Eine gemeinsame Kollaborationstournee der Dark Folk / Postrock-Göttin EMMA RUTH RUNDLE und den Sludge-Doom-Metal Legenden THOU? So schön hätte es werden können. Schon im vergangenen Jahr zum Roadburn Festival 2019 konnte man die ersten Früchte der gemeinsamen musikalischen Vision hören. Kurz darauf hieß es, dass ein gemeinsames Album und eine Tour kommen würden. Die Erwartungen waren groß. Dann kam es, wie es kam, und so ziemlich jede Tournee wurde weltweit abgesagt, auch diese. Aber zumindest ist es nun da: das lang erwartete Album May Our Chambers Be Full.
Und das Warten hat sich gelohnt, denn das Album ist die perfekte Melange zweier sehr unterschiedlicher Musikstile von versierten Ausnahmekünstlern, die mit ihrem vergangenen Schaffen so gut wie nie zu enttäuschen wussten und auch hier wieder unter Beweis stellen, dass sie ihre Plätze in den Herzen der jeweiligen Fangemeinde verdient haben.
„Killing Floor“, der Opener des Albums, hat einen für Emma Ruth Rundle üblichen atmosphärischen Beginn und geht dann in einen schweren Postrock über. Der Song unterscheidet sich zu ihrem Schaffen anfangs nur dadurch, dass im Hintergrund, fast schon wie Backing Vocals, das Gekeife von Thous Sänger Bryan Funck zu hören ist. Die Schwere nimmt im weiteren Verlauf zu, so dass es sich anfühlt, als würden sich Rundle und Thou mühsam durch knietiefen Schlamm voran arbeiten wollen.
„Monolith“, der zweite Songs des Albums, sticht dagegen aus dem Gesamtkonzept der Platte heraus und hört sich eher an wie eine heftigere Version eines Alternative Rock-Songs aus den Neunzigern. Natürlich bleibt auch hier Funcks Gekeife im Hintergrund eine feste Komponente. Mit „Out of Existence“ hingegen geht es mit Rundles einnehmender Stimme auf tiefgestimmten Gitarren weiter. Ihr tiefemotionaler Gesang wechselt sich im Refrain mit Funcks forderndem Geschrei ab, so dass der Song unaufhörlich voranzurücken scheint und dabei trotzdem etwas Ruhe bewahrt.
„Ancestral Recall“, der vierte Song auf May Our Chambers Be Full, wurde als erster Vorgeschmack schon 2019 auf dem Roadburn gespielt und zeigte eindrucksvoll, in welche Richtung die kommende Kollaborationsarbeit gehen wird. Wie auf keinem zweiten Song auf dem Album fügen sich hier Thous kraftvolle und schleppende Instrumentierung und Rundles einnehmender Gesang perfekt ineinander ein. Zum Ende steigert sich der Song und kulminiert in einem brutalen Höhepunkt. „Magickal Cost“ fühlt sich hingegen an, als würden sich Rundle und Thou den Song teilen: Die erste Hälfte gehört ihr und die zweite Thou, was dem Song aber keinen Abbruch tut. Wie die Ruhe vor dem Sturm umschmeichelt Rundle, wird dann von dem Gewitter Thous eingeholt, um am Ende wieder in gemeinsamer Melange das Unwetter ausklingen zu lassen. Mit „Into Being“ wird noch einmal ein kraftvoller Brocken nachgeliefert, in dem unter Beweis gestellt wird, wie gut die vermeintlich unterschiedlichen Stile eigentlich zueinander passen. Den Abschluss des Albums stellt „The Valley“. Hier kommen vor allem Emma Ruth Rundle Fans auf ihre Kosten. Wäre das ausbrechende und brachiale Ende nicht, in dem es so scheint, als würden Thou den Song für sich annektieren wollen, hätte der Song so auch auf einem ihrer Soloalben zu finden sein können. Genau der richtige Abschluss für ein durchgängig solides Album.
Auch wenn es in diesem Jahr mit der Tournee nicht geklappt hat, ist nun wenigstens mit May Our Chambers Be Full das lang erwartete Album erschienen. Nun heißt es, dieses zu genießen und darauf zu warten, dass die Zeiten sich bessern und bald auch endlich wieder Tourneen und Konzerte stattfinden können, um das Album auch live zu erleben.
EMMA RUTH RUNDLE & THOU
May Our Chambers Be Full
(Sacred Bones Records)
VÖ: 30.10.2020