Interview mit DONOTS


„Wir haben einfach keinen Grund, aggro zu sein.“



popmonitor.berlin: Guten Morgen… super Konzert gestern, noch schön gefeiert danach?
Ingo: Klar! Wir haben ja gestern vor 16 Jahren unsere erste Show in Ibbenbühren in einer Scheune gespielt und damals war ne Band aus Berlin dabei… und aus Scheiß hab ich zu denen damals gesagt „irgendwann spielen wir auch mal in Berlin, haha“ – lustig also, dass wir genau hier unseren Bandgeburtstag feiern. Es gab mörderviel Schnaps zu trinken hinterher, aber das ist ja auch durchaus westfälisch, da feiert man ja ganz gerne und sucht sich einfach einen Grund. Es hat total viel Spaß gemacht, das Lido war ausverkauft… überhaupt waren die ersten vier, funf Shows alle im Vorfeld ausverkauft und zum Teil in größere Clubs verlegt worden. Das wir das alles so aus eigenem Antrieb hinbekommen mit unserem eigenen Label, das ist schon toll, vor allem im 16. Bandjahr.

Für so viel Schnaps seht Ihr aber ganz schön frisch aus.
Ingo: Es wurde ganz schön spät, umso früher wurde es heute… wir haben die ganze Nacht wach gelegen, weil in unserem Hostel so eine Horde Brüllaffen waren, ich glaube eine spanische Schulklasse, die da gerade den Alkohol und das Stepptanzen entdeckt haben.

Flamenco wird’s gewesen sein!
Ingo: Richtig! Jedenfalls haben wir uns eben in Rekordgeschwindigkeit zwei Kaffee reingekachelt und jetzt werden wir langsam wach.

Lasst uns von Eurem neuen Album The Long Way Home sprechen. Es gibt ja sehr unterschiedliche Reaktionen, von sehr positiv bis zu „nicht mutig genug“ und im Vergleich zum Vorgänger Coma Chameleon eher brav.
Ingo: Coma Chameleon muss man als Bruch in unserer Vita sehen. Es vergingen ja vier Jahre zwischen Got The Noise und Coma Chameleon, und damals wurde es schon als Bruch und etwas Mutigeres, Neueres wahrgenommen… aber lustigerweise wurde in vielen Reviews gemutmaßt, dass die neue Platte auch von Kurt Ebelhäuser produziert ist, weil sie genauso viel Neues beinhaltet, aber eben auf viel kleinerem Level.
Alex: Wir vermuten, dass das Album nach außen hin, wie hast Du gesagt, als „braver“ wahrgenommen wird, weil Coma Chameleon viel krachiger war, aber musikalisch finde ich die neue Platte viel mutiger. Nur dass da das Neue eher im Detail liegt. Es ist musikalisch für uns ein größerer Schritt. Ein Kumpel hat mich kurz vor der Fertigstellung gefragt, wie denn die neue Platte so sei… und kurz zusammengefasst habe ich ihm geantwortet: Wir hatten noch nie so viel Musik auf der Platte.

Chuck Ragan, der Leadsänger von Hot Water Music, ist zu Beginn auf dem neuen Album zu hören und spricht da auf Euren Anrufbeantworter. Wie kam es denn dazu?
Ingo: Wir sind mit so vielen Bands schon auf Tour gewesen… mit Hot Water Music waren wir in England und Irland unterwegs und hatten eine supergeile Zeit. Es gibt so eine Tradition bei uns, dass wir von den Leuten, mit denen wir auf Tour waren, einen kleinen Gastbeitrag auf unserem Album haben. Mit Three Colors Red haben wir das auf der letzten Platte gemacht, mit Walter Schreifels, mit Midtown und vielen anderen Bands. Bisher hatte es mit Hot Water Music nie geklappt, aber ich finde, Chuck hat so eine geile Reibeisenstimme, die dafür prädestiniert ist, von so einer langen Reise zu berichten, wie ein Großvater, der dich beiseite nimmt und dir was erzählen will. Zuerst hatte ich überlegt, etwas von ihm in einem Song zu verwenden, aber dann fand ich die Idee ganz schmeichelhaft, Chuck zu bitten, uns etwas auf unseren analogen Anrufbeantworter zu sprechen. Irgendwann hat er nachts, ich glaube der Anrufbeantworter hat „2.34 Uhr“ gesagt, ratzevoll aus Dortmund auf seiner Europatour angerufen und uns da was draufgesprochen. Und das war so charmant, dass das einfach der Album-Opener werden musste.

