KANTE – Die Tiere sind unruhig


Unentbehrlich.



Zwischen den Orten (1997), Zweilicht (2001) und Zombi (2004), so die bisherige „Z-Trilogie“ der Band KANTE um Frontmann PETER THIESSEN, der, und das sollte nicht nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden, früher bei Blumfeld den Bass spielte. Nun also das neue Werk ohne Z im Namen; und während Fans und Feuilleton immer noch daran verzweifeln, was denn um Himmels Willen in Jochen Distelmeyer gefahren ist, schüren KANTE mit Die Tiere sind unruhig noch ein bisschen die Glut im Feuer der neuerdings so organisch veranlagten „Neuen Hamburger Naturschule“ (taz) und liefern mit diesem ebenso genialen wie debilen Albumtitel quasi Steilvorlagen für die hechelnde Journaille. Es läge also verdammt nahe, dass auch KANTE, die zudem auf ihren aktuellen Pressefotos als Braun-, Schwarz-, Pandabär, Gorilla und Igel posieren, auf Distelmeyers Spuren im Garten Eden scharwenzeln.

Weit gefehlt! Zum Glück.

Die Tiere sind unruhig wird mit gleichnamigem, herausragenden Titelstück eröffnet: der Popsong vor dem großen Knall. Der Knall folgt und heißt ‚Ich hab’s gesehen‘ – PETER THIESSENs Horrorvision in Form einer punktgenauen, schroffen, straighten und dabei so komplexen wie filigranen Rockgranate. Der (überflüssige) Hinweis in der Innenhülle der CD „This record should be played loud“ erübrigt sich von selbst. (Das Video zu ‚Ich hab’s gesehen‘ gibt es auf www.kante-pale.de zusammen mit dem durch Zufall gleich konzipierten Video der Aachener Band Pale.)

„Eine Art Sexstück“ sagt THIESSEN über ‚Nichts geht verloren‘, das innerhalb von 8 Minuten und 14 Sekunden infernalisch auf den Höhepunkt zustrebt. Dazu hymnische, kratzende Gitarren und ein Bass, der Puls und Atem beschleunigt.

Bei ‚Die größte Party der Geschichte‘ wird’s lustig, saukomisch sozusagen. Der Sprechgesang von Gitarrist FELIX MÜLLER im Mittelteil des Songs ist erstklassig. Vor das Weltgericht geladen, kommen THIESSEN und Band zu spät, „weil die Wegbeschreibung scheiße war“. Grandioser Text, groovende Melodie, kurzes Entspannungprogramm von KANTE. Öfter mal was Neues.

Dann wieder Rock: ‚Die Wahrheit‘, die erste Single, ist ein zorniges Stück über Selbstentfremdung, Verzweiflung und inhaltlich die Fortsetzung vom Depri-Hammer ‚Ich kann die Hand vor meinen Augen nicht mehr sehen‘ (Zombi). Musikalisch öffnet sich das Paralleluniversum Blumfeld anno 1992-1994. Alles kommt zurück. Auch gut.

‚Ducks And Daws‘ hingegen ist das einzige Stück auf Die Tiere sind unruhig, das mit seinen Anleihen aus der jazzigen 70er-Jahre-Filmmusik noch am ehesten an Zombi erinnert. An der Trompete und am Flügelhorn ist hier übrigens Micha Archer (The Notwist, Tied and Tickled Trio, Ms. John Soda) zu hören.

Was bleibt?: „Die Fragen sind gestellt / das was man sagen kann gesagt / alles ist gut, der Zweifel bleibt / der Schmerz, die Trauer und der Zorn / Doch für uns ist nichts verloren / solang die Zeit noch in uns wohnt / solang der Schmerz im Wandel bleibt / auch wenn die Zeit ihn nicht mehr heilt.“ heißt es im Abschlusstrack ‚Die Hitze dauert an‘, dazu THIESSENs wunderbare Stimme, ein Klavier, später dann ein ganzes Orchester – und eine Gitarre, die weint und zugleich Trost spendet.

KANTE manövrieren erneut elegant, geschmackssicher und mühelos zwischen den verschiedenen Genres der Popmusik. Die Tiere sind unruhig ist im besten Sinne ein Platte im stetigen Fluss. Man möchte darin ertrinken.

KANTE
Die Tiere sind unruhig
(Labels / EMI)
VÖ: 04.08.2006

KANTE spielen live am 06.09.06 im Postbahnhof.

www.kantemusik.de
www.labelsmusic.de

Autor: [EMAIL=jana.schuricht@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Jana Schuricht[/EMAIL]

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