Chaotic Good ist ein Charakterzug aus dem Rollenspiel Dungeons & Dragons, der Freigeister mit guten Herzen beschreibt. Den wendet die Singer/Songwriterin JOHANNA WARREN aus Portland offenbar auf sich selbst an. Warren ist mit dem vorliegenden, fünften Album in sich gewachsen. Ihre bisherige Produzentin BELLA BLASCO ist nur noch eine der Sound-Ingenieure. Jetzt hat Warren für ein neues Label eine Platte selbst gestaltet: Sie singt, spielt Gitarre, Piano, Flöte, Klarinette und arbeitet mit Synthies.
Ihr zur Seite stehen CHRIS ST. HILAIRE (Gitarre, Drums, Bass, Percussion) und JIM BERTINI (Drums, Bass, Percussion, Synthies) von den STICKLIPS, ERIC MARGAN (Bass, Cello, Flöte, Synthies) sowie DAVID ROTHON (Pedal Steel).
Die Songs entstanden auf der US-Tour zu den Vorgängeralben Gemini I und II. Nach dem Singer-/Songwriterstück „Rose Potion“ geht es mit dem Folkrocksong „Part Of It“ mit 90er-Rhythmik voran.
Die intensive Nachdenklichkeit beginnt in dem Pianostück „Only The Truth“ zu strahlen. Der durchbohrende Zweifel am Andern verlangt Nachforschung: „I had to see it with my own two eyes.“ Und die Wahrheit stellt sich ein. Auch das starke, vorwurfsvoll-emotionale „Twisted“ mit Gitarrenakkorden wühlt auf. Das für das Genre so typische Leid an der Oberflächlichkeit des Umfeldes wird von Warren ebenfalls angesprochen („Hole In The Wall“).
Die Leadsingle “Bed of Nails” stellt die persönliche Weiterentwicklung dar: “I tried a little bit too hard to be myself/It turned me into something else.” Das ist die erwachsene Gewissheit, dass sich bestimmte Träume eben nicht erfüllen, aber auch die Chance, mehr zu sein, als bisher („Bones of Abandoned Fruits“). Einen solchen Prozess hat schon Kollegin ANNA TERNHEIM durchgemacht.
All das taucht Warren in geheimnisvolle, aber gefällige Melodien. Kühle Analysen und Enttäuschungen wie in „Faking Amnesia“ machen den Unterschied zu aufgeputzten Popsängerinnen, die Inhaltslosigkeit verbreiten. Brillant.
Johanna Warren
Chaotic Good
(Wax Nine/Carpark Records)
VÖ: 01.05.2020
