Mit seinem bluesigen Retro-Sound, seinen kantigen Gitarrenriffs und seiner heiseren Rock ’n’ Roll-Stimme galt er 2013 als der deutsche Newcomer: Jesper Munk, 22 Jahre, halb Däne, halb Deutscher, Sänger, Songwriter und Gitarrist. Inzwischen ist der charismatische Münchener beim Marktriesen Warner unter Vertrag und stellt mit seinem Zweitling Claim unter Beweis, dass er zu Recht dauerhaft auf der Überholspur ist. Ob rastlos-groovig oder melancholisch, lärmend oder samtweich – zwischen Rock, Post-Punk, Glam, Folk, Soul und Blues klingt hier entgegen vieler Vorstellungen nichts nach Biz-Küken. Mit Popmonitor sprach Jesper über seine Freude am Spiel mit falschen Erwartungen und musikalischer Selbstentdeckung.
Seit Kurzem ist „Claim“ erhältlich – für mich eine Platte voller emotionaler Höhen und Tiefen. Wie viel deines persönlichen Seelenlebens schlägt sich darin nieder, wie viel ist Fiktion?
JESPER: Die Songs spiegeln mich und mein Innenleben ganz und gar wider. Das Album bezieht sich auf die letzten eineinhalb Jahre und ihre Entwicklung. Ich habe angefangen, von der Musik zu leben und ganz viel ist an mir vorbeigerauscht. Manche Sachen waren greifbar, andere weniger; manchmal war ich sehr reflektiert, manchmal überhaupt nicht. Das alles schlägt sich auf dem Album nieder. Nur bei „Reeperbahn“ habe ich mir die Geschichte ausgedacht.
Songwriting à la Jesper – wie läuft das ab? Wenn ich deine Stimme höre, dann sehe ich Folgendes vor mir: Schwarz-weiß-Szene, unzählige Zigaretten-Stangen und Qualm in der Luft, ein, zwei, drei Gläschen Whiskey…
JESPER: Ich schreibe immer Zuhause und Unterwegs. Zuhause übrigens nur auf Schreibmaschine. Ich hocke dann nur in einem stillen Raum, habe meine Gitarre oder inzwischen auch mal ein Klavier vor mir, höre eventuell noch Musik. Dann habe ich noch mein kleines Büchlein, in das irgendwelche Referenzen, Assoziationen oder Begrifflichkeiten – manchmal einzelne Worte, manchmal ganze Zeilen – aufgeschrieben werden. Ab und an dient da auch mal das iPhone.
Come on, das ist alles? Nun enttäusch‘ mich nicht!
JESPER: (lacht) Ich versuche dir halt keine Scheiße zu erzählen!
Passiert das öfter: Dass Leute ausgehend vom Sound ein ganz falsches Bild von deiner Person haben? Dass sie die Platte hören und beim Konzert dann sichtbar verwundert sind, wer der junge Hüpfer auf der Bühne ist?
JESPER: Es gibt schon Konzerte, auf denen die Leute vorher noch nicht viel von mir gehört haben und eine komplett andere Erwartungshaltung haben. Es macht Spaß damit zu spielen und dann gleich mal mit einem völligen Kracher anzufangen und schön in das Mikro zu schreien. Das sorgt häufig für große Augen und offene Ohren. Ich denke, es ist natürlich, dass man gekoppelt mit einem bestimmten Aussehen bestimmte Erwartungen hat.
Mit diesem „bestimmten Aussehen“ hast Du es in die Bravo geschafft und jeder zweite Text über dich fängt mit „herausragende Optik“ oder „Posterboy-Look“ an. Ist man als Vollblutmusiker auch irgendwann mal genervt davon? Bekommt man das Gefühl, dass Songs nur die zweite Geige spielen?
JESPER: Ich würde mal sagen, dass 80% bis 90%, wenn nicht sogar 95% aller Menschen ein bisschen genervt davon sind, wenn sie auf ihren simpelsten Reiz reduziert werden – in dem Fall das Aussehen. Wenn es lieb gemeint ist, kann ich es nicht böse nehmen oder irgendwas. Ich merke ja auch, dass das einfach ein großer Teil davon ist, warum ich überhaupt vor vielen Menschen spielen kann. Es ist ein nützliches Werkzeug und da kann sich jeder zu ausdrücken wie er das empfindet. Das passiert dann nur manchmal auf sehr infantilen Ebenen.
Eigentlich ist Blues nicht gerade die populärste Musikrichtung hierzulande. Das änderst Du gerade. Wie hast Du Blues für dich entdeckt?
JESPER: Ich bin auch nicht gerade mit Blues aufgewachsen. Ich habe angefangen, Bass zu spielen in einer Band und wir haben uns schnell auf Rock ’n‘ Roll und 60s-Musikrichtungen wie Soul und Psychedelic geeinigt. Wenn man diese Musikrichtungen auf ihre Wurzeln reduziert, dann landet man sehr schnell beim Blues. Es war eine sehr intensive Phase, weil wir fünf Jungs waren, die sich ein bisschen abkoppeln wollten und daraus eigene Interessen entwickelt haben. Musik hören und sich dazu vorbilden – das hat alles hat total zusammengeschweißt und hatte eine überdurchschnittliche Intensität. So ist daraus eine nicht mehr wegzudenkende Leidenschaft geworden.
Interessant klingt es vor allen Dingen, wenn du auf Tracks wie „White Picket Fence“ und „It Takes Two“ Blues und Post-Punk zusammenführst. Was hat dich an der Kombi gereizt?
JESPER: Diese Verbindung aus Blues und Post-Punk funktioniert meiner Meinung einfach super herrlich. Vor allem im Ausdruck funktioniert die Fusion ganz gut. Einige meiner Vorbilder dabei waren JOHN SPENCER BLUES EXPLOSION oder PUSSY GALORE oder HEAVY TRASH. John Spencer ist als einer meiner Produzenten immer das Mastermind dahinter gewesen. Ohnehin war es meine Idealvorstellung, mit ihm zu produzieren. Sein Sound-Design erlaubt es eben auch, dass diese Essenz aus der Fusion beider Musikrichtungen herauskommt. Das Witzige ist, dass gerade Post-Punk oftmals sehr distanziert, hart, fast schon emotionslos rüberkommt. In diesem Fall kann ich trotzdem… (lacht) über ein Gefühl rumheulen und Emotionalität rüberbringen. Deswegen mag ich das Ganze einfach sau gerne.
Wann hast Du das erste Mal festgestellt, dass deine Stimme im Einklang mit all dem richtig gut funktioniert und dir gedacht „Da mache ich jetzt was draus!“?
JESPER: Ich glaube, das war ein halbes Jahr nachdem ich das erste Mal im Proberaum war. Wir waren bei einer Freundin und haben „Valerie“ von Amy Winehouse gesungen. Laut gesungen. Ich wollte auch laut singen und habe mich irgendwie nicht getraut. Dann habe ich’s doch gemacht und habe Facetten in der Stimme entdeckt, die ich vorher so gar nicht gesehen habe – oder vielleicht habe ich mich nicht getraut, sie zu sehen. Ab da wollte ich dann auch was damit anfangen. Es ist immer wieder eine lustige Entdeckungsreise für mich, wenn man diese verschiedenen Facetten in der eigenen Stimme kennenlernt. Das hört ja nie auf. Man findet da immer wieder ganz viel.
Du hast dabei niemals eine Musikschule von innen gesehen?
JESPER: Nee, ich war auch einfach der allerschlechteste Musikschüler meines Jahrgangs. (lacht)
Und doch giltst Du als musikalischer Hoffnungsträger und Zukunft des Blues. Sogar von „Wunderknabe“ ist die Rede. Ein Segen oder Druck für dich?
JESPER: Das sind so Darstellungen, die ich selber gar nicht hervorrufe. Ich sehe das gar nicht so. Das ist lieb gemeint, aber ich würde mich gar nicht als Wunderknaben oder irgendwas bezeichnen. Ich denke, dass man dafür ein wenig mehr benötigt als ein bisschen Gitarre spielen und grölen. Wenn die Menschen das so sehen wollen, dann sollen sie es so sehen – solange sie mich nicht fertigmachen wenn sie merken, dass ich gar kein Wunderknabe bin. (lacht)
Und was erhoffst Du dir von der Zukunft? Wie soll es weitergehen?
JESPER: Ich wünsche mir, dass es weitergeht!