TRAILER TRASH TRACYS – Ester


LYNCHesque Melange aus britischen Tugenden mit einem Schuss Originalität.



Krachende Riffs und kreischende Gitarrensoli spielen in der Independent Rock/Pop-Szene nun schon seit einigen Jahren eine eher untergeordnete Rolle, und das noch junge Jahr 2012 scheint nicht jenes zu werden, das eine Kehrtwende einläuten wird. Die Annahme wird gespeist von den Bands /Acts / Künstlern, deren Namen in den diversen Musikredaktionen kursieren und als die Großen der nächsten 12 Monate gehandelt werden: ZULU WINTER, ALT-J, MOZART PARTIES und TRALER TRASH TRACYS. Alle lassen sich als mehr oder weniger ruhige und atmosphärische, bisweilen auch sperrige Gitarrenbands labeln.

Besagte TRAILER TRASH TRACYS, denen man für ihren abgedroschenen Bandnamen mal auf die Finger klopfen sollte, gehen hierzulande als erste Gruppe aus dem Favoritenreigen an den Start. Ihre debütierende Langspielveröffentlichung fasst zehn Tracks unter dem Titel Ester zusammen. Zwei Singles wurden in den vergangenen Wochen schon ausgekoppelt und die Formation im Vorprogramm der THE VACCINES vorgestellt.

Mit ‚You Wish You Were Red‘ präsentieren sich die TRAILER TRASH TRACYS fahrig entrückt wie THE JESUS AND MARY CHAIN, fügen dem allerdings den coolen Charme von ausgebleichtem Glamour á la DUM DUM GIRLS oder WARPAINT hinzu. Gekennzeichnet durch einen immer fortlaufenden, brodelnden Basslauf – treffender Basszirkel – und einem unverkennbaren Bezug zur britischen Bandszene der ausgehenden 1980er, ist dieser Song die Blaupause von Ester und auch dessen Highlight.

Ungeachtet des instrumentalen Space Rock Preludes ‚Rolling – Kiss the Universe‘ zu Beginn des Albums folgt Ester einem strickten Konzept. Die Parameter sind hierbei Shoegaze, die Ausrichtung an einem Bassmuster und eine Post-Punk-Attitüde, welche in Richtung Dream Pop ausfransen. Exemplarisch wird bei ‚Los Angered‘ eine emotionale Intensität um einen unterschwelligen, BOBBY GILLESPIE-patentierten Drumbeat und SUSANNE AZTORIAs desinteressiert gehauchten Vocals entworfen. Seltsam und ein wenig enttäuschend ist, dass der durchaus forsche Ansatz von einem simplen 60ies Girl Group Akkordwechsel unterlaufen wird. ‚Candy Girl‘ ist ein erfreulicheres Beispiel, denn hier evoziert die feuchtkalte und mäandernde Melodie einen luziden Traum, zu gleichen Teilen elegant und angstgetrieben.

Der derb geschredderte Riff um ‚Engelhardt’s Arizona‘, man mag es kaum aussprechen, erinnert an EDDIE VAN HALEN, aber auch hier funktioniert die treffliche Bassline ein weiteres Mal wie ein Lasso und hält unnötiges Ausufern im Zaum. Dieser Track und ‚Dies in 55‘ leben von dem Trick, den ANIMAL COLLECTIVE perfektioniert haben, sich zunächst zwei bis drei Minuten um einen Beat zu drehen und scheinbar den Groove nie zu finden. Doch auf einmal wiegt der Kopf rhythmisch vor und zurück, gebannt von unzähligen kaleidoskopischen Melodieversätzen.

Die sich aufdrängenden Vergleiche zu anderen gestanden Bands zeigt zunächst eines: TRAILER TRASH TRACYS ist es mit Ester nicht gelungen, einen originären Sound zu destillieren – aber die Aussichten diesbezüglich sind rosig. Zudem sind die Bezugspunkte nicht schlecht gewählt und man hört dem Album an, dass man sich mit den jeweiligen Vorbildern auseinandergesetzt hat, anstatt sie unreflektiert zu kopieren. Was in der Besprechung noch nicht erwähnt wurde, aber sich beim ersten Abspielen aufdrängt, ist die fast schon frech offensichtliche Verwendung des Twin Peaks-Titelthemas in gleich zwei Songs. Ist es Naivität oder bloße DAVID LYNCH-Verehrung? Ist, nachdem man sich ein, zwei Mal darüber geärgert hat, aber auch nicht mehr wichtig, denn das Stück passt jeweils großartig in das mystische Songpuzzel.

TRAILER TRASH TRACYS
Ester
(Domino / Rough Trade)
V.Ö.: 13.01.2012

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Autor: [EMAIL=alexandra.wolf@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Alexandra Wolf[/EMAIL]

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