Interview mit den STEREOPHONICS


Mit dem neuen Album „Graffiti On The Train“ haben sich die STEREOPHONICS mal wieder selbst erfunden.



Seit zwanzig Jahren sind die STEREOPHONICS im Musikbusiness aktiv. Sieben Alben haben sie bereits veröffentlicht, von denen es fünf auf Platz 1 der UK-Charts schafften. Sie spielten unzählige Konzerte, unter anderem mit den Rolling Stones und David Bowie. Diese Band ist vielleicht eine der erfolgreichsten des Vereinigten Königsreichs, definitiv ist es eine der bekanntesten walisischen Größen.

2012 hörte man nur wenig von den vier Musikern, die die Ruhe nutzten, um an neuem Material zu arbeiten. Das Ergebnis ist Graffiti On The Train, ein Album, das zeigt, wie viel Zeit und Leidenschaft die Band in dessen Entstehung steckte. Graffiti On The Train, das ab 1. März in den Läden stehen soll, wird von einigen Promo-Shows in mehreren europäischen Städten (am 12.03. in Berlin / Kesselhaus) sowie einer ausgiebigen, für Herbst 2013 geplanten Tour begleitet.

Im Zuge der Veröffentlichung des neuen Albums erscheint dieser Tage zudem eine 3-Track Vorab-EP „Live From Rehearsals“, die es als ).

In Berlin befragte Esther Vomfelde Sänger Kelly Jones und Bassist Richard Jones zum neuen Album, den Gerüchten um einen dazu gehörigen Film, den musikalischen Vorlieben der Bandmitglieder und sicherte sich bei der Gelegenheit gleich noch ein paar Insidertipps für den nächsten Trip nach Wales.

Im exklusiven Berliner Soho-Haus erwarten mich die beiden gut gelaunten, entspannten Bandmitglieder Kelly und Richard. Völlig frei von aufgesetzter Coolness und Allüren wirken die beiden viel mehr wie die netten Jungs von nebenan und so gar nicht wie seit Jahren gefeierte Rockstars, die sich bereits mit den Rolling Stones die Bühne teilten.

Popmonitor: Wie gefällt euch Berlin bisher?

Kelly: Es ist toll, wir sind seit fünfzehn oder sechzehn Jahren regelmäßig hier. Dieses Mal haben wir noch nicht sehr viel gesehen, wir sind ja erst seit gestern da und haben seitdem hauptsächlich Interviews gegeben. Aber ja, es ist eine tolle Stadt. Wir hatten hier immer gute Shows und spielen sehr gerne hier.

Richard: Es ist jedes Mal anders, wenn wir herkommen. Selbst während der Fahrt vom Flughafen in die Stadt fällt dir auf, dass was im Gange ist. Es ist echt spannend und ich denke, es muss sehr aufregend sein, hier zu leben und die Veränderungen ständig direkt mitzubekommen.

Werdet ihr bei eurem Auftritt in Berlin am 12. März eine Support-Band dabei haben?

Kelly: Hm, bei den nächsten Shows in Europa weiß ich das gar nicht. Wir sind noch dabei, alles für die UK Tour zu planen. Ich bin mir auch nicht sicher, wie viele Shows es werden, aber ich denke, die richtige, ausgedehnte Tour steht dann ja im kommenden Herbst an. Da werden wir auf jeden Fall eine Vorband mitbringen.

Wie sieht es mit Festivals aus?

Richard: Naja, da stecken wir mitten in der Planung, wir können noch nicht sagen, bei welchen Festivals wir dabei sind, aber wir werden auf jeden Fall auf einigen europäischen Festivals spielen, außerdem in Großbritannien und den USA.

Kelly: Die Namen folgen bald. Vorhin habe ich einem anderen Interviewer ein paar genannt, da kam sofort mein Manager rein und meinte „Hey, das darfst du noch nicht verraten“. Aber ja, wir wissen es eigentlich schon.

Richard: Ja, ich denke, die Festivals bestätigen ihre Acts jetzt demnächst, es sollte sich also nur noch um ein paar Tage handeln.

Kelly: Wir werden auf deutschen Festivals spielen. (grinst)

Wen würdet ihr als die unterschätzteste Band aller Zeiten bezeichnen?

