In den USA fragte sich im April die Community des Podcasters Joe Budden ernsthaft, wie ernst denn das Cover zum neuen Album des Rappers WIZ KHALIFA namens Kush + Orange Juice 2 gemeint sei. Über dessen Liebe zum abgebildeten Marihuana bestand kein Zweifel, wohl aber über die Kugelform der Erde. Denn in einem Interview hatte Wiz Khalifa genau diese angezweifelt, er glaube eher an eine riesige, flache Ebene. Bekifftes Geschwafel, gezielter Promogag oder doch bekundete Verschwörungstheorie? Die alberne Episode veranschaulicht gut, wie stark Verschwörungsideologie bereits im US-Mainstream angekommen ist.
Neben dem Verschwörungspop, der seit den 2010ern kontinuierlich Raum in der Popmusik einnimmt, sind es der postmoderne Queerfeminismus, Antirassismus und Postkolonialismus, die den Antisemitismus wieder salonfähig gemacht haben. Diese einstigen kritischen Theorien bieten inzwischen einem akademisch geschultem Milieu die Möglichkeit, sich antisemitisch zu äußern über den Umweg Israel-Kritik. 2014 trat zum Beispiel Rapper MACKLEMORE mit Perücke und Hakennase als Jude auf, wollte aber Kritik daran nicht gelten lassen. Zehn Jahre später veröffentlichte er dann 2024 die Songs „Hinds Hall“ und „Hinds Hall 2“ für das palästinensische Mädchen Hind Rajab. Darin übernahm er Positionen und Parolen der pro-palästinensischen Bewegung. Hier ließ sich schön beobachten, wie aus Kritik am US-Staat für dessen Agieren gegen die Bewegung ganz schnell der Wunsch nach dem Ende des israelischen Staates wird. Der Trick ist dabei die Umdefinition des von der palästinensischen Hamas begonnenen Krieges in einen „Genozid“ an den Palästinensern, um dann im nächsten Schritt Holocaust-Relativierung zu betreiben. So werden im Musikvideo für „Fucked Up“ historische Aufnahmen aus dem Warschauer Ghetto mit Aufnahmen aus dem heutigen Gazastreifen nebeneinander gestellt. Im Text schafft es Macklemore gleichzeitig, die Verschwörungstheorie aufzustellen, pro-palästinensische Hashtags würden auf X und anderen Plattformen unterdrückt und Milliardär Elon Musk für seine Hitlergrüße zu rügen. Jemand anderes, der dagegen meint, Musk würde ihm persönlich mit den Hitlergrüßen seine antisemitische Unkorrektheit abkupfern, ist Rap-Kollege KANYE WEST (YE).
West hatte seinen Antisemitismus bereits in den Vorjahren radikalisiert und tobte sich 2025 erneut auf X aus. Er nahm dementsprechende Entschuldigungen von 2023 zurück und verbreitete die Verschwörungstheorie, Juden seien am islam-fundamentalistischen Anschlag vom 11. September 2001 schuld. Um nun wirklich jedem sonnenklar zu machen, dass er wirklich ein Nazi ist, verkaufte er T-Shirts mit Hakenkreuz darauf und veröffentlichte zum 80. Tag der Befreiung den Song „Heil Hitler“ als dritte Single für sein 12. Album Cuck. Dies wurde von rechtsextremen Ideologen wie Joe Rogan und Nick Fuentes jubelnd als „Meinungsfreiheit“ verbreitet. In den Lyrics vermischt sich Ehestreit um Kinder mit Politik. Der Refrain „Nigga, Heil Hitler!“ baut auf dem postmodernen Unsinn auf, nur „Schwarze“ dürften das rassistische N-Wort benutzen, um im nächsten Schritt zu erklären, „Schwarze“ dürften eigentlich alles sagen. Und so brüllen im Musikvideo „schwarze“ Männer den Refrain. Dass Hitler in „schwarzen“ Menschen auch „Untermenschen“ sah, nur eben nicht als lebende Teufel wie die Juden sondern „nur“ als Sklaven, wird ignoriert. Und der rechtsextreme Ku-Klux-Klan, der auf dem geplanten Albumcover von Cuck dargestellt ist, jagte vorrangig „Schwarze“. Beim abartigen Versuch, „Schwarzen“ Antisemitismus, Sexismus und letztlich auch Rassismus schmackhaft zu machen, muss die Bedeutung von West inzwischen ähnlich wie die von Nation of Islam-Chef Louis Farrakhan eingeschätzt werden.
Einstige Erfolge, starker Drogenkonsum oder mögliche bi-polare Störungen von Ye und Musk dürfen keine Ausreden sein für das, was sie in Aussagen und Aktionen vertreten: Antisemitismus bzw. Rechtsextremismus. Der Geniekult nutzt dem Führerprinzip. Die rechte Szene nutzt und verkauft von je her Drogen. Und der zentrale Wahn des Rechtsextremismus ist der Antisemitismus: Die Idee, ohne Israel bzw. „die Juden“ würde die Welt besser werden.