LOCAL NATIVES – Hummingbird


Heraus aus dem Windschatten.



Die britische Folk-Band „Mumford & Sons“ musste nicht erst den Grammy für das beste Album gewinnen, da hatte man schon lange bemerkt, dass der Markt für solide gebauten Indie-Rock mit tollen Harmonien stetig zu wachsen scheint. Im Angebot befindet sich nun auch das zweite Album der vier aus Los Angeles stammenden Musiker der LOCAL NATIVES.

Es handelt sich hierbei um eine Band, die auf ihrem 2009 erschienenen Debütalbum durch harmonisch-verspielte Indie-Miniaturen auffiel. Auf Hummingbird wird es nun ein wenig ernster. Da steht zum einen ein verunsichertes Ich groß im Zentrum, das nach Ausdruck ringt für seine Erfahrungen von Angst und Verlust: „Breathing out / Hoping to breathe in / I know nothing’s wrong but I’m not convinced“ (aus ‚Breakers‘). In knabenhaft heller Stimme durchmisst Sänger Tylor Rice durch die Songs des Albums emotionale Tiefenschichten.

Bemerkenswert an Hummingbird ist aber, dass die Musik ihre Kraft nicht nur aus diesen oft ergreifenden, emotionalen Befindlichkeiten zieht, sondern mithilfe der instrumentalen Verstärkung sukzessive Schattierungen herausgearbeitet werden. Local Natives zielen nicht auf Atmosphärisches, sondern auf klangarchitektonische Substanz, und sehen diese am liebsten in Harmonien gestaltet, die sich dem Pathos manchmal nur ganz knapp verweigern.

Local Natives – Heavy Feet (official video) from PIASGermany on Vimeo.

In den besten Songs des Albums entstehen dadurch überwältigende Melodiefindungen, deren Detailreichtum und Raffinement die Hörerin vor die glücklich überfordernde Aufgabe stellen, immer mehrere Sachen gleichzeitig wahrnehmen zu müssen. Die Gitarren umgarnen sich in einem Wechselspiel aus Zärtlichkeit und Hektik, das Klavier schlägt die nervösen Töne schon an, bevor der Gesang verstärkend miteinstimmt („Black Spot“). Zentral ist nicht zuletzt das überpräzis-dynamische Schlagzeugspiel, das wiederholt starke Erinnerungen an „The National“ wachruft (‚Heavy Feet‘) und dementsprechend den Songs Spannung verleiht.

Denn ja, natürlich kann man es hören. Dass Local Natives ihr zweites Album in Zusammenarbeit mit Aaron Dessner von „The National“ produzierten oder dass sie mit „Arcade Fire“ tourten, dass sie in jedem Fall Bezug zu diesen großen, US-amerikanischen Indierockbands und deren Fähigkeit zu brüchigen Hymnen nehmen.

Die Tatsache, dass Local Natives sich musikalisch aus dem Windschatten ihrer Vorbilder herausbewegen, realisiert sich vor allem in den immer wiederkehrenden, versöhnenden Refrains, die mal mit vielen „Ooh Ooh Ooh Oohs“ ausgemalt, mal im katharsischen Zueinanderfinden der Instrumente versiegelt werden. Gerade noch einmal vor der Depression gerettet, Sänger-Ich.

Und damit wäre man vermutlich schon beim Problem von Hummingbird: Raum für Offenes oder Sperriges gibt es wenig. Wenn in seltenen Momenten der instrumentale Klangvorhang zurückgezogen wird, entstehen daraus fast sakrale Vokalstücke, wie in ‚Three Months‘ mit seinem stolpernden Schlagzeugschlägen zu einem Sänger, der in schier endlosen Schleifen dem Gefühl zu einem verloren Gegenüber nachspürt: „I am ready to feel you, I am ready to feel you…“ Das mag die Hörgewohnheiten manch eines Rezipienten überstrapazieren und bleibt dabei eher Kitsch als Klagekunst.

Zweifelsohne ebnet sich die Band mit Hummingbird jedenfalls den Weg zu größeren Hörerschaften, so dass auch sie in ein paar Jahren vielleicht zu den Gewinnern der großen Bühnen gehören mögen. Solange sie dann immer noch Songs wie diese produzieren, gibt es nichts dagegen einzuwenden.

LOCAL NATIVES am 25.02.13 live in Berlin im Comet Club

LOCAL NATIVES
Hummingbird
(PIAS / Rough Trade)
VÖ: 15.02.2013

http://www.thelocalnatives.com
http://www.myspace.com/localnatives

Autor: [EMAIL=lisa.forster@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Lisa Forster[/EMAIL]

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