HILDEGARD KNEF


Von der Schülerzeitung in Hildes Herz.



(c) rico puhlmann

Die Geschichte von Markus Neumann ist außergewöhnlich: Im zarten Alter von 15 Jahren interviewt der Schülerzeitungsredakteur 1992 Hildegard Knef, eine der bedeutendsten deutschen Künstlerinnen der Nachkriegszeit. Die 66-Jährige schließt den Jungen sofort in ihr Herz, wo sie ihn fortan behält. Bis zu ihrem Tod im Jahre 2002 verbinden Hildegard Knef und Markus Neumann zehn Jahre tiefer Freundschaft.

Sechs Jahre nach ihrem Kennenlernen zieht Markus Neumann unverhoffterweise aus seinem hessischen Heimatort zu Hildegard Knef nach Berlin. In den darauffolgenden zwei Jahren des gemeinsamen Zusammenlebens kümmert er sich um Hildegard Knefs Archiv, erledigt mit ihr die Autogrammpost, begleitet sie zu Terminen, betreut sie bei den Aufnahmen für ihr letztes Album 17 Millimeter mit Till Brönner oder erklärt ihr schlichtweg die Arbeit am Computer.

Hildegard Knef, die charismatische Berlinerin, welche eigentlich in Ulm geboren wurde und Malerin werden wollte, avancierte als „Hildegard Neff“ in Hollywood zum Weltstar, zur „Marlene Dietrich für den denkenden Mann“, wie sie ein amerikanischer Kritiker einst bezeichnete. Unvergessen bleibt ihr Nacktauftritt in dem Skandal-Film „Die Sünderin“ von 1951, in dem sie der Menschheit zeigte, „wie schön ein nackter Frauenkörper sein kann“ (Shirley MacLaine).

Unvergleichlich klingt das musikalische Schaffen der „besten Sängerin ohne Stimme“ nach (Ella Fitzgerald); Unbestritten ist das schwierige Verhältnis zur deutschen Heimat, die „Hildchen“ reichlich spät schätzen lernte, dafür aber umso mehr liebte. 2002 erschien in der Reihe „Frauen der deutschen Geschichte“ eine Briefmarke in Gedenken der Grande Dame, 2007 widmete ihr die Stadt Berlin posthum den Hildegard-Knef-Platz am Südkreuz. Die Erinnerung an „die Knef“, deren Todestag sich am 01. Februar zum zehnten Mal jährte, lebt, unter anderem dank Markus Neumann, weiter.

Der heute 35-Jährige gelangte auf Umwegen über Schauspielakademie, Künstleragentur sowie fünf Jahren am Theater und diversen Jobs an die Freie Universität Berlin, wo er Filmwissenschaft und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft studiert sowie als studentische Hilfskraft arbeitet. Markus Neumann war so freundlich, fünf ausgewählte Lieder aus Hildegard Knefs facettenreichem musikalischen Repertoire zu kommentieren und zu erläutern:

„Wieviel Menschen waren glücklich, dass du gelebt?“: Es gab einen Indianerstamm im Norden Nebraskas. Ihre „Religion“ basierte auf dem Glauben, dass man nach dem Tod einem Wesen begegnen würde, welches einem die Frage stellt „Wieviele Menschen waren glücklich, dass du gelebt hast?“. Für Hilde war diese Frage „von genialer Einfachheit, denn damit ist alles gesagt.“ So findet sich in der Textzeile „Und du gleitest durch Spiralen der Erinnerung, durch Verzweiflung und durch Freude, und die Trauer macht dich stumm, weil du’s nicht weißt“ eine kritische Anspielung auf den Egoismus der heutigen Zeit. Mit jeweils verändertem Text und neuem musikalischen Gewand wurde der Titel noch zweimal veröffentlicht: 1986 auf Single als „Weißt du nicht mehr“ und 1999 auf ihrer letzten CD 17 Millimeter als „Wer war froh, dass es dich gab?“.

„Friedenskampf und Schadenfreude“: Die inhärente Widersprüchlichkeit dieser beiden Wörter und ihre Absurdität spiegeln sich im Text wider und finden in der barock-monumentalen Orchestrierung eine kongeniale Entsprechung.

„Im achtzigsten Stockwerk“ stammt, ebenso wie die beiden oben genannten Titel, aus dem sogenannten roten „KNEF“-Album aus dem Jahre 1970. Von der Künstlerin zeitlebens selbst und inzwischen auch gemeinhin als die beste Knef-Platte bezeichnet, hat das Album mittlerweile Kultstatus nicht nur bei Fans erlangt. Alle Texte daraus stammen von Hilde. „Neben nur wenigen klassischen Chansons entstanden die meisten der zwölf Titel unter dem Einfluss seinerzeit aktueller Popmusik, wie Jazz, Beat und Folk“ (Wikipedia). Zusammen mit der psychedelischen Musik und in einer Lesart des Textes von „Im achtzigsten Stockwerk“ als LSD-Trip nannte Götz Alsmann das Lied treffend einen „Versuch von Hildegard Knef, Hippie-Drogenlyrik nachzuempfinden“.

Bei allen Liedern der Platte, die 2005 als CD wiederveröffentlicht wurde, war der Komponist Hans Hammerschmid, mit dem Hilde viele Jahre zusammengearbeitet hat, und der auch schon die Musik zu „Für mich soll’s roten Rosen regnen“ schrieb. Produzent war Hildes zweiter Ehemann, der englische Schauspieler David Cameron. Das Lied wurde in den letzten Jahren von Lee Buddah und der Berliner Band Nylon gecovert, und die Fantastischen Vier haben Hildes Stimme aus dem Original-Song in ihrem Lied „Die Stadt, die es nicht gibt“ verwendet.

„Für mich soll’s rote Rosen regnen“: Hilde schrieb diesen Text im Taumel ihres – späten – Mutterglücks (sie war damals schon 42), etwa ein halbes Jahr nach der für beide lebensbedrohlichen Geburt ihrer Tochter Christina. Das an und für sich aggressiv fordernde und unbescheidene Lied wurde auf ihre Idee hin von dem österreichischen Komponisten Hans Hammerschmid musikalisch in einen versöhnlichen Walzer gekleidet und so „entschärft“. Es wurde ein Evergreen und das Lied der Knef. Allerdings hatte es auch eine „Schattenseite“: Sie bekam fortan immer wieder rote Rosen geschenkt, obwohl sie abgeschnittene und deshalb, wie sie sagte, „tote Blumen“ gar nicht mochte. Viel lieber hatte sie Sonnenblumen. „Es regnete in meinem Leben tatsächlich viele Rosen“, sagte sie einmal, „aber dass sie auch Stacheln haben, daran habe ich beim Schreiben nicht gedacht.“

„Ich bin zu müde, um schlafen zu geh’n“. Es ist ein melancholisches, sprachlich aber auch leicht humoristisches Lied.

Herzlichen Dank, Herr Neumann!

Autor: [EMAIL=veronique.homann@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Veronique Homann[/EMAIL]

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