Tallinn Music Week 2015

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POPTRAVEL. Unter diesem Namen berichten wir in unregelmäßigen Abständen von außerhalb Deutschlands. Porträts, Interviews, Konzert- und Festivalberichte im berühmten Blick über den Tellerrand. Diesmal ging es in die Hauptstadt Estlands zur Tallinn Music Week…

Die schnuckelige Altstadt von Tallinn gleicht in diesen Tagen einem Festivalgelände. Kein Wunder, denn zur siebten Ausgabe der TALLINN MUSIC WEEK (TMW), der größten ihrer Art im nordisch-baltischen Raum, sind mehr als 200 Musiker in der Stadt. Der Großteil stammt aus Estland, aber Acts aus dem nur eine Fährübersetzung entfernten Finnland ebenso wie aus dem fernen Kambodscha, aus Russland wie aus Israel, Armenien oder Großbritannien machen die TMW zu einem ebenso internationalen wie musikalisch ungemein vielgesichtigen Fest.

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Foto: Maris Savik

So groß die Bandbreite musikalischer Kreativpotenziale und Stoßrichtungen, so verschieden sind auch die Kulissen, in denen die Musik stattfindet. Hier spielen die dänischen SEXICANS in einer zum Pop Up-Restaurant umgemodelten Galerie Mariachi-Ska, dort die Letten AUDIENCE KILLERS in einem Tanz- und Fitnessstudio.  Mal ist elektronische Musik aus einem kleinen Plattenladen zu hören, mal entrückte Folkmusik in einem Jazzclub. Die aus dem 16. Jahrhundert stammende St. Nicholas Kirche wird ebenso zur Bühne (in diesem Fall für das Werk „To His Holiness“ aus der Feder des estnischen Komponisten PEETER VÄHI) wie das brandneue Theater Vaba Lava in Telliskivi, Tallinns schnuckeligem Hipster-Playground jenseits der Gleise. Weitere Highlights: das gewaltige Soviet-Kino Sõprus, das Restaurant Sinilind und der Erinevate Tubade Klubi, für dessen Veranstaltungen man Schuhe gegen Slipper tauscht und so endgültig in die Wohnzimmer-Atmosphäre des ebenfalls in Telliskivi angesiedelten Clubs eintaucht. Bei all dem kann man sich ganz wunderbar in den endlos verzweigten, kopfsteingepflasterten Gassen von Tallins Altstadt verlieren und so die Stadt besser kennen lernen als während jeder geführten Tour.

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Foto: Tõnu Tunnel

Ein ganz besonderes szenisches wie musikalisches Highlight ist der CLASSICAL MUSIC RAVE im KultuuriKartel, einem zur Eventlocation aufpolierten hundert Jahre alten ehemaligen Kraftwerk. Im Jahr 2013 vom belgischen Cellisten BRENDAN JAN WALSH in einer Amsterdamer Fabrik ins Leben gerufen, inszeniert die mittlerweile weltweit erfolgreiche Reihe klassische Musik als Partyevent. So ungewohnt das klingen mag: Schon Genies wie Bach und Schubert haben neben ihren seriöser anmutenden Day Jobs Tanzmusik geschrieben. Das Event entwickelt sich jedoch anders als erwartet, die Acts schwelgen in donnerndem Droner-Sound. Auch angesichts der postindustriellen Kulisse wähnt man sich bisweilen im Berliner Berghain.

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Foto: Tanel Tero

Doch Musik ist lange nicht alles, was die TMW ausmacht: Das zweitägige TALLINN CRAFT BEER WEEKEND ist ein Showcase der besten Mikro-Brauereien, die derzeit weltweit aus dem Boden schießen und gemeinsam mit den europaweit allgegenwärtigen Burger Restaurants und Third Wave Espresso Bars nur scheinbar alltägliche Gastronomie neu denken und präsentieren. Das Craft Beer Weekend ist seinerseits angegliedert an das über zwölf Restaurants verteilte kulinarische Festival TMW TASTES, das ebenso wie das in desem Jahr erstmals veranstaltete, vom Estonian Contemporary Art Development Centre organisierte Galeriefestival TMW ARTS mit seinen zahlreichen Vernissagen die TMW zu einem Fest macht, das in der Tat alle Sinne anspricht.

www.tmw.ee

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Foto: Marianne Ubaleht

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