CHAMPAGNER GLOYSTEIN – Moderate Ekstase


Indiepunkrock aus Hamburg – Haut es mit Edding an die Wände!



„Please don’t put your life in the hands of a rock’n’roll band, who’ll throw it all away“ sang eine bekannte britische Band einst – bei einer nicht ganz so bekannten Hamburger Band heißt es jetzt am Ende von knapp 33 aufregenden Minuten: „wenn du dem Sänger dieser Band vertraust ist das gefährlich/ einzig sein Bemühen um Künstlichkeit ist ehrlich“.

Diese Hamburger Band nennt sich CHAMPAGNER GLOYSTEIN und hat sich 2003, nach der Auflösung des Vorgänger-Projektes „karoshi“ formiert – ein ebenso genannter, einminütiger, brutzelnder Elektronik-Track auf dem nun erschienenden Debütalbum erinnert an diese vergangene Zeit. Was die Herren Roman Vehlken, Stefan Marter, Elmar Günther und Jan Gloystein auf Moderate Ekstase sonst veranstalten, passiert meist auf der Basis von zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und seltsam entrücktem und gerade deshalb faszinierendem Gesang, der allerdings in drei von insgesamt zehn Stücken fehlen darf und Platz für die spannende Musik macht.

Diese Musik klingt meist so: der präzise, pumpende Bass und die zwei schabenden, ja kratzenden Gitarren treiben das hölzern tackernde Schlagzeug durch eine Vielzahl von Rhythmus- und Tempowechsel, solange bis die Instrumente sich plötzlich umgarnen, aneinander schmiegen und den Weg in noisige Indierock-, No-Wave- und Punk-Melodien finden.

All das spielt sich mindestens im Midtempo ab, häufig aber auch schneller, bis hin zu beinahe wüstem Politpunk – gern darf sich für kurze Zeit alles überschlagen – häufig werden die, ohnehin vom Strophe-Refrain-Strophe-Muster abweichenden Strukturen, aufgebrochen aber nie, ohne dass die Band kurze Zeit später wieder gemeinsam auf den Punkt kommt und in eine andere Richtung weitergaloppiert. Das alles ist kühl und furztrocken produziert und wird nur selten durch Instrumente und Gesang befreundeter Musiker erweitert (z.B. durch Knarf Rellöm, der im melodramatischen ‚Tirana‘ als hektischer Nachrichtensprecher fungiert).

Keine Atempause – Geschichte wird gemacht! Geschichte findet Eingang in die gewitzten, intelligenten und zum Teil bitterzynischen Texte von Elmar Günther. Im zuletzt genannten Song „über den Schleusenwärter von Tirana, der seine Drohung wahr machte und aus Ärger über den ihm verwehrten Alkoholnachschub die Altstadt flutete“ (Bandinfo) – klar! – genauso wie in ‚Dolly‘, der jenseitigen Begegnung mit dem Klonschaf, das zur Erkenntnis kommt: „Alles in allem ist nach wie vor/ der Mensch das beste Schaf auf Erden“.

Gesellschaftliche Realität wird reflektiert in den ernsteren Titeln ‚Verkantete Talentete‘, ‚Angela Davis-Cup‘ und ‚Gemeinschaft mit beschränkter gesellschaftlicher Haftung‘, wo es heißt: „Sie konstatieren den Kater/ sie sagen die Party sei vorbei/ doch als die Party noch im Gang war/ waren wir auch nicht dabei“.

Vorgetragen wird das durchaus variantenreich, manchmal wütend-punkig, oft aber auch in einem Gesangsstil, der in seiner Melodieführung und Distanziertheit an gute Wave- bzw. Welle- Bands aus den frühen achtziger Jahren erinnert. Da ändert es auch gar nichts, wenn der junge Mann im finalen ‚Wiedersehen‘ feststellt: „ich kann nicht singen“ und „auf meinem Grabstein wird ein Flachwitz stehen“.

Insgesamt ist ein hochdynamisches, rockendes Debüt entstanden, das wie ein giftiger Pfeil ins heftig pumpende Deutschpop-Herz schießt. Über diese Platte freue ich mich um so mehr, weil sie zeigt, dass auch in der, in dieser Hinsicht traditionsreichen Hansestadt, noch frische und innovative Bands nachwachsen . Natürlich ist diese Platte viel zu verschroben und krass, als dass CHAMPAGNER GLOYSTEIN hiermit auf Massenwirkung stoßen würden. Die Band zeigt aber in den durchaus vorhandenen hymnischen Momenten, dass sie könnte, wenn sie wollte und dürfte sich damit den Segen der „Indierock -Scene“ (Bandzitat!) nachhaltig erspielen!

CHAMPAGNER GLOYSTEIN
Moderate Ekstase
(Dustbowl Sounds/ Broken Silence)
VÖ: 17.07.06

www.champagner-gloystein.de

Autor: [EMAIL=heiko.bartels@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Heiko Bartels[/EMAIL]

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