Richard: Unterschätzt? Hm, wir haben ein paar Freunde, die in einer Band namens The Crocketts spielen. Oder The Crimea, wie sie sich inzwischen nennen. Und ich meine, sie sind die unterschätzteste Band, die ich kenne. Einfach weil der Songschreiber und Sänger Davey, naja, seine Art zu schreiben, seineTexte, die sind ziemlich faszinierend. Natürlich sind sie auch gute Musiker, sehr gut sogar, aber irgendwie haben sie bisher den Durchbruch nicht geschafft.

Kelly: Für mich, hm. Ich hatte schon immer ein Faible für Credence Clearwater Revival. Einige mögen sie kennen, ziemlich viele haben noch nie von ihnen gehört, jedenfalls ist ihre Musik ziemlich phänomenal, also ja, für mich ist es Credence Clearwater Revival.

Erinnert ihr euch noch an die faszinierendste Show, die ihr je als Zuschauer genießen konntet?

Kelly: Die beste Show, bei der ich je war? Nun, eine der besten war während unserer ersten Japan-Tour, ich glaube 1998 war das. Da sah ich Beck auf der Nebenbühne beim Fuji Rockfestival. Wir spielten morgens um zehn und er so gegen vier Uhr nachmittags und ich hatte seinerzeit nie etwas Vergleichbares gesehen. Die ganze Band war unter Strom, eine tolle Dynamik. Das war damals sehr aufregend zu sehen.

Richard: Für mich waren es Depeche Mode. Ich hatte es nie geschafft, sie live zu sehen und vor vier oder fünf Jahren war es dann so weit. Die Show hat mich völlig umgehauen. Eine wirklich, wirklich großartige Band.

Okay, wenn ihr nur noch einen letzten Song hören könntet, bevor ihr taub werdet, welcher sollte es sein?

Kelly: Hm, Cigarettes and Coffee von Otis Redding. Als ich jünger war, sagte ich immer, dass das der letzte Song sein müsste, den ich je höre. Ja, ich liebe dieses Lied. Es fühlt sich tatsächlich so an, als würde er mit jemandem sprechen, mitten in der Nacht. Eine fantastische Aufnahme, ja, das wäre meins.

Richard: Ich denke, When the man comes around von Jonny Cash. Der Text ist großartig.

Nun zu eurem neuen Album. Den drei Songs nach zu urteilen, die bisher im Internet veröffentlicht wurden, ist es ganz anders als alles, was ihr zuvor gemacht habt. Was hat euch zu dieser Veränderung veranlasst, was hat den Ausschlag gegeben?

Kelly: Ich denke, man versucht, in jedem Album etwas Neues umzusetzen und ich glaube, dass jedes unserer Alben anders ist als die vorherigen. Aber speziell bei diesem war es so, dass wir ein ganzes Jahr nicht auf Tour waren – zum ersten Mal seit sechzehn Jahren. Wir haben uns außerdem ein kleines Studio gemietet, in das wir all unser Equipment laden konnten, und ich denke, die Möglichkeit, einen ganz normalen Arbeitsalltag zu haben, einfach jeden Tag zur Arbeit zu gehen und Musik zu machen, hat unsere Sicht erweitert. Wir hatten mehr Zeit.
Die meisten Alben werden innerhalb von knapp sechs Wochen gemacht, und ich denke, wir haben eine Menge über uns selbst und über unsere Musik herausgefunden, indem wir den Druck rausnehmen konnten und uns keine Gedanken über Fernsehen oder Radio oder solche Dinge machen mussten. Und ich denke, das resultierte in einem Album, das sehr imposant und vielseitig klingt. Es wurde ja auch inspiriert durch eine Geschichte, an der ich zeitgleich schrieb. Dass es viel mehr Schichten besitzt als unsere anderen Alben, liegt wahrscheinlich daran, dass wir uns entschieden hatten, dieses Mal viel mehr Zeit zu investieren.

Kelly, bist du der Einzige in der Band, der die Texte schreibt oder geschieht das manchmal auch gemeinsam?

Kelly: Die Texte? Nein, die Texte habe immer ich geschrieben. Ich weiß gar nicht, warum. Stewart schrieb unsere Lyrics, bis wir einen Plattenvertrag bekamen und er schrieb immer Lieder über „den schwarzen Mittwoch“ oder so. Ja, da hat sich einiges geändert seitdem.

