f6 Music Award am 06.02.2010 im Postbahnhof


Warnung: Dieses Event kann Enttäuschung verursachen!



Es ist schon traurig mit ansehen zu müssen, wie in diesen Zeiten gewisse Firmen die Notlage der Musikindustrie ausnutzen, um daraus eigenen Profit zu schlagen. Sie veranstalten Musikevents, auf denen sie vorgeben, es würde ihnen etwas an der Förderung unbekannter Bands liegen, doch eigentlich nur das Ziel verfolgen, sich einer jungen Zielgruppe anzubiedern.

Aktuellstes Beispiel dafür war der „f6 Music Award“ am 06.02. im Berliner Postbahnhof. Dort trafen sieben Bands aufeinander, die in ihrem jeweiligen Bundesland einen Vorentscheid gewonnen hatten und nun im Finale um den Sieg spielten. Und da sich bekanntermaßen – besonders in dieser Stadt – keine Konzerthalle füllen lässt, wenn eine Handvoll unbekannter Bands auftritt, hatte man neben dem Special Guest Polarkreis 18 nicht nur den Eintrittspreis auf 5 Euro runtergedrückt, sondern auch noch eine Menge Gästelistenplätze und Konzertpässe verschenkt, die dem Gast das Gefühl suggerierten, an etwas Besonderem teilnehmen zu dürfen. Dass dem nicht so war, bekam man schon am Einlass zu spüren. Dort gab es eine Ausschilderung, die einmal zur Gästeliste und einmal zur Kasse verwies. Eine meterlange Menschenschlange stand sich im „Kassen“-Bereich die Beine in den Bauch, doch wenn man dachte, ihnen mit einem Gästelistenplatz weit voraus zu sein, hatte man sich schwer geirrt. Denn nachdem man den menschenleeren Pfad entlang lief und zu den Securities gelangte, wurde man von ihnen auf eine äußerst arrogante Art und Weise darauf hingewiesen, sich doch wieder in der Kassenschlange einzureihen, da dieser Durchgang anscheinend nur für die „wichtigen“ Gäste zu passieren war. Das erklärte auch den roten Teppich (sic!), der dort ausgelegt war, während im Bereich der „normalen“ Gäste nur brennende Tonnen am Wegesrand standen, die jedoch statt richtige Wärme zu spenden, eher das Gefühl vermittelten, hier das Allerletzte zu sein.

Nachdem man fast eine Stunde in der Kälte wartete und sich fragte, was da eingentlich solange braucht, betrat man dann endlich den Postbahnhof, doch stand dann schon wieder vor dem nächsten Chaos. In einem wirren Durcheinander tummelten sich die Menschenmassen vor zwei Ständen, die mal wieder nicht ersichtlich machten, wo man sich anzustellen hatte. Also versuchte man es auf gut Glück und gab seinen Namen bei einer Dame an, die darauf wild durch einen Stapel Zettel wühlte und ein bisschen überfordert ihre Kollegin fragte, was sie tun soll, wenn sie die Namen nicht auf der Liste findet. Und die überraschende Antwort darauf war: „Einfach Bändchen geben und durchlassen.“ Welcher Sinn dann hinter all dieser Wichtigtuerei steckte, durfte ein Rätsel bleiben.

Die Konzerthalle war überfüllt mit Menschen, und man fragte sich dann doch irgendwann, wer die ganzen Vollproleten eingeladen hatte, die sich besoffen mit „Schalalala-Chören“ in Stimmung brachten. Man wusste nicht genau, ob die sich verlaufen hatten oder ob man selbst. Die Bands hätten schon seit 21 Uhr spielen sollen, doch erst um 22 Uhr bewegte sich etwas auf der Bühne. Statt Musik kam jedoch eine Person auf die Bühne, die wild mit den Armen umher fuchtelte und damit anscheinend versuchte, Stimmung unter dem Publikum zu erzeugen. Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um Yessica Yeti handelte. Dem ein oder anderen vielleicht durch seine Arbeit als DJ oder durch seine lahme Kolumne in der unclesally*s bekannt. Und nun stand dieser dort auf der Bühne und bewies, dass weder Moderation, noch Humor zu seinen Stärken gehörten. Man wünschte sich die ganze Zeit, dass er endlich aufhören würde zu reden und fragte sich stellenweise, ob er bei Mario Barth Unterricht in Bühnenpräsenz und Pointen genommen hatte. Er schwadronierte darüber, dass sich heutzutage ja keine Band mehr „Rolling Stones“ nennen würde, weil das ja – aufpassen! – „rollende Steine“ bedeuten würde. Was für eine Feststellung. Die Schenkelklopfer blieben aus, auch wenn er händeringend versuchte, dem Publikum ein Lachen zu entlocken.

Wer versuchte seine Stimmung mit Alkohol über Wasser zu halten, wurde von den Preisen ernüchtert. Ein Longdrink kostete mit Pfand ganze 7,50 Euro. Die Leute, die sich sowas den ganzen Abend leisten könnten, saßen auf einer abgesicherten Tribüne und betranken sich umsonst. Nachdem dann endlich die erste Band spielte, wurde einem bewusst, dass jede Band 20-30 Minuten performen würde und man noch sechs vor sich hatte. Wenn man dann noch die Umbaupausen dazu rechnete, die das Entertainer-Talent Yessica Yeti (wenn man den Typen sieht, weiß man, aus welchem Hirn solch ein Künstlername entspringt) zu überbrücken versuchte, kam man zu dem Ergebnis, dass dieses ganze Spektakel noch bis weit nach Mitternacht laufen würde und Polarkreis 18 dann wahrscheinlich gegen 3 Uhr vor eine Horde besoffener Assiprolls spielen müssten, die den Sänger vermutlich wieder als „Schwuchtel“ beschimpfen würden.

Wer will sich das schon antun? Eben. Den einzigen Lichtblick lieferten BERGE aus Berlin. Ihr treibender, energetischer Powerpop verhalf dem Abend zu einem Höhepunkt. Wunderbar performte, starke Songs waren das. Doch als sie dann die Bühne verließen, war es einfach Zeit zu gehen. Und beim letzten Blick durch den Raum sah man in einer Ecke neben der Bar, wie sich ein paar Hipsters vor einem Aufsteller aus rotem Leder, mit Instrumenten in der Hand, in coolen Rockstar-Posen fotografieren ließen. Und genau dieses Bild spiegelte den ganzen Abend perfekt wider. Denn hier ging es einzig und allein um die Selbstdarstellung einer Marke, die Musik nur als Werkzeug für ihre Werbekampagne missbrauchte. Genauso wenig interessierte sie sich für den Komfort der Gäste. Hauptsache, es sind viele da, egal ob sie alle reinpassen oder nicht. Hier war das Portmonnaie größer als die Möglichkeiten, und es ging einzig und allein darum, Geschäfte zu machen. Das Ganze unter dem Deckmantel eines „Music Awards“. Das ist nicht bloß peinlich, sondern vor allem alarmierend. Man sollte solche Veranstaltungen von Anfang an meiden und lieber dort hingehen, wo Musik nicht nur eine Ware, sondern als etwas Wertvolles behandelt wird. Und davon gibt es genügend Events.

Autor: [EMAIL=eric.ahrens@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Eric Ahrens[/EMAIL]

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