Das Genre Disco ist gar nicht mehr so mausetot. Nicht nur, dass eines seiner Kinder, House, nie weg war und im Netz der Trend der digitalen Neo-Disco (auch „Future Funk“ oder „Vaporwave“) aufgekommen ist. Rockbands wie ARCADE FIRE zeigen sich offen dafür. Das war mal keine Selbstverständlichkeit. Als in den 1970ern die ROLLING STONES und KISS auf den Disco-Zug aufsprangen, wurden sie dafür von Rockfans kritisiert. ASTRO ist ein Producer, der sich als Netz-DJ betätigt und schon auf Crystal Clear 1980er-Songs remixte. Mit Studio 53 widmet er sich ganz der Disco-Ära New Yorks.
Die LP bezieht sich natürlich auf den legendären Funk-Club Studio 54, in dem die Prominenz feierte. Er wurde im Jahr des internationalen Disco-Durchbruchs, 1977, gegründet und musste schon 1980 schließen, weil die Betreiber wegen Steuerhinterziehung verklagt worden waren. 2006-8 wurde versucht, den Club in Berlin am Salvignyplatz wieder zu beleben.
Was ASTRO auftischt, sind Stücke, die tatsächlich im Studio 54 hätten gespielt werden können – gesampelt, geremixt und mit Wavebeats angereichert. Das klingt erstaunlich frisch.
Das Intro „Welcome To Studio 53“ wird von BARRY WHITEs Vorzeigeprojekt, THE LOVE UNLIMITED ORCHESTRA, bestritten. GWEN MCRAE verbreitet, auf ordentliche Geschwindigkeit gebracht, positives Vibes („Funky Sensation“). Ähnliches gilt für MELBA MOOREs „You Stepped Into My Life“ („Two Stepped Into My Life“). Während „You Want Me To“ (THE COOL NOTES) dem Vaporwave verpflichtet ist, bleibt TEVIN CAMPBELLs „Can We Talk“ sehr werktreu. „Lively Celebration“ von DAVID JOSEPH könnte auch von DAFT PUNK aufgedreht worden sein.
Ein Interna der Vaporwave-Szene dürfte „Achitecture In Tokyo“ von CITY (ft. MACROSS 82-99) sein, das ASTRO nochmals bearbeitet hat.
Was ASTRO völlig ausspart, ist der Rock-Konflikt. Disco war in den 1960ern der Sound der Schwarzen- und Homosexuellen-Bewegung. Als er in den 1970ern in den Mainstream vordrang, kamen ihm die Vorwürfe von Künstlichkeit und Dekadenz entgegen. In der Chicagoer Disco Demolition Night vom 12. Juli 1979 ging das Genre unter. Mit Rassismus und Homophobie war Rock noch einmal der Sieger. Doch spätestens in den 2000ern unterlag er vorerst durch die Übermacht der elektronischen Musik.
ASTRO
Studio 53
(Palm ’84)
VÖ: 02.09.2018