Von Laptop-Langeweilern, Aktenschrankvermöblern und Space Rock-Giganten.
Mein Gott, warum haben mir meine Eltern eigentlich beigebracht, immer pünktlich zu sein. Was bitteschön hab ich denn jetzt davon – ich bin Single, arbeitslos und stehe um 21.00 Uhr wie ein Depp (fast) allein im Maria – na toll! – Danke Papa! Was soll’s, irgendwann werde auch ich lernen, dass in Berlin Konzerte immer erst dann losgehen, wenn sie woanders schon zur Zugabe der Hauptband tendieren – ich bin ja noch jung und lernfähig – noch.
So begab es sich, dass sich gegen 22.00 Uhr ein Geselle auf der mit Technik zugestellten Bühne für sich und sein Laptop Platz schuf, um die bis dato spärlich gefüllte Halle mit dumpfen, langgezogenen und auf jede Highlights verzichtende Geräuschkollagen zu L A N G W E I L E N… HAAAALLLOOO – okay, ich weiß, wir sind in Berlin, der mit elektronischer Idiotenmusik verseuchtesten Stadt der Welt – aber hey, das muss doch wirklich nicht sein! Darum verlier ich jetzt auch kein Wort mehr zu dem Spack, dessen Namen ich ‚bewusst‘ nicht veröffentliche und mich Besserem zuwende, nämlich: …
… GITARRE UND SCHRANK (Bitte mal in heimischen Wohnzimmern Jubelstürme zelebrieren): Meine neue Berliner Lieblingsband. Zwei Männer und, wie der sehr pragmatisch gewählte Bandname schon sagt, eine Gitarre UND ein Schrank. Ein Aktenschrank, um genau zu sein. Und ganz ehrlich, die ersten zwei Minuten hab ich gar nicht geblickt, worauf der Wahnsinnige da rumtrommelt. In dieser Zeit war ich einzig und allein vom unglaublichen Sound, den das extrem verstärkte Ding da machte, fasziniert, bevor ich mit Hilfe meiner unglaublichen Intelligenz und der direkten Umsetzung des Bandnamens in meinem kognitiven Kortex den Aha-Effekt am eigenen Kopf erleben durfte (kommt nicht allzu oft vor).
So begeisterten mich die beiden zu Jubelstürmen, in dem HERR GITARRE mittels seinem Death-Metal getunten Arbeitsgerät und naivem Charme Lieder über die fucking BVG sang, die Schwierigkeiten von Fernbeziehungen erörterte und auch sonst alle Register zog, um sich zwischen Rock, Country, Trash, Speed und Scratch hin und her zu bewegen, während HERR SCHRANK, mit Sticks und Balken bewaffnet, um sein Möbelstück herumrotierte. FANTASTISCH! Liebe Berliner, bitte bitte mehr davon!
Einziger Negativpunkt, das ‚OI-WARNING-Arschloch‘ neben mir, der ständig von dieser, endlich mal erfrischenden Form, Musik zu machen, verlangte einzupacken – mit Verlaub gesagt – ich wünschte ihm einen Blitztumor im Rachenraum…
Doch bevor ich mich weiter in Jubelstürmen bzw. Hasstiraden verhasple – vergessen wir nicht den Hauptact, wegen welchem wir eigentlich gekommen waren: MELT-BANANA, die nach ihrem unglaublichen Album Cell Scape uns die Ehre gaben, dieses hier zu performen. Gesagt – getan, und nach einem dünnen „Hallo Berlin“ der, wie es sich für Japanerinnen gehört, schmächtigen Frontfrau, ging es dann auch mit ‚Shields for your eyes, a beast in the well on your hand‘ in die Vollen, um sich weiter im Kosmos von Cell Scape zu bewegen und das Maria in ein mit Lichtgeschwindigkeit fliegendes Spaceship zu verwandeln, mit maskiertem Gitarristen am Gashebel, der uns bewies, dass Tom Morello nicht der einzige ist, der auf seiner Gitarre scratchen kann.
Die gesammte versammelte Brücke von MELT-BANANA hätte eigentlich fachlich sofort auf der Enterprise anheuern können, wenn nicht davon auszugehen ware, dass es den zwei Herren und den zwei Damen dort zu langweilig wäre.
Plötzlich die Ansage, dass man nun ein par kürzere Songs zu spielen gedenke und diese mit den Worten einleitete „This Song is called – ‚His name is Mici'“, um dann in ein 15-sekündiges Noisegewitter zu verfallen. Das gab’s dann noch ca. 15 weitere Male, was man sich in etwa so vorstellen kann:
“Thank you – the next song is called … – BRRRRR BUM BUMMM KRACH …”
“Thank you – the next song is called … – KRACH BUMM SCHEPPER FIIEEEP …”
“Thank you – the next song is called … – PENG PENG BRRRRRRRRRR …”
“Thank you – the next song is called … – DRRRR BUM BOOOOIIIING CHRR …”
“Thank you – the next song is called … – BRRRRR BUM BUMMM KRACH …”
“Thank you – the next song is called … – KRACH BUMM SCHEPPER FIIEEEP …”
“Thank you – the next song is called … – PENG PENG BRRRRRRRRRR …”
“Thank you – the next song is called … – DRRRR BUM BOOOOIIIING CHRR …”
“Thank you – the next song is called … – BRRRRR BUM BUMMM KRACH …”
“Thank you – the next song is called … – KRACH BUMM SCHEPPER FIIEEEP …”
“Thank you – the next song is called … – PENG PENG BRRRRRRRRRR …”
“Thank you – the next song is called … – DRRRR BUM BOOOOIIIING CHRR …”
“Thank you – the next song is called … – BRRRRR BUM BUMMM KRACH …”
“Thank you – the next song is called … – KRACH BUMM SCHEPPER FIIEEEP …”
“Thank you – the next song is called … – PENG PENG BRRRRRRRRRR …”
“Thank you – the next song is called … – DRRRR BUM BOOOOIIIING CHRR …”
…um mittels eines DEVO-Covers in „normalere“ Songstrukturen zurückzukehren. Noch ein paar Cell Scape Granaten wie ‚Hey that a cat brings‘, um dann mittels einer ausgedehnten basswummerbrachialen Strobozugabe den zwischenzeitlichen Schlusspunkt zu setzen. Wenn dann nicht noch die zweite Zugabe mit einem weiteren Blitzsong gewesen wäre, welche diesen zukunftsweisenden Auftritt gut abgeschlossen hätte, wenn da nicht noch eine dritte Zugabe gefordert worden wäre – und wir wurden belohnt.
Nach diesem Gig sehe ich trotz Single-Daseins und Arbeitslosigkeit mit Zuversicht in eine wenigstens musikalisch hell scheinende Zukunft dieses Planeten und habe beschlossen, weiterhin pünktlich zu sein, da ich ja sonst so etwas verpassen könnte.
www.parkcity.ne.jp/~mltbanan
www.truemmerpromotion.de
Fotos: © MELT-BANANA
Autor: [EMAIL=mirco.erbe@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Mirco Erbe[/EMAIL]