Ihr kennt ja Eure Attribute „nett und lustig“… und jetzt sitzt ihr hier vor mir, nach einer durchzechten Nacht und seid immer noch nett und lustig. Habt ihr nicht auch mal Bock, aggro zu sein und seid ihr vielleicht nicht einfach viel zu nett für Punkrock?
Ingo: Hahahaaaa…. ach weißte was, auch das finde ich eigentlich schmeichelhaft. Dieses „auf-Teufel-komm-raus-aggro-sein“ das merkt man den Leuten doch an, wenn die sich das einfach nur ans Revers heften. Ey, wir sind seit 16 Jahren auf nem Kindergeburtstag oder ner Klassenfahrt und wir haben einfach jeden Tag die Zeit unseres Lebens. Nach 16 Jahren die zweite Platte auf unserem eigenen Label zu veröffentlichen, ist einfach der Wahnsinn. Wir haben einfach keinen Grund, aggro zu sein.
Alex: Wir haben uns auch gestern über Walter Schreifels unterhalten, der früher eine totale Verweigerungshaltung an den Tag gelegt hat, der heute aber der ausgeglichenste, weltoffenste Typ überhaupt ist… und ich finde auch, wir haben viel mehr Grund, die Zeit zu genießen, als irgendwie muffelig rumzusitzen. Das war bei uns schon immer so. Wir haben auch mal nen schlechten Tag und suhlen uns dann darin, aber im Grunde ist es doch viel schöner so. Metalbands zum Beispiel, das muss so anstrengend für die sein, den ganzen Tag den harten und bösen Mann rauszuhängen lassen. Das wär irgendwie nix. Vielleicht zur nächsten Platte (großes Gelächter).
Ingo: Ich bin auch so erzogen worden, dass sich die Leute in meiner Umgebung nicht schlecht fühlen sollen. Ich mag das einfach, Leute mit offenen Armen zu empfangen – auch das: sehr westfälisch! Und es hat auch ne Menge mit grünen Flaschen zu tun…

Vielleicht ist es nur meine persönliche Wahrnehmung, aber noch nie hab ich so viel Plakate, Banner und Promo gesehen wie jetzt für Euer neues Album. Habt Ihr also jetzt den ganz großen Durchbruch ins Auge gefasst? Und vielleicht nicht ein bisschen Angst vor dem U2-Effekt, zu viel Mainstream und Stadionrock?
Ingo: Ganz ehrlich, ich lass das alles einfach passieren. Das sind Dinge, die kannst du nur in einem gewissen Maß beeinflussen. Das mit den Plakaten haben wir gemacht, weil wir einfach Bock drauf hatten. Wir wollten zeigen hey, eigenes Label, wir können das auch… dazu brauchen wir keine große Major-Anbindung. Angst vor Stadionrock und so weiter haben wir nicht. Wir können genauso vor zwei Leuten im Publikum spielen, aber auch, wie mit den Toten Hosen, vor 20.000 Leuten. Das macht beides total Bock und fühlt sich gar nicht so unterschiedlich an. Wir denken nie „wir sind die Geilen auf der Bühne“, es ist immer irgendwie freundlich und nah. Stadionrock ist auf jeden Fall im Paket mit drin, und wir spielen uns unsere Hintern wund auf der Bühne, ob das jetzt ein kleines Aufklappstadion ist oder eine große Bühne, wir fühlen uns überall wohl. Momentan kann einfach alles passieren, und ich bin einfach nur stolz darauf, das nach 16 Jahren sagen zu dürfen.

Bemerkt ihr eigentlich eine Veränderung bei Euren Fans?
Ingo: Wir haben vor der Tour gedacht, okay, ‚Calling‘ und ‚Stop The Clocks‘ sind jetzt schon sehr oft im Radio gelaufen…
… Lieder, die auch kleinen Mädchen gefallen…
Ingo: ja genau, und ehrlicherweise, die ersten zwei, drei Reihen auf dem Konzert sind schon kleine Mädchen, aber alle von uns waren überrascht, wie gemischt das Publikum letztendlich war. Szene und Nicht-Szene, Frauen und Männer, jung und alt. Ganz viele alte Fans haben mittlerweile schon Kinder und nehmen die mit zu den Shows. Ich finde das gut, so den Nachwuchs zu sichern!
Alex: Geil war auch meine Durchsage „wir werden jetzt 16 Jahre alt“ und jemand im Publikum schrie „ich bin erst 15!“

Ihr habt ja in Sachen Eigenwerbung schon einiges durch… den umstrittenen Auftritt bei Top of the Pops zum Beispiel und auch in der Bravo wart ihr schon. Gibt’s irgendwas, das Ihr nicht machen würdet, beziehungsweise: wo liegt Eure Grenze?
Alex: Früher waren wir eher in so ner Verweigerungshaltung. Zur Veröffentlichung von Better Days wollte uns unsere Plattenfirma in alle möglichen Termine pressen, und wir haben alles kategorisch abgelehnt. Ich glaube, wir waren die nervigste Band überhaupt.. die wollten uns da in so ein Teenie-Fahrwasser reinziehen und das wollten wir absolut nicht.
Ingo: Wenn du dieses Spiel mitspielen willst, dann musst du das halt zu deinen Gunsten machen. Du hast ja trotz allem die Möglichkeit, dich darzustellen. Wir waren damals bei Viva Interaktiv die einzige Band, die dort aus der Livesendung geschmissen wurde… obwohl wir das nicht mal forciert hatten, wir waren einfach so, wie wir sind und das hat wohl nicht ins Format gepasst. Wenn wir uns so präsentieren können, wie wir das möchten, dann ist das alles in Ordnung. Aber ich muss zum Beispiel nicht ne Titelmelodie für eine Fast-Food-Kette machen, das wäre ein No-Go.

Ihr seid es ja mittlerweile gewohnt, als Hauptact aufzutreten. Für welche Bands würdet Ihr denn überhaupt noch die Vorband machen?
Ingo: Da gibt es so viele… wir sind Fans von großen wie kleinen Bands. Ich habe Metallica schon über dreißig Mal gesehen und finde die jedes Mal wieder super, obwohl Lars Ulrich mittlerweile so spielt wie ein angeschossenes Reh. Letztens ist mir eine Träne ins Knopfloch reingelaufen, als wir uns Faith No More auf dem Area 4 angeschaut haben. Mike Patton ist für mich der beste Sänger unserer Zeit. In Sachen Zusammenspielen wird erneut ein Traum für uns wahr, wenn wir an Alex‘ Geburtstag mit Bad Religion am 14. August auftreten… Green Day würden auch super passen, oder einfach aus Bock würden wir gern mit Mumford & Sons spielen, das ist so ne Band, auf die wir uns im letzten Jahr alle einigen konnten, die machen so einen sympathischen Eindruck. Eigentlich alles Bands, die nett sind und mit denen du ne gute Zeit haben kannst – da ist es eigentlich auch scheißegal, was die für ne Musik machen.

Stellt Euch vor, ihr würdet in die Rock’n’Roll Hall Of Fame aufgenommen. Mit welchen Worten würdet Ihr dort gern beschrieben werden, wie soll sich die Nachwelt an Euch erinnern?
Ingo: Boah… das ist ne gute Frage…
Alex nee, echt, das sind wir wirklich noch nie gefragt wurden… das ist ja die Härte…
Ingo (zu Bruder Guido, der in diesem Moment den Raum betritt): Das kannst du eigentlich beantworten… wie soll man uns remembern?
Guido: ….uiuiuiuiui….(großes Gelächter)
Ingo: Die Donots… uiuiuiuiui, das ist es! Oder einfach so, wie unsere Nachhol-Tour mit den Mini-Shows heißt: Jubel jubel, freu freu!

Sehr schön! Ingo, Alex, wir danken Euch für das Gespräch!

DONOTS Zusatzshow am Mittwoch, 2.Juni 2010 im Frannz Club (Kulturbrauerei)

http://www.donots.com
http://www.myspace.com/donots
http://www.frannz.de

Autor: [EMAIL=sandra.wickert@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Sandra Wickert[/EMAIL]

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