WILD BEASTS am 20.04.2010 im Lido


Ein metaphysisches Fest!



Gewiss hat der ein oder andere schon einmal den Namen WILD BEASTS vernommen, davon gehört oder gelesen. Das Erscheinen ihres herausragenden, aktuellen Albums Two Dancers liegt bereits Monate zurück, doch scheint es, als wäre die Veröffentlichung am 03. August 2009 in den Tiefen der Musiknische untergegangen, dem Zweitling bis auf Insiderkreise kaum weiter Beachtung geschenkt worden und die Band als uninteressant verheißend abgestempelt.

Tatsache ist, dass die Musik der WILD BEASTS aus dem britischen Kendal recht eigenwillig ist. Signifikant ist vor allen Dingen das Gesangsregister, dessen sich die beiden Sänger Hayden Thorpe an der Gitarre und Tom Fleming am Bass mal abwechselnd, mal gemeinsam bedienen: Falsett und Tenor. Durch Schlagzeuger Chris Talbot erfolgt stellenweise zusätzliche Untermalung im Bariton. Gegründet wurde die Band 2002 unter dem Namen „Fauve“ (der französischen Bezeichnung für „Wild Beast“) in Anlehnung an die Kunstbewegung Fauvismus, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts kontroverses Aufsehen erregte, da sie sich zu kräftigeren Farben als ihre Vorgänger bekannte. So speziell wie die Malerei der Fauvisten einst war, ist die Musik der Wild Beasts heute, jedoch im positivsten Sinne. Die insgesamt vierköpfige Band bekennt ebenfalls Mut zum Anderssein und bringt damit nicht nur frischen Wind und neue Farbtöne in die Musiklandschaft, sondern vor allen Dingen auch in die Konzertclubs.

Auf ihrem Streifzug quer über den Globus wurde Berlin das Vergnügen und die Ehre zuteil, Standort für das Abschlusskonzert der ausgedehnten Tournee der WILD BEASTS zu sein. Es gibt durchaus viele verschiedene Wege, die ein Konzertbesuch einschlagen kann. Ergo gibt es ein breites Spektrum an Gefühlen, mit denen man ein Konzert verlässt: Beispielsweise kann sich pure Enttäuschung einstellen, weil der Abend anders verlief, als man ihn sich vorgestellt oder gewünscht hätte. Oder reine innere Zufriedenheit, da das musikalische Bedürfnis live adäquat gestillt wurde. Andernfalls kann ein Konzertbesuch aber auch überschwängliche Begeisterung hervorrufen, da jegliche Erwartung übertroffen wurde. Das ist auf der einen Seite zwar von der Band abhängig, andererseits aber auch vom Individuum selbst; von der persönlichen Stimmung, den Erwartungen und Ansprüchen, die man stellt. Auch der Lokalkolorit trägt seinen Teil dazu bei, denn er kann die Musik unterstreichen und ihr darin behilflich sein, die passende Stimmung herzustellen.



Foto © by Vinsy

Das Lido, in den 50er und 60er Jahren ehemaliges Zuhause der Cineasten, ist an diesem Abend je in dunkelrotes, je tiefblaues Licht getränkt. Als die WILD BEASTS die Bühne, ein Meer aus Lichtern, betreten, wird die Vorstellung, wie auch das Album, mit „The Fun Powder Plot“ eröffnet. Von der ersten Sekunde an nimmt die Band den Raum mit ihrer Musik ein, erfüllt das Lido mit einer atmosphärischen Dichte, die sofort in jede Faser des Körpers übergeht. Die treibenden Rhythmen des Schlagzeugs und die astreinen Klänge, die Benny Little seiner Gitarre entlockt, gehen geradewegs in Beine, Ohren und Herz und beschwören die Besucher geradezu, sich von der bloßen Musik tragen zu lassen. Hinzu kommt das für die WILD BEASTS charakteristischste Instrument: ihre Stimmen. Beinahe hypnotisierend wirkt der chorale Gesang, bei dem beeindruckend zwischen hohen und tiefen Tönen hin- und hergesprungen wird. In der Tat benötigt es Eier in der Hose, um sich auf die Bühne zu stellen und, wie etwa bei ‚All The King’s Men‘, stellenweise Töne anklingen zu lassen, die beinahe Glas zum Klirren bringen könnten.

Mit viel Herzblut kredenzen die WILD BEASTS ein Klangbild, das epochaler nicht sein könnte, und heizen dem Publikum gehörig ein. In ihre Instrumente vertieft, verliert sich die Band in ihrer eigenen Musik und schafft insbesondere für das Publikum die willkommene Abwechslung, Zeit und Raum für einen kurzen Augenblick zu vergessen. Innerlich baut sich die trügerische Hoffnung auf, dass dieser Abend niemals enden soll.

Als sie ihren Auftritt beenden und die Bühne verlassen, applaudieren die Konzertbesucher energisch, stampfen mit den Füßen auf den Boden, schreien nach mehr und machen das Unmögliche möglich: Für eine zweite Zugabe kommt die Band noch einmal auf die Bühne um „Vigil for a Fuddy Duddy“, das erste Lied ihres Debütalbums Limbo, Panto (FacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmailFacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmail