch einmal als Bestätigung dienen. Dass es jedoch auch noch anders geht, möchte uns das Jenseits von Millionen-Festival beweisen.

Weitab von rund drei Millionen Großstädtern wird auf einer kleinen Burg im ländlichen Friedland am Wochenende vom 7. bis 8. August ein zweitägiges Zusammentreffen von Musik und Menschen veranstaltet, das uns fernab von „Berliner Hipstern“ Gutes verheißt. Wir schenken diesen Worten Glauben und begeben uns, passend mit Bob Dylan, also auf die Reise nach Friedland: „beyond the horizon, beyond the sun, at the end of the rainbow life hast just begun.“

Dem Guten entgegen führt uns unsere romantisierte Regenbogenzugreise vorbei an Wiesen und Feldern zu einem Apfelbaum, an dem ein kleiner Shuttlebus wartet – 5 Leute werden damit nun auf die kleine Burg gebracht. Auf einer umzäunten Wiese stehen in der Nähe der selbigen gerade einmal etwa 100 aufgebaute Zelte. Alles wirkt vertraut und überschaubar, dort auf den grünen Wiesen zwischen See- und Burglandschaft. Alles scheint friedlich – friedliche Landschaft, friedliche Menschen, friedliches Publikum später bei dem deutschen Songwriter SVEN VAN THOM, friedliches Publikum noch später bei den melancholisch verspielten SIVA. Nach Ausfall der Londoner von WINDMILL klingt der musikalische Abend zwischen kleinen Ständen und Festivalgängern, die es sich wahlweise auf Bänken, Wiesen, Burggräben oder eben vor der Bühne bequem gemacht haben, mit den detailverliebten Elektronikern von AMPL:TUDE erfolgreich aus.

Danach hat man die Möglichkeit, mit BERND BEGEMANN Filme zu schauen. Manch einer nutzt wohl auch die Möglichkeit, sich an den Ständen nicht nur zu erfrischen oder frisch belegte Sandwiches zu erstehen, sondern sich auch zu informieren: über das Kinderhilfswerk „terre des hommes“, das mit Einnahmen aus dem Festival unterstützt wird. So ist das Jenseits von Millionen ja ein Benefizfestival, das, bis letztes Jahr unter dem Namen Mamallapuram, das Ziel verfolgt, „mit Musik und Menschen Gutes zu fabrizieren“.

Am nächsten Morgen kommt wohl kaum ein Festivalgänger umhin, sehr früh geweckt zu werden – unerträgliche Hitze bewegt die Menschen heraus aus den saunaartigen Zelten hin zu dem von Anwohnern hergerichteten Frühstücksangebot oder dem Holzprovisorium einer Dusche. Oh du unerträgliche, unerträgliche Hitze, lässt uns später die für die verspäteten HERRENMAGAZIN eintretenden I HEART SHARKS nicht richtig genießen. Dabei wären ihre treibenden Indiemelodien doch eigentlich sehr zu würdigen gewesen. Irgendwie entrückt wirken dann auch die schwermütigen GARDA in der nachmittäglichen Glut. Kurze Zeit später aber haben sie es schon geschafft, die Indiskretion der Sonne auszublenden – musikalische Melodramatik im Sieg gegen Staub und Temperaturen.

Später am Abend, CONDRE SCR und instrumentaler Postrock in der Dämmerung. Zwischen Lichtstreuung in der Atmosphäre ein Publikum, das sich den jeweiligen Bewegungsanforderungen der unterschiedlichen Musikstile anpasst. Jetzt also ein ausgeprägtes Mitwippen, das zu unterlassen kaum möglich ist und sich auch auf die nächste Gruppe auswirkt: so passend sind die schwedischen JENIFEREVER zu dieser Uhrzeit, auf diese Stimmung zugeschnitten. „In the long hours of twilight ’neath the stardust above, beyond the horizon it is easy to love“, und wäre, wäre der Abend damit doch nur zu Ende gewesen. Doch leider ziehen kurze Zeit später schnodderige Sprechraps und platte Elektrobeats von FRITTENBUDE auf, um jegliche atmosphärische Dunsthaftigkeit zu dekonstruieren.

Hätte man nun doch aber nur gewusst, dass man besser daran getan hätte, dennoch auf dem Burggelände zu verharren – schon beim ersten Schritt auf Friedländer Straßen wird man von einem etwas fragwürdig anmutenden Dorfpublikum aufgehalten. Den Unverstand ins Gesicht geschrieben, scheinen sie versuchen zu wollen, den Frieden des kleinen Burgparalleluniversums zu demolieren. Glücklicherweise kommen sie damit nicht weit, und so ist es nur ratsam, den Blick noch einmal über das Burggelände schweifen zu lassen. Gesichter, die einem inzwischen vertraut sind, Wiesen im Hintergrund, nach wie vor friedliche Idylle: „beyond the horizon, across the divide, round about midnight, we’ll be on the same side.“

www.jenseitsvonmillionen.de
www.tdh.de

Autor: [EMAIL=lisa.forster@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Lisa Forster[/EMAIL]

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