The Impure – Band 1

In unseren neuen Reihe POPGRAPHIC wollen wir Zeichner*innen und Autor*innen von Graphic Novels die Gelegenheit geben, ausführlich über die Arbeit an ihren neuen Bänden zu sprechen. Dafür wählen sie selbst einzelne Seiten oder auch längere Passagen aus. Zum Auftakt nehmen uns RALF SINGH und HANNES RADKE mit in eine action-geladene Szene aus dem ersten Band ihrer neuen Sci-Fi-Sage The Impure

RALF: In „The Impure“ gibt es sehr viele Einflüsse aus der römischen und griechischen Antike. Dies wollte ich konsequent auch bei der Architektur durchziehen. Dazu habe ich Hannes ein Gemälde (Giovanni Paolopanini) vom Pantheon in Rom als Referenz geschickt. Ein wesentliches Element in der Architektur sollte auch die Zahl drei sein. Die drei Helden, die den Cluster erbaut haben, werden von den Anhängern des Clusters fast schon religiös verehrt. Ähnlich wie die Dreifaltigkeit in der Bibel oder die drei Hauptgötter im Hinduismus (Brahma, Vishnu und Shiva). Ein weiteres Detail, das mir wichtig war, ist die Erde, die wir oben durch die gläserne Kuppel sehen.

HANNES: Ralf hatte mir Gemälde eines antiken römischen Gebäudes zur Inspiration geschickt. Ich habe mich bemüht, die unmenschliche Größe des Saales einzufangen. Die winzige Minerva unten im ersten Panel soll verloren und einsam wirken. Hier sehen wir ganz direkt die Grundhaltung, die dem Menschen von Seiten der Herrschaftsstruktur des terranischen Reiches entgegengebracht wird. Die gesichtslosen, ewig wachenden Gründungs-Helden verstärken den Eindruck nochmals. Die Idee des unheimlichen, „Liminalen Raumes“ der menschliche Anwesenheit nur vorübergehend duldet. Außerdem war mir wichtig, den „Cluster“ schon am Ende des dunklen Korridors anzudeuten. Ein mysteriöser, bedrohlicher Punkt, der den Leser auf die nächste Seite zieht. Das Auge Saurons, könnte man sagen.

RALF: Die Wandgemälde im Cluster sind ein schöner Trick, die Mythologie des Clusters visuell dar zu stellen. Der Comic ist vorwiegend ein visuelles Medium, darum war es uns wichtig, die Geschichte, die hier erzählt wird, nicht einfach nur mit Worten zu präsentieren. Ein zusätzlicher Schwierigkeitsgrad war hier, die zweidimensionalen Wandgemälde von der dreidimensionalen Figur (MINERVA) abzuheben. Dazu habe ich in der Koloration einen simplen Schatten von Minerva an die Wand gebracht.

HANNES: Hier war die Herausforderung, die Wandgemälde als solche erkennbar werden zu lassen. Minerva soll echt und organisch wirken, während die Gemälde schematisch und stilisiert erscheinen sollen. Das habe ich versucht, durch exakte Rhythmen, flache Perspektiven und unnatürliche Symmetrien zu erreichen. Inspiration waren byzantinische Fresken und ägyptische Wandmalereien.

RALF: Ein sehr interessantes Detail hier ist die Sprechblase des kleinen Alien-Jungen (Cali). Er ist ein Lakhan, und wie wir auf den vorherigen Seiten, auf den Wandbildern sehr schön sehen konnten, spielen geometrische Figuren in deren Kultur eine besondere Rolle. Dies wollte ich auch in der visuellen Darstellung ihrer Sprache wiedergeben. Ein weiteres, sehr wichtiges Element für mich war die Farbstimmung. Die warmen Farben (rot, gelb, orange) heben meiner Meinung nach die Besonderheit des Showdowns hervor, welches sich in den Folgeseiten anbahnt. Vor allem, da ich in den vorherigen Kapiteln eher zu kalten Farbstimmungen tendiert habe, vermittelt dem Leser sehr schön, dass hier etwas Besonderes bevorsteht.