Wie haben denn eure Fans bisher auf Graffiti On The Train reagiert?

Richard: Bisher läuft es richtig, richtig gut. Ja, die Musik, die online schon zur Verfügung gestellt wurde, hat ausschließlich positives Feedback geerntet, außerdem haben wir schon drei der neuen Songs live gespielt und auch das lief fantastisch. Es ist wirklich ermutigend zu sehen, dass den Leuten, die die alten Songs mochten, die neue Musik ebenso gefällt, also ja, es läuft super. Wir werden das neue Album auf einer großen UK-Tour vorstellen und außerdem in Europa damit unterwegs sein, das wird super.

Gibt es bereits Kritiken zum Album?

Kelly: Hm, ich glaube, es sind noch keine veröffentlicht worden. Ich schätze mal, die Kritiken werden Ende Februar veröffentlicht, da das Album am 4. März in UK auf den Markt kommt. Wir haben also noch keine, nein. Allerdings haben wir eine ganze Menge Interviews geführt und da waren die Reaktionen durchweg positiv. Es war sehr überraschend, wie die Leute auf die Veröffentlichung reagieren und natürlich sehr motivierend. Falls die Kritiken also die Tendenz der Interviews widerspiegeln, kann nichts mehr schief gehen.

Was denkt ihr über das Album?

Kelly: Ich bin sehr stolz darauf. Ich denke, wir haben uns selbst überrascht und ich glaube, wenn einem das nach zwanzig Jahren beim achten Album noch gelingt, dann ist das schon ein Erfolg an sich. Ja, ich bin sehr zufrieden.

Macht ihr euch dennoch Sorgen, dass etwas schief gehen könnte?

Kelly: Ich werde vor dem Release eines Albums immer ziemlich nervös und will es ständig weiterverändern, bis es dann endgültig in den Regalen steht. Ich hatte letzte Woche einen Promo-Termin und habe immer noch weiter am Gesang gefeilt, bis irgendwann alle meinten „Lass es doch jetzt endlich sein!“

Richard: Es ist, als würde man die Kinder zum ersten Schultag begleiten. Du weißt, sie müssen gehen aber du willst sie noch nicht loslassen.

Kelly: Es ist wirklich so in der Art. Wir werden es ja bald gehen lassen und dann sehen, was passiert.

Richard: Eigentlich bleibt dir nichts anderes übrig, als abzuwarten und ein wenig Vertrauen zu haben. Und das ist das einzig Besorgniserregende daran, dass es dann nicht mehr in deiner Hand liegt. Wenn die Kritiker es so gut finden wie die Fans, kann aber alles nur gut werden.

Handelt es sich bei dem Film, der ja direkt mit dem Album in Verbindung steht, noch um eine reine Idee oder ist er schon in Arbeit?

Kelly: Das Script habe ich die letzten fünfzehn Monate gemeinsam mit einer Dame von BAFTA in London überarbeitet, wir sind jetzt beim dritten Entwurf. Es hat also schon einige Stadien durchlaufen. Wir hatten letzte Woche bereits erste Finanzierungsgespräche mit Produktionsfirmen und planen, noch dieses Jahr ein weiteres Album zum Film zu veröffentlichen und das Drehbuch dann zu vollenden, so dass wir hoffentlich 2014 mit der Produktion beginnen können. Zunächst stehen also die zehn Lieder auf dem aktuellen Album für sich allein, in einigen Jahren soll es dann aber zwei Alben und den Film geben. Das wäre das Gesamtbild und wir hoffen und arbeiten hart dafür, dass alles klappt.

Und was erwartet den Zuschauer?

Kelly: Bei dem Film? Oh, naja, der Film ist eine Art Abenteuergeschichte über zwei Jungs, die ihre winzige Kleinstadt verlassen, um nach Lyon in Frankreich abzuhauen, wo sie als Erntehelfer Geld verdienen wollen. Alles passiert nach einer Beerdigung in der Stadt, das ist die eigentliche „Graffiti On The Train“ Geschichte. Ein junger Kerl stirbt, woraufhin die beiden beschließen, die Stadt zu verlassen. Es ist irgendwie ein Mittelding zwischen „Stand By Me“ und „Quadrophenia“, dem The Who Film, also sehr speziell und stellenweise recht düster, aber zunächst auch sehr unschuldig. Natürlich kommen sie nie in Lyon an, sondern bleiben in Paris hängen und dann geht alles schief. Irgendwie aber auch nicht. Lustigerweise habe ich ziemlich viele Ideen während dieser ganzen Interviews, das hilft ganz schön.

