Jóhann Jóhannsson | Sicario: Subtile Kriegsmusik

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Packend, bedrohlich, emotional: Mit seiner Musik zum Thriller Sicario von DENIS VILLENEUVE hat der isländische Komponist JÓHANN JÓHANNSSON nach seiner Arbeit für The Theory Of Everything erneut einen Score geschaffen, der lange im Gedächtnis bleibt. Im Zentrum der Geschichte steht die FBI-Agentin Kate Macer (EMILY BLUNT), deren moralische Werte in einer Geheimoperation gegen ein mexikanisches Drogenkartell auf den Prüfstand gestellt werden. Langsam anschwellende Melodien und bedrohliche Percussion schaffen eine Klangwelt, die gemeinsam mit harten, klaren Bildern die Schatten der gewaltvollen und korrupten Welt im Grenzgebiet zwischen Arizona und Mexiko ausleuchtet.

Im Interview mt Popmonitor spricht der in Berlin wohnhafte Komponist, der bereits 2013 für das Drama Prisoners mit Regisseur Villeneuve zusammgearbeitet hat, über die erneute Kooperation, seine Sound-Vision und die Arbeit an seinem nächsten Score…

Wie kamen Sie mit dem Projekt in Berührung?

Denis hat mir im September die ersten Szenen gezeigt. Schon da war mir klar, wie stark die Ausdruckskraft des Filmes ist. Unterbewusst habe ich bereits in diesem Moment mit der Musik begonnen. Ich war auch am Set, habe Crew und Schauspieler kennen gelernt. Ich war also schon länger mit dem Film vertraut.

Wie haben diese Szenen die Musik geprägt?

Dennis hatte klare Vorstellungen von der Atmosphäre. Er sah Sicario als Kriegsfilm und wollte „subtile Kriegsmusik“. Ich habe mich also bewusst von klassischer Blockbuster-Musik mit ihrer pumpenden Rhythmik distanziert und stattdessen hauptsächlich Percussions und Militär-Drums verwendet. Die Musik sollte roh, direkt und eindringlich wirken.

Welche Gefühle wollten Sie damit kreieren?

Mit der Melancholie der Grenzlandschaft und Tragödie des Drogenkriegs liegt eine geradezu unerträgliche Spannung in der Luft. Die Musik soll das verstärken und die Ambiguität der Charaktere spiegeln. Die ganze Geschichte dreht sich um moralische Zwiespältigkeit.

Das Stück „The Border“ scheint im Film das Herzstück zu sein.

Ja, der Helikopter-Shot war die erste Szene, zu der ich die Musik geschrieben habe. Dafür habe ich ein langsames Bass-Crescendo und verzerrte Drum-Rhythmen verwendet, die klingen, als kämen sie aus den Tiefen der Erde – direkt aus den Drogentunneln. Der Helikopter-Sound wird dabei zu einem Teil der Musik. Ein starkes, tonangebendes Motiv!

Sie haben die Musik in Berlin aufgenommen?

Ja, wobei mein eigenes Studio eher ein Ort des Schreibens ist und der größte Teil der Aufnahmen in Weißensee entstand. Andere Passagen habe ich gezielt in Los Angeles und Budapest aufgenommen, wo auch die orchestralen Parts eingespielt wurden. Später habe ich die Puzzleteile zusammengefügt.

Haben die verschiedenen Aufnahmeorte den Sound geprägt?

Mich beeinflusst grundsätzlich nicht so seh, wo ich arbeite, aber Berlin ist mit seinen zahlreichen Musikern natürlich schon ein inspirierender Ort. Bereits in den Neunzigern bin ich gern für einige Wochen in die Stadt gekommen. Seit etwa drei Jahren lebe ich hier.

Auffällig ist, dass die Musik kaum mexikanische oder südstaatliche Motive enthält.

Stimmt, es gibt nur hier und da versteckte Referenzen, meist in der Rhythmik. Der Schlusstrack „Melancholia“ etwa basiert auf einem sechssaitigen Bass. Das an sich ist nicht sehr spanisch, aber die Art und Weise, wie er gespielt wurde, erinnert daran.

Sind Sie auch selbst als Musiker im Score zu hören?

Ich habe Synthesizer und Piano gespielt. Ansonsten habe ich mich auf Elektronik konzentriert, die in meienm Fall meist auf akustischen Mustern basiert. Viele der tiefen Sounds stammen von Vocal-Chords.

Woran arbeiten Sie zurzeit?

Bevor ich durch Filmmusik bekannt wurde, habe ich vor allem an eigenen Projekten gearbeitet. Im März fand in New York die Premiere von Drone Mass statt. Ich werde Anfang 2016 mit dem American Contemporary Music Ensemble und Roomful of Teeth ins Studio gehen und die Aufnahmen bis Anfang 2017 veröffentlichen. Derzeit stelle ich mein neues Solo-Album fertig, das 2016 herauskommen soll. Sechs Jahre saß ich daran! Auf diese Soloarbeiten werde ich mich nun wieder konzentrieren. Ich arbeite dieses Jahr nur für einen einzigen Film, eine Science-Fiction-Geschichte von Denis namens Story Of Your Life mit einem wirklich guten Script!

Was für Sounds können wir erwarten?

Ich habe hier viel mit zirkulierenden Stimmen und Atmungen gearbeitet. Dieses Mal werde ich eher weniger für Orchester schreiben, aber wir werden sehen. Die Dreharbeiten haben erst vor zwei Wochen begonnen.

Interview: Friedrich Reip + Carina Hartmann

www.johannjohannsson.com

Sicario startet heute in den deutschen Kinos.

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