NOAH AND THE WHALE – Last Night On Earth


Es geht ihnen gut.



Es ist seit jeher ein popmusikalischer Anspruch, authentische Erfahrungen in Klang und Text auszudrücken – ein Credo, das nur in seltenen Momenten gelingt: Immer dann, wenn man als Hörer den Eindruck gewinnt, die Musik entstamme dem vollen Herzen und echten Gefühl des Musizierenden. Ein junges Beispiel dafür war die Folkgruppe NOAH AND THR WHALE. Der sanfte Lebensmut ihres Debütalbums Peaceful, The World Lays Me Down erfasste erste Hörer 2008, und besonders der Nachfolger The First Days Of Spring ließ den Rezipienten vergessen, dass die Ohren hier ein Kunstprodukt entzifferten. Die elf Stücke schienen nicht irgendeine Geschichte zu erzählen, sondern aus dem Innersten des Songwriters zu sprechen – Charlie Fink sang darin vom tiefen Schmerz des Verlassenwerdens und der leisen Ahnung eines wiederkehrenden Frühlings. Es ließ sich vermuten, dass Letzterer im Folgewerk ausgebrochen sein werde und so heißt es nun im Opener des neuen Albums Last Night On Earth programmatisch: „Well he used to be somebody / And now he’s someone else / … / And it feels like his new life can start / And it feels like heaven /“.

Zunächst fällt auf, dass die Folk-Instrumentierung der Band Zuwachs durch Synthesizer bekommen hat – was erst nicht mehr als ein kaum auffallendes Ornament bedeutet, läutet bereits beim zweiten Song ‚Tonight’s The Kind Of Night‘ einen Wechsel der Songstrukturen ein: Das klingt ein bisschen so, als würde Charlie Fink in einer Karaokebar einen Blondie-Song zum Besten geben – bedauerlicherweise aber einen der langweiligeren. Es folgt mit ‚L.I.V.E.G.O.E.S.O.N.‘ eine potenzielle Hitsingle, die einschläfender kaum sein könnte und einen solange überparfümiert-mütterlich in den Armen schaukelt, bis man sich aus Angst vor Übelkeit lieber schnell aus ihren Klauen befreit. ‚Give It All Back‘ verspricht später mithilfe einer verspielten Xylophonmelodie eine etwas originellere Melodie, um jedoch bereits einige Sekunden später den langweiligsten Song des ganzen Werks einzuläuten: Monotone Instrumentierung aus Gitarre, Bass und Schlagzeug paart sich da mit der abgedroschenen Rekapitulation einer Jugendepisode: „Oh well the world never seemed bigger / Than the summer of ’98 / … / I grew my hair to my shoulders / Formed a band with a couple of friends / … / But the victory / For the kids who believe in rock and roll / I know for me / That performance lives, it never grows old /“.
Es folgen weitere musikalisch uneinfallsreiche Gesten, die immer die gleichen Eigenschaften aufweisen: einfache Popstrukturen, die genauso plump aufgebaut sind wie die Lebensfreude, die sie vermitteln sollen. Ab und zu werden kurze ruhigere Passagen in die Songs verknüpft, als müsse man kurz innehalten, um sich immer wieder des eigenen Glücks zu versichern.

Man fragt sich, warum es der Band nicht mehr gelingt, verhalten-hoffnungsgekrönte Songs der Art zu schreiben, wie sie es beispielsweise mit ‚Blue Skies‘ zur Perfektion trieben: Das klang, als würden sich erste Sonnenstrahlen wieder auf das Gemüt ausgießen, der Sänger seinen Schmerz langsam abstreifen und man selbst Zeuge einer Wiederaufstehung werden. NOAH AND THE WHALE geht es gut. Es geht ihnen gut. Hat man zu Ende des Albums immer noch Glaube an einen Authentizitätsanspruch in der Popmusik, lässt dieser nur folgenden Schluss zu: NOAH AND THE WHALE scheinen sich dabei gehörig zu langweilen.

NOAH AND THE WHALE am 13.04.11 live in Berlin/ Postbahnhof

NOAH AND THE WHALE
Last Night On Earth
(Cooperative Music / Universal)
VÖ: 25.03.2011

http://www.noahandthewhale.com
http://www.myspace.com/noahandthewhale

Autor: [EMAIL=lisa.forster@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Lisa Forster[/EMAIL]

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