Wird es dann also eher ein Musical?

Kelly: Nein, weißt du, „Tommy“ und die anderen The Who Filme gingen in die Richtung, aber „Quadrophenia“ war diese Geschichte über einen Jungen, der zwischen den Mods und den Rockern stand und die Musik war eher der Hintergrund des Ganzen, bei uns wird das ähnlich. Die Leute werden dann nicht die Lieder im Film mitsingen oder so. Ich denke, es ist am ehesten eine Verbindung aus Musik und Film, sonst nichts. Die beiden inspirieren einander. Das habe ich aber alles noch nicht ganz durchschaut, auch inwiefern die Musik die Geschichte beeinflusst, aber ich habe zur gleichen Zeit an beiden viel gearbeitet. Ich denke also, dass es ein gemeinsames Gefühl geben wird.

Ihr kommt ja ursprünglich aus Wales. Was sollte jeder, der Wales besucht, auf jeden Fall anschauen?

Kelly: Cardiff hat sich sehr gemacht in den letzten Jahren, dort gibt es ja auch das Schloss. Wir haben da 1997 gespielt und es war sehr, sehr schön. Die Westküste ist auch toll.

Richard: Ja, wie im Großteil Europas gibt es auch hier viel Historisches zu sehen. Wenn dich das also interessiert, schau dir auf jeden Fall das Schloss an. Und die Museen.

Kelly: Schau dir Dylan Thomas‘ Haus in Swansea an, wenn dir Literatur und Poesie gefallen. Ich habe es noch nie gemacht, aber ich bin ziemlich sicher, dass man reingehen und es von innen anschauen kann.

Richard: Wales hat ein tolles Nachtleben, dir wird auf jeden Fall ein gutes Abendprogramm geboten in… ach, eigentlich überall.

Kelly: Ja, sie trinken alle gern. Trinken steht ziemlich weit oben auf der Liste. Schau dir das Millenium Stadium an, am besten bei einem Rugby-Match, falls du noch nie eines gesehen hast. Dann Black Rock Sands, den Strand, an dem die Manic Street Preachers ihr Albumcover aufgenommen haben, es ist überwältigend dort. Haha, ich glaube, Richard und ich könnten bei der walisischen Touristeninfo arbeiten.

Richard: Im Sommer findet in Wales das Literaturfestival statt, eine ziemlich große Sache!

Kelly: Man kann echt eine Menge Dinge tun und erleben in Wales.

Das klingt fantastisch. Die letzte Frage: Wenn ihr eine Band oder einen Künstler eurer Wahl als Supportband begleiten könntet, wer wäre das?

Richard: Nun ja, wir hatten das große Glück und durften schon so einige große Bands supporten, ich denke, es gibt gar nicht mehr so viele, die wir uns wünschen könnten.

Kelly: Ja, wir durften unter anderem David Bowie auf seiner Tour vor zehn Jahren begleiten. Außerdem die Stones und Red Hot Chilli Peppers. Ich wollte schon immer vor AC/DC spielen, da die immer meine Lieblingsband waren. Also am ehesten AC/DC. Oder vielleicht Pearl Jam. Man munkelt, dass wir im Sommer eventuell eine Show mit Bruce Springsteen in Holland haben werden, das wäre cool.

Richard: Tom Waits.

Kelly: Und Tom Petty!

Richard: Elvis, oh ja.

Kelly: Costello oder Presley?

Richard: Presley.

Kelly: Ja, das wäre was gewesen. Der ist aber schon tot, weiß du.

Richard: Ja, leider. Ja, du siehst, wir sind selbst große Musikfans. Andere Künstler auf der Bühne zu sehen, ist ein großer Teil unseres Lebens. Es ist ganz schön unterhaltsam, anderen Bands zuzuschauen, wenn sie quasi das Gleiche tun wie man selbst…

STEREOPHONICS am 12.03.2013 live in Berlin im Kesselhaus

www.stereophonics.com

Autor: [EMAIL=esther.vomfelde@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Esther Vomfelde[/EMAIL]

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