HANNES: Ich hätte gern mehr Details von Minervas Wohnraum in der Geschichte untergebracht. Besonders wichtig war mir aber, zu zeigen, dass sie in jede Ecke und Nische Bücher gestopft hat. In dieser Szene erwacht sie in ihrem Lesesessel neben einem Stapel Bücher. Als sie aufsteht, fällt ihr eines vom Bein. Außerdem kämpft sie mit den Folgen ihrer Gehirnkontrolle. Schmerzen, die sie mit Alkohol betäubt (daher der Whiskey). Ihre Vorliebe für Zigarren konnte ich sogar auch unterbringen. Mit dem Raumschiff im Landeanflug habe ich mich an klassischen Szenen aus Star Wars orientiert. Der landende Millenium Falcon ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Eine schöne Gelegenheit, Herodes Cutter (Name des Schiffs) zu präsentieren. Da die Geometrie meines Designs dermaßen kompliziert war, lohnte es sich für mich sogar, ein 3D-Modell in Blender als Referenz zu modellieren. Den meisten Spaß aber hatte ich mit den Space-Hühnchen.

RALF: Das Weizenfeld ist für mich ein schönes Symbol für das Leben und für Wachstum. Auf einem der Wandbilder in den vorherigen Seiten konnten wir auch schon eins sehen. Ich wollte hier eine klassische Showdown-Szene aufbauen, ähnlich wie wir sie schon von Western-Filmen kennen. Hannes konnte wirklich in jedem Panel die Kamera perfekt setzen. Minerva und Nero haben sehr unterschiedliche Kräfte, dies spiegelt sich visuell in den Farben wider. Aber ich bin noch einen Schritt weiter gegangen und habe auch unterschiedliche Fonts für die Soundwords verwendet. Nero ist schnell und agil, dies zeigt sich in der schlanken und zackigen Schrift. Minerva hingegen ist schwerfällig, aber stark gepanzert. Dementsprechend hat sie eine dicke und einfache Schrift.

HANNES: Panel 3, 4 & 5 zeigen, wie Nero seinen Kampfanzug anlegt. Die ITOs beschwören Gegenstände und Panzer aus dem Nichts. Das habe ich mit den Blitzen gelöst, die die hohe Ladung zeigen sollen, mit der sich die Kleidung materialisiert. Die Blitze und vielen Lichteffekte haben Ralf mit der Kolo das Leben wohl ganz schön schwer gemacht, jedoch mit tollen Resultaten. Mit der Verwandlung allein hätte ich gut und gerne sieben bis zehn Panels füllen können (wollen). Aber mit der Einstellung würde ich wohl heute noch an Band Eins zeichnen. Ich hoffe, es ist auch so leserlich und man versteht, was vor sich geht.

RALF: Das Besondere an dieser Kampfszene ist, dass keine Bewegung zufällig ist. Im Skript habe ich zuerst den Dialog geschrieben und dann die Bewegungen wie einen Tanz passend dazu choreographiert. Jeder Schlag, jeder Block, jeder Schuss untermalt die Argumente der jeweiligen Figur in dieser Unterhaltung. In diesem Kampf treten nicht nur zwei Figuren gegeneinander an, sondern auch zwei Standpunkte in einer wichtigen Frage, die eine zentrale Rolle in diesem Buch spielt.

HANNES: Auf diesen Seiten geht alles um Pacing, Dynamik, den Rhythmus von Action und Worten. Viele Bewegungen mit wenigen Panels verständlich umzusetzen ist immer besonders knifflig. Außerdem habe ich versucht, die Richtung und die sich entwickelnde Positionierung der Charaktere im Bezug zu ihrer Umgebung so klar zu zeigen, wie es geht. Das Ziel ist, dass der Leser jederzeit genau versteht, wo wer ist. Idealerweise muss man nicht ein einziges Mal bewusst darüber nachdenken und das Ganze liest sich in wenigen Sekunden. Mein Wunsch ist, dass der Leser schon lange vergessen hat, ein Leser zu sein und sich ganz in der Welt der Erzählung befindet.

RALF: Okay, das coolste an „The Impure“ sind die Beasts. Die beiden Hauptfiguren können jeweils eine gottähnliche Kreatur beschwören, die wir in der Story als Beasts bezeichnen. Und hier bringt Minerva ihr Beast auf das Schlachtfeld. Leider haben wir im ersten Buch nicht viel Platz für die Beasts gehabt, aber im zweiten Buch wird das ganz anders sein.

HANNES: Endlich hatte ich die Gelegenheit, Minervas „Beast“ einmal annähernd in Ganzkörperansicht zu zeichnen. Aus dramatischen Gründen habe ich das Panel dann aber doch hauptsächlich mit dem Kopf ausgefüllt und Teile im Anschnitt belassen. Das soll den überwältigenden Eindruck noch verstärken. In Band 2 soll es noch viele andere Beasts geben. Darauf freue ich mich schon besonders.

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