Milliarden | Im Vergleich zu anderen Bands sind wir schon sportlich

© Peter Kaaden/Vertigo Berlin
© Peter Kaaden/Vertigo Berlin

MILLIARDEN am 11.08.16 auf Kneipentour: Berlin, Bobu Bar, 20 Uhr – Eintritt frei

MILLIARDEN, das sind Ben Hartmann und Johannes Aue. Man könnte auch sagen: Ben aus Marzahn-Hellersdorf und Johannes aus der Nähe von Bielefeld. Ben mit Berliner Schnauze, Schnäuzer und abgeblättertem Nagellack, Johannes mit lupenreinem Hochdeutsch und feingliedrigen Klavierspielerhänden. Frontmann Ben die Rampensau, Pianist Johannes der Mann im Hintergrund. Was so unterschiedlich erscheinen mag, bildet genau die Dynamik, die MILLIARDEN für ihre Musik nutzen. Seit der ersten EP 2014 und dem viel beachteten Auftritt bei Inas Nacht hat sich einiges getan. Am 12.8. erscheint ihr erstes Album Betrüger, und es könnte so richtig einschlagen. Gesungen wird auf Deutsch, von Liebe und Hass, von Freiheit, von Geld, Wahnsinn und Katy Perry. Oftmals laut, manchmal leise, immer mit der vollen Wucht an Emotionen. Klingt spannend? Finden wir auch. Deshalb haben wir die beiden kurz vor dem Release ihres ersten Longplayers getroffen.

Die Legende sagt, Ihr habt Euch an einer Schauspielschule kennen gelernt, als Johannes auf dem Klavier etwas von Coldplay gespielt hat und Ben davon total geflasht war. Echt jetzt – du kommst doch eher aus der Punkrockecke, Ben?

Johannes Aue (JA):  Ja, das stimmt wirklich. Es war Clocks.

Ben Hartmann (BH): Mich hat jetzt weniger Coldplay angesprungen, sondern die Art und Weise, wie er es gemacht hat. Das Frühwerk von Coldplay ist ja tatsächlich gutes Zeug, da kann man nix gegen sagen. Er saß da. Und er hat mit einer hohen Falsettstimmte gesungen und hatte so eine Energie dabei, da hab ich ihn angesprochen, ob er nicht mal den und den Song spielen kann. Und als Jojo dann nach Berlin kommen wollte, meinte ich: penn doch bei mir, bei mir steht auch ein Klavier.

JA: Wenn man drüber nachdenkt, über solche Zufälle… mit dem, was ich in der Schauspielschule gelernt habe, verdiene ich jetzt zwar nicht mein Geld, aber es hat uns zusammengebracht. Wenn man jetzt mal von Fügung redet – ich bin sehr froh darüber, dass wir uns ab einem gewissen Punkt dafür entschieden haben, in eine andere Richtung zu gehne. Ohne Schauspielschule gäbe es jetzt Milliarden nicht.

Eigentlich wolltet ihr also gar nicht Musiker, sondern Schauspieler werden.

JA: Kann man eigentlich so nicht sagen. Bei mir entstand das in erster Linie daraus, dass ich unbedingt was mit Musik machen wollte und gescheitert bin. Ich wollte eine klassische Musikausbildung machen und bin voll auf die Fresse damit geflogen. Ich war nicht gut genug. Ich wurde einfach nirgends aufgenommen. Und dann gab es für mich nicht mehr so viele Möglichkeiten, es gibt zwar Popakademien, das hat mich aber nicht so angesprochen. Ich hatte Lust auf eine andere Herausforderung, bei der ich trotzdem Musik weitermachen kann. Und das waren die staatlichen Schauspielschulen. Das war aber kein Masterplan, ich bin da eher so reingerutscht. Ich wollte aber nicht unbedingt Schauspieler werden. Es war für mich einfach irgendwie eine Möglichkeit, frei zu bleiben und mich nicht festzulegen, wie wenn ich zum Beispiel BWL studiert hätte. Obwohl das bestimmt auch nicht so ist, es war aber in meinem Kopf damals so.

Ben, du berlinerst so schön. Kommt ihr beide von hier?

BH: Aufgewachsen bin ich im schönen Marzahn-Hellersdorf, dann war ich mal hier und da in Berlin, aber meist eher im Osten der Stadt.

JA: Ich bin fürs Studium hierher gekommen vor ungefähr fünf Jahren. Ich komme ursprünglich aus Bielefeld. Aus der Nähe von Bielefeld.

Euer Video zu „Im Bett verhungern“ geht gerade steil. Da rennt ihr ja quer durch Ostberlin.

BH: Das haben wir in Hohenschönhausen gedreht, in einem sehr bekannten Terrain für mich. Da kamen auch einige meiner Freunde her, genau aus der Gegend.

Ihr zeigt vollen Einsatz im Video, seid ihr beide so krass sportlich?

JA: Wir sind extrem dünn auf jeden Fall… aber sportlich? Ab und zu versucht man Fußball zu spielen, aber ohne Kondition ist es eher ungesund. Das haben wir beim Videodreh auch gemerkt… nachdem du zweimal 100 Meter gesprintet bist, bist du eigentlich fertig für den Tag.

BH: Aber naja, wir sind schon den ganzen Tag gerannt. Sagen wir’s mal so: Im Vergleich zu anderen Bands sind wir schon sportlich. Auf jeden Fall!

JA:  Ja, ok wir sind ne sportliche Band. Aber man sieht auch am Ende des Videos, wie wir uns gefühlt haben.

BH: Es war der heißeste Tag im Jahr, wir wurden kurz vor sieben abgeholt und dann ging es auch schon los mit Rennen. Wir sind wirklich bis 21:30 gerannt, und irgendwann gingen dann meine Waden auch zu. Ich hab dann nur noch haufenweise Kalzium und Magnesium zu mir genommen. Ich hatte auf jeden Fall den Muskelkater meines Lebens danach.

Es wirkt auf jeden Fall authentisch.

BH: Wenn jemand anderes gesagt hätte: „Ey ich hab die Idee zu ’nem Video, bei dem ihr durch Berlin rennt“,  war mein erster Gedanke: Ach ne, schon wieder… es gibt da ja schon so einige. Aber weil es eben Che (Chehad Abdallah, zusammen mit Mario Clement Regisseur des Videos, Anm. d.Red.) war, der es mir vorgeschlagen hat und der ein so cooler Typ ist, haben wir gesagt, du, wenn du das denkst, dann machen wir das.

Könnt ihr euch noch an euren ersten gemeinsamen Auftritt erinnern?

Das war 2013, auf dem Wildwuchs-Festival. Das ist auch wieder so ein Schauspieler-Ding, da arbeiten junge Regisseure und Schauspieler aus Berlin zusammen. Am Ende wird was vorgetragen. Wir wurden gefragt, ob wir Lust haben, da als Band aufzutreten. Wahrscheinlich, damit wir auch mal was zeigen können und man uns irgendwas fürs Studium anschreiben kann. Unsere ersten Rockauftritte waren im Privatclub in Kreuzberg und im Antje Öklesund, das es jetzt leider auch nicht mehr gibt. Und dann hat sich das so weiterentwickelt. Wir waren sogar mal auf so ner Art Abi- oder Unifeier, das war echt ne schräge Veranstaltung.

Wie sieht eure Rollenverteilung aus? Ben die Rampensau und Johannes der introvertierte Pianist?

JA: Das kann man im Groben schon so runterrechnen, aber am Ende ist es nicht so schlimm. Es liegt in der Natur der Sache, da Ben der Frontmann und Sänger ist und so auch den Anspruch hat, Kontakt mit dem Publikum zu haben. Beim Songschreiben ist das so, dass wir alle Instrumente gemeinsam schreiben. Die Texte kommen, bis vielleicht auf ein paar Worte bei „Blitzkrieg Ballkleid“, von Ben.

Hinter einem Klavier ist man ja auch nicht so sichtbar wie vorne am Mikro.

JA: Ich fand es anfangs auch schwierig, ein Piano in ner Rockformation… das funktioniert selten, wenn man sich andere Bands anschaut. Für mich wirkt es oft so ein bisschen gestellt. Du kannst dich ja auch weniger bewegen als mit nem anderen Instrument.

BH: Diesen Spagat bekommen nicht viele hin, und wir haben auch lange damit gekämpft, wie das eigentlich so ist mit so ’ner Taste auf der Bühne. Aber es fühlt sich gut an und ist auch ein wichtiger Bestandteil.

Wie konsumiert ihr Musik?

BH: Ich bin auf jeden Fall ein Verfechter des Vinyls. Deswegen machen wir unseren Kram auch immer noch zusätzlich auf Platte. Das ist für mich immer noch der wertvollste Tonträger, für den man sich auch die Zeit nimmt und nicht zuviel skippt. Und man findet darauf auch nochmal was anderes. Es wird viel Musik bei uns gehört zu jeder Zeit. Wir waren grade auf so nem Festival in Dangast und da hat Sophie Hunger gespielt. Ich kannte die vorher so ein bisschen und fand sie ganz cool. Aber dass sie so cool ist… das war so eine Erfahrung, so eine tolle Band, so eine tolle Frau. Deswegen bin ich auch davon überzeugt, dass man eine Band nur live beurteilen kann. Wenn man die live sieht, ist es wirklich Wahnsinn.

JA: Auf Festivals hören und entdecken wir immer neue Bands. Wir haben wirklich das Glück, immer von Musik umgeben zu sein. Auch unser Drummer zeigt uns immer neue Sachen.

BH: Wir hören auch interdisziplinär, oft Hip Hop, dann gerne wieder Stoner Rock… es gibt alles bei uns. Oder eben die neueste Platte von Beyoncé.

Worauf freut ihr euch in nächster Zeit am meisten?

JA:  Auf Donnerstag und Freitag. Wir hatten die Platte schon in der Hand hier beim Label, das war schon ein extremes Gefühl. Aber das dann nochmal mit Freunden und allen in Berlin, die Zeit haben vorbeizukommen, zu feiern und den Leuten zu zeigen, ‚das ist unser Ding‘, darauf freue ich mich.

BH: Wir haben ja schon unsere EP gemacht, aber das war im viel kleineren Kosmos. Dann kommt dann plötzlich der Tag, wo der Traum wahr wird und die Platte erscheint. Da rollt dann so eine Flut der Aufmerksamkeit an, und man spürt es brodeln. Momentan rauschen die Tage alle so durch. Es ist klar: Der Downer wird kommen, nach dem letzten Open Air. Wie bei Drogen merkt mann dann: jetzt kommt er, der Downer. Aber dann geht es einfach so weiter.

MILLIARDEN
Betrüger
(Universal)
VÖ: 12.08.2016

www.milliardenmusik.de

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