LEASH – Berliner Act des Monats | August 2012


Mit sympathischer Beharrlichkeit zurück in der Erfolgsspur.



Update: LEASH am Samstag, 02.03.2013 live in Berlin @ ://about blank | Record-Release-Show

Gegenwärtig stehen die Zeichen eindeutig auf Neuananfang beim Berliner Indiepop-Quartett LEASH, der Band um das einzig verbliebene Gründungsmitglied Ilja Köster, die nach einer von diversen Aufs und Abs geprägten Bandhistorie in der jetzigen Konstellation nunmehr die optimale Besetzung gefunden zu haben scheint und derzeit nicht zuletzt angesichts der schwer hitverdächtigen und im aktuellen X-Filme Film „Little Thirteen“ gefeatureten neuen Single ‚Boys Are Bitches‘ längst nicht mehr nur treue Wegbegleiter neugierig darauf macht, wohin der sympathische Vierer in den kommenden Monaten noch steuern wird.

Kurz vor ihrer Show am 24.08. im Rosi’s (w/ FUCK ART, LET’S DANCE! ) stand uns die Band noch für ein ausführliches Interview zur Verfügung.

Popmonitor: 2007 wurden Leash schon einmal zum Act des Monats auf popmonitor.de gekürt, von der damaligen (Trio-) Besetzung ist inzwischen nur noch Mastermind Ilja dabei. Die Zeichen standen damals ja schon ziemlich auf Durchbruch und beginnender „Karriere“ („the next big thing“, Auftritte beim Melt! und in London, Shows mit Maximo Park und Wir Sind Helden etc.), was ist damals passiert? Hat es vielleicht auch mit einem besonders perfektionistischen Anspruch zu tun, dass sich damals nicht mehr entwickelt hat? Oder siehst Du das vielleicht auch komplett anders und wertest diese Zeit bzw. die Jahre danach als Erfolg?

Ilja: Mit Perfektionismus hatte das weniger zu tun als mit ganz nüchternen neuen Lebensumständen. Dominik, der damalige Bassist und Songmitschreiber, ist wieder zurück in seine Heimat, die Schweiz, gegangen, um dort weiter an seiner akademischen Laufbahn zu basteln. Das war natürlich ein sehr unglückliches Timing, weil wir ja eigentlich gerade viel Aufmerksamkeit hatten, ein Album produzieren wollten und es generell sehr gut voran ging. Aber es waren vor allem super wertvolle Erfahrungen, die mir jetzt helfen, den ganzen Popzirkus mit großer Gelassenheit zu sehen und viel Spaß dabei zu haben.

Wie würdest Du die Entwicklung seitdem in zwei, drei Sätzen beschreiben, würdest Du angesichts der aktuellen neuen Band-Zusammensetzung vielleicht gar von zwei komplett unterschiedlichen Bands sprechen und würdest Du alles nochmal genauso machen oder auch vieles ändern?

Ilja: Die musikalische Idee von Leash ist geblieben. Und das ist es auch, was uns alle zusammengebracht hat. Schließlich macht man bei einer neuen Band mit, weil man sich mit der Musik identifizieren kann. Was sonst sollte einen locken? Geld kann’s ja nicht sein. Und so war es mit den ‚Neuen’ bei Leash auch. Allerdings hat natürlich trotzdem jeder auf seine Art stark dazu beigetragen, dass sich die Band weiterentwickelt hat. Was früher vor allem elektronisch, brachial und recht steril daherkam, klingt nun insbesondere live viel organischer und somit musikalischer. So gesehen fühlt es sich schon wie eine andere Band an.
Und ob ich es wieder genauso machen würde? Ehrlich gesagt, es spielen so viele unbeeinflussbare Komponenten in die Karriere einer Band hinein, daß die Frage müßig ist, weil es sowieso immer wieder anders käme.

Immerhin gibt es LEASH jetzt ja schon seit gut sechs Jahren (eine kleine Ewigkeit im Musikbiz), überrascht Dich dein Durchhaltevermögen manchmal selbst oder kannst Du dir ein Leben ohne Leash schlichtweg nicht vorstellen? ;)

Ilja: Da es ziemlich lange Pausen gab, fühlt sich das gar nicht so lang an. Sechs Jahre? Krass.

Auch andere auf Popmonitor vor Jahren als

Es steht ja nun schon seit längerem die VÖ eines Full-Length-Albums ganz oben auf Eurer Agenda. Wie ist diesbezüglich der aktuelle Stand und wann kann man mit dem Erscheinen des Albums rechnen?

Maik: Wenn alles hinhaut, kommt das Album im Frühjahr 2013 raus. Die Frage, die sich Bands ja heutzutage immer wieder stellen ist die, ob ein Label für eine Veröffentlichung hilfreich ist oder ob man die Songs besser selbst veröffentlicht. Wir versuchen, Eigenveröffentlichung und Zusammenarbeit mit Label unter einen Hut zu bekommen. So haben wir ja nun bereits die Single „Boys Are Bitches“ selbst veröffentlicht, werden eine EP voraussichtlich exklusiv in der Schweiz bei einem kleinen aber feinen Indielabel veröffentlichen und für das Album stehen wir noch in Gesprächen mit einem Label. Die Arbeit an der Platte ist jedoch noch nicht ganz getan, da sind wir doch ziemliche Perfektionisten.
Marc: Der ein oder andere Song weiß noch nicht, ob er mit drauf darf oder nicht. Kurz: Wir müssen noch ein bisschen dran basteln, werden parallel natürlich noch eine ganze Reihe von Konzerten spielen und uns darum kümmern, dass die Welt da draussen die VÖ unseres Albums auch mitbekommt.

Entstehen die Songs grundsätzlich auf Gemeinschaftsbasis oder gibt es bspw. mit Ilja doch jemanden, der zumindest die Richtung vorgibt?

Marc: Tatsächlich hat Ilja für die meisten Songs die Basis geschaffen oder, besser gesagt, vorproduziert und dadurch stilistisch das Ruder in der Hand gehabt.
Maik: Im Proberaum hat sich der Rest der Band drauf gestürzt und aus Iljas Basiskomponenten wurde dann unser Song. Das Anbringen von fast fertigen Songs birgt aber auch immer die Gefahr, dass man sich lange damit beschäftigt, es präsentiert und die Band den Daumen nach unten zeigt (lacht).
Marc: In letzter Zeit hat sich das gewandelt und die Stücke entstehen immer mehr aus dem direkten Zusammenspiel, so dass man eigentlich nicht sagen kann, wer federführend ist außer Leash.

Die Single „Boys Are Bitches“ wurde als Trailersong für den im Juli angelaufenen Kinofilm „Little Thirteen“ ausgewählt. Wie kam es dazu und wie gestaltete sich diese Kollaboration? Wie war es für Euch, bei der Filmpremiere in Anwesenheit der Schauspieler und des Regisseurs im Cassiopeia dabei zu sein bzw. auch ein kleines Live-Set zu spielen? Das war ja sicherlich mal was anderes?

Ilja: Das war mal ein schönes Beispiel dafür, dass sich der ganze Social Media Einsatz auch mal lohnt. Der Song landete durch gezielte Freundesfreundeverknüpfung bei den Produzenten von X-Filme und hat einfach so dermaßen Faust-aufs-Auge-mäßig sowohl thematisch als auch stilistisch zum Film gepasst, dass nicht lang gefackelt wurde.
Die Premiere war ein sehr schöner Event. Und Shows, die mal aus dem normalen Club-Kontext fallen, finden wir immer sehr spannend, weil eigentlich keiner weiß, was zu erwarten ist.
Maik: Dass wir mal mit einem Song in einem Film und Trailer vertreten sind, ist der totale Hammer. Das würden wir sofort wieder machen. Abgesehen davon ist „Little Thirteen“ ein klasse Film. Also rein ins Kino und anschauen.

Wird wie auf der EP auch bei der Albumproduktion wieder Andy Jung (Seeed, Blackmail) mit von der Partie sein? Welche Bezugspunkte habt Ihr selbst zu solch unterschiedlichen Bands wie Seeed, Blackmail oder den Beatsteaks?

Maik: Andy ist ganz klar unser Mann für das Album, wie er es auch schon für die EP war.
Ilja: Er beeinflusst als Produzent den Gesamtsound, bringt viel interessanten Input und hinterfragt Details, die wir schon für selbstverständlich abgebucht haben. Er ist auch eine wahre Instanz, wenn es um Reduktion geht. Wenn ein überflüssiges Element im Mix ist, ist es oft Andy, der es merkt und uns überzeugt, es rauszuschmeißen.
Maik: Abgesehen davon sind wir mittlerweile echt gute Buddies geworden und sollten endlich mal wieder einen heben gehen. Der Bezug zu diesen Bands ist bei jedem sehr unterschiedlich, da wir vier trotz allem doch recht individuelle Geschmäcker haben.

Wo würdet Ihr euch aktuell selbst stilistisch einordnen, zwischen welchen Bands würdet Ihr euch verorten (um vielleicht auch der jüngeren Indie-Generation einen Anhaltspunkt zu geben)?

Maik: Um die Stilfrage winden sich Bands ja gern mal, damit sie bloß nicht in eine bestimmte Schublade gesteckt werden. Eindeutig ist es bei uns auf der Macroebene. Da sind wir POP. Dann wird`s schon schwieriger. Aber durch die Verkettung von Indiegitarrengeschrammel mit elektronischem Gefiepse und großen Harmonien und Pathos nennen wir es Indie-Electro-Pop.
Wie schon erwähnt, haben wir alle eine grundsätzlich andersartige musikalische