Hallo? Ist da jemand auf der Bühne? So ganz sicher kann man sich bei den Auftritten von ALT-J in dieser Hinsicht ja nie sein. Obwohl das Erfolgs-Trio aus Leeds am gestrigen Abend schon verhältnismäßig viel von sich preisgibt, gelöst wirkt und sogar mal für einen Lacher gut ist, bleibt die große Bühnenshow weiterhin aus. Damit sorgt die Band zwar nicht für spektakuläre Feuerwerke, dennoch wird der Abend dank der Hymnen ihres ersten Albums An Awesome Wave und einem fantastischen Publikum, das in genau den richtigen Momenten einzustimmen weiß, zumindest ein Erfolg in Maßen.
Es ist ein exklusives und intimes Showcase im Lido, für das die Karten nirgendwo käuflich zu erwerben waren. Versammelt sind daher wahre Fans und der Enthusiasmus, der schon vor Konzertbeginn in der Luft liegt, scheint nicht unangebracht: Jeder ALT-J-Song besteht aus berauschend vielen Komponenten, ist im Innern komplex gestaltet und kommt dennoch in einem eingängigen Pop-Gewand daher, das sämtliche Genre-Grenzen sprengt: Dunkle Bässe, Dubstep-Rhythmen, verzerrte Keyboard-Figuren, akustischer Folk, A-Cappella-Harmonien und Hip-Hop-Muster – ALT-J wissen mit allem zu spielen. In Verbindung mit Sänger JOE NEWMANs Art-Rock-Stimme und GUS UNGER-HAMILTONSs okkultistischen Backings macht sie das im Indie-Bereich durchaus einzigartig.
Egal ob „Fitzpleasure“, „Matilda“, „Breezeblocks“ oder „Taro“ – jeder Song klingt an sich wie ein Hit. Ein wenig phsysische Bewegung würde ihnen dabei allerdings nicht schaden. Jeder Song wird streng penibel als Album-Version gespielt, ohne eine einzige der vielzähligen Windungen in neue Richtungen ausbrechen zu lassen. Kabel, die man für einen Live-Auftritt eigentlich benötigen würde, sind ebenfalls nirgendwo zu sehen. Die leidenschaftslose Präsentation lässt den Gig leider irgendwann dahinplätschern, obwohl neue Songs wie „Nara“ oder „Every Other Freckle“ eigentlich nicht weniger überzeugend sind. Auch wenn keines ihrer Alben ekstatische Ausbrüche verspricht: ALT-J fehlt an diesem Abend der Schwung und die Empathie, um live einen ebenso herausragenden Eindruck zu hinterlassen wie von Platte. Beim nächhsten Mal bleiben die Fans so vielleicht einfach zu Hause.
