FEELING B, so stellt ein Buch zur DDR-Vorreiterband namens Mix mir einen Drink fest, hätten die sozialistische Diktatur zwar nicht politisch „erschüttert“, aber zumindestens „den Soundtrack zu ihrem Untergang“ gespielt. In den Folgejahren reflektierten sie über den Staat, der nun mit all seiner Macht verschwunden war und dem sie stets ihr Konzept von Lebenslust entgegen gestellt hatten. grün & blau ist ein Rückblick auf jenes Lebensgefühl.
FEELING B, 1983 in Berlin gegründet, gehörte zu den gern „die Anderen“ genannten Bands des SED-Staats, fern seiner Schlagerwelten. Sie hatte es geschafft, das erste legale Punk-Album der DDR (Hea Hoa Hoa Hoa Hea Hoa Hea) zu veröffentlichen und zu verkaufen. Das war möglich, weil ihre Staatskritik so sanft und gut in scheinbaren Spaßtexten versteckt war, dass es 1989 keinen Grund mehr gab, sie zu zensieren.
In den Nach-Wendejahren tourte man fröhlich durch die BRD, wo man bis 1993 drei Alben auf den Markt brachte. Im selben Jahr gingen Gitarrist PAUL LANDERS, Keyboarder FLAKE LORENZ und Drummer CHRISTOPH SCHEIDER zu einer gewissen jungen Nachwuchsband namens RAMMSTEIN, die sich 1994 gründete. Die Reste von FEELING B trennten sich schließlich 1999. Ihr B-Bassist CHRISTOPH ZIMMERMANN verstarb im selben Jahr.
FLAKE LORENZ sichtete im letzten Jahr alte Releases sowie bisher unbekannte Lieder und mischte sie in Zusammenarbeit mit Produzent Mark Bihler neu. Bo Kondren, der schon vor der Wende mit den Ostpunkern befreundet war, masterte die entstandene Songkollektion. Er gehörte mit den Dark-Wavern ORNAMENT & VERBRECHEN genau wie FEELING B zu Ostzeiten zum so genannten Magnetbanduntergrund der 80er. Die Künstler von damals hatten sich innerlich schon längst von der DDR verabschiedet und gingen in Punk, Avant Garde, Elektro, New Wave und Poetry bereits neue Wege. Die Songs auf grün & blau stammen von jenen Underground-Tapes, die unter Jugendlichen und Musikern kursierten und das Album ist eher als CD zum Sachbuch grün & blau, denn als normales Best-Of zu verstehen.
Den Einstieg bietet ein musikalischer Countup von 1 bis etwa 122. Zu spröden E-Gitarren kann faktisch jeder einen Song mitgrölen, der treffend nach ‚Graf Zahl‘ benannt worden ist.
Es folgt ein mit Keyboard unterstütztes annehmbares Rockstück. Ein äußerst melodiearmer Gesang verkündet, dass die größten Würfe der Menschheitsgeschichte aus reiner ‚Langweile‘ erzielt wurden. Er gehört Sänger ALJOSCHA ROMPE (+2000), dem eigentlichen Charakter-Idol der Band.
Mit ‚Schlendrian‘ hat es ein echter FEELING B-Hit auf das Album geschafft. LORENZ kann neben diesem mehrere Gesangsauftritte auf dem Album verzeichnen. Er ähnelt, während er seine Fuck-Off-Haltung zum Besten gibt, stimmlich fast dem jungen BELA B. der 80er, wie man ihn auf der DIE ÄRZTE-Ursprungsschau Die Ärzte früher! – Der Ausverkauf geht weiter! vernehmen kann. Der plötzlich auftauchende Dudelsack macht in seiner Kombination mit klaren, monotonen Riffs deutlich, weshalb man die Mittelalter-Rock-Bewegung à la SUBWAY TO SALLY genau so stark beeinflusste, wie den Industrial Metal von RAMMSTEIN. Von letzteren könnte auch der elektronikverstärkte Sound der Strophen von ‚Herzschrittmacher‘ stammen.
Als Gesamtprodukt hat man auch ohne Begleitliteratur eine äußerst vergnügliche Zeitreise in die Geschichte des deutschen Rock vor sich, die sowohl Altfans wie Jungrocker interessieren dürfte. Punks erst recht.
FEELING B
grün & blau
(Motor Music/Universal)
VÖ: 16.11.2007