Oasis-Fotograf Michael Spencer Jones

oasisdefinitely

Ende vergangener Woche wurde die von Popmonitor präsentierte Ausstellung Supersonic eröffnet: Noch bis zum 9. Mai sind in der Kreuzberger Bar Posh Teckel Oasis-Fotografen des langjährigen Bandfotografen Michael Spencer Jones zu sehen. Im Interview spricht der Brite über sein Lieblingscover, den organischen Prozess des Fotografierens – und den Zauberer von Oz

Ihre Oasis-Cover sind legendär. Haben Sie einen Favoriten?

Ich denke Definitely Maybe. Das ist auch mein Lieblingsalbum von Oasis.

Kannten Sie die Songs bereits, als Sie die Arbeit am Cover begannen?

Yeah, ich hatte sie auf Kassette bekommen. Der Sound hat mich umgehauen! Ich habe das Album in Endlosschleife gehört, sechs Monate bevor es rauskam. Ich habe es in der Wohnung, in der ich lebte, gespielt, die Fenster geöffnet, die Lautsprecher zur Straße gestellt… ich wollte der ganzen Welt zeigen: Ihr müsst das hören!

Wenn Sie Musik hören, entsteht da in Gedanken schon eine Vorstellung vom Cover?

Manchmal. Aber grundsätzlich musst Du die Band darstellen. Wenn Du sie falsch präsentierst, macht Du Deinen Job nicht richtig. Und das ist alles, worum es geht.

Wie entsteht ein Cover?

Es ist ein organischer Prozess – und so arbeite ich auch gern. Wenn jemand ankommt und sagt: Wir möchten dieses Foto, aus dieser Perspektive und mit dieser Beleuchtung, dann kann das wirklich jeder machen. Ich sage dann: Holt Euch dafür jemand anderen! „Organischer Prozess“ aber bedeutet: Du hast eine Idee und spinnst diese weiter, denkst darüber nach, ob es so funktionieren kann. Genau so ist auch Definitely Maybe entstanden.

Manchmal erlebt man beim Fotografieren diesen speziellen Moment. Man drückt den Auslöser und weiß gleich: Das ist das Foto. Ein ganz intensives Gefühl, irgendwo im Bauch, wie verliebt sein. Kennen Sie dieses Gefühl?

Absolut, yeah. Absolut! Genau so war es bei Definitely Maybe. Ich habe in die Kamera geschaut… Es war ein wirklich aufwendiges Shooting, es gab so viele Elemente. Aber: Nur du weißt, wenn der richtige Moment gekommen ist. Es ist wie das Gefühl, wenn der Zug endlich in den Bahnhof einfährt. Es ist grandios.

Ein wunderbarer Moment!

Ja, ich habe das Cover von Definitely Maybe gesehen, bevor es irgend jemand anderes tat. Fuck, dachte ich, das ist großartig! Und dann wirst Du panisch, weil Du das Foto jetzt hinkriegen musst. Weil der Moment genauso schnell wieder vorbei sein kann, wie er plötzlich gekommen ist.

Man hat nur diese eine Sekunde …

Du musst es wirklich jetzt schießen. Definitely Maybe hatte eine lange Belichtungszeit, zwei Sekunden. Und es fühlte sich an wie: Wir haben es. Wir haben es! Nicht bewegen. Nicht bewegen! Es ist, als würdest Du ein Ziel anvisieren – und dann voll ins Schwarze treffen.

Ihre Cover-Fotografien verkörperten die Identität von Oasis. Haben Sie das zuletzt auch bei noch aktiven Künstlern erlebt?

(Denkt nach.) Schwierig. Album-Cover sind heute anders, irgendwie simpler. Als ich auf dem College war, habe ich eine Menge experimentiert, bin Risiken eingegangen für bestimmte Aufnahmen. Das hat sich eines Tages ausgezahlt. Heute nimmt doch keiner mehr visuelle Risiken auf sich! Heute zeigen so viele Cover Fotos der Musiker, aber es sind keine bedeutenden Fotos. Definitely Maybe sieht so schlicht aber, doch wenn man die Aufnahme in ihre Einzelteile zerlegt, ist es tatsächlich alles andere als ein simples Album-Cover.

Heutige Cover-Fotografien erscheinen Ihnen als sichere Nummern?

Genau – bloß nicht hinfallen! Aber dann ist auch nichts jemals herausragend. Manchmal, wenn Du es besonders gut machen willst und aufgeregt bist, fällst Du nun mal hin, brichst Dir das Bein. Aber Du stehst wieder auf! Und irgendwann kommst Du an den Punkt, an dem Du das Risiko kontrollieren kannst und die Bands anfangen, Dir zu vertrauen.

War es so mit Oasis?

Definitely Maybe ist ein gutes Beispiel. Oasis hatten feste Vorstellungen, wollten das Foto in einem bestimmten Raum schießen. Manchmal ist es einfach so, dass Du mit gegebenen Rahmenbedinungen zurecht kommen musst. Am College gab es immer Studenten, die sich auf solche Bedingungen nicht einlassen konnten. Ihnen waren die Vorgaben zu strikt, ihr künstlerisches Denken zu eingeschränkt. Manchmal ist der Raum eben zu klein, aber Du musst damit klar kommen, Du musst improvisieren. Und dann ensteht Kreativität in ihrer reinsten Form.

Es sind doch gerade diese Herausforderungen, die Kreativität spannend machen.

Absolut. Es ist wie bei Dorothy aus dem Zauberer von Oz: Du kannst bis ans Ende der Welt gehen, jedes einzelne Land bereisen, versuchen, Dein Glück zu finden. Aber wenn Du nicht mal in deinem eigenen Hinterhof findest, wonach Du suchst, wird es dir nie gelingen. Am Ende des Tages wirst Du das Glück und die Kreativität nur in Dir selbst entdecken.

Vielleicht sollte man versuchen, das Glück im alltäglichen Leben zu finden?

Unbedingt. Du wirst es nicht irgendwo da draußen finden. Weil es nicht dort ist. Es ist hier drinnen (berührt mit der Hand seine Brust). Auch mit der Fotografie ist es so: Du musst gar nicht weit reisen. Hör auf, nach Dingen zu suchen, die tausende von Meilen entfernt sind. Das Glück steht vor deiner Tür. Es ist so befreidend, wenn man das verstanden hat.

www.michaelspencerjones.com

FacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmailFacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmail