Yey, noch eine Disney-Neuverfilmung, auf die niemand gewartet hat. 54 Jahre nach Mary Poppins also ihre Rückkehr. Einen ollen Zeichentrickfilm mit CGI und realen Schauspielern unnötig wieder aufleben zu lassen, ist das eine. Aber einen Musical-Klassiker mit realen Schauspielern zu wiederholen, setzt voraus, dass man das Original zumindest einholt.
Nun war Mary Poppins vielleicht bisher Walt Disneys süßeste Wirtschaftspropaganda und so erfolgreich, dass sich der Kulturkonzern mit Saving Mr. Banks (2013) selbst dafür feierte. Walt Disney persönlich umgarnte Pamela Lynwood Travers, bis sie sich aus Geldnot weichklopfen ließ, ihren Roman 1964 doch zu verfilmen.
Fiel Teil 1 also in eine Zeit, als der moderne Keynesianismus nicht mehr lukrativ genug erschien, zeigt Teil 2 die heutige Infragestellung des postmodernen Neoliberalismus. In die Weltwirtschaftskrise der 1930er verlegt, zielt er auf 2018 – nach der Weltwirtschaftskrise 2008 und in die Erwartung einer neuen.
Der Schutzengel des Kapitalismus muss wieder mal in der Kirschbaumallee landen, damit nur niemand das Vertrauen in diesen verliert. Marys alte Schützlinge Jane und Michael sind inzwischen erwachsen und haben selbst Kinder. Wieder ist Kälte und mangelnde Kreativität („Can You Imagine That“) eingezogen, weshalb Mrs. Poppins notwendig eingreifen muss, um die Bänkerfamilie Banks zu retten.
Komponist MARC SHAIMAN steht in der Kritik, bei seinen neuen Songs nicht den Ohrwurmcharakter des Originals erreicht zu haben. Das stimmt: Zu billig sind die Melodien, zu wenig griffig die Refrains, zu verquatscht die Texte. JULIE ANDREWS konnte dagegen dank den Songs der SHERMAN-Brüder wunderbar die Arbeitsmoral stärken („Ein Löffelchen Voll Zucker“), die Inhaltslosigkeit der Werbung hochhalten („Superkalifragilistigexpialigetisch“), mit Almosen einlullen („Füttert Die Vögelchen“) und schließlich der Familie Banks nachlächeln, die glücklich ein Wertpapier, äh, einen „Drachen“ steigen ließ („Für Zwei Penny Papier Schon Genügt“).
EMILY BLUNT hat eine nette Stimme und spielt gut, muss jedoch die Werbung ein Stück weit begrenzen („A Cover Is Not A Book“) und auch die „Drachen“ machen Ärger („Kite Takes Off“, „Magic Papers“). Allerdings soll man auch nach einem Crash nicht den Mut aufgeben („Nowhere To Go But Up“). Das wirkt alles bemüht und nicht mehr so optimistisch wie bei Teil 1. Von dem wird man sich auch in 54 Jahren noch bezaubern lassen. Mary Poppins Returns kann man jedoch samt seines Soundtracks vergessen.
Mary Poppins Returns. Original Motion Picture Soundtrack
(Walt Disney Records/Universal Music)
VÖ: 07.12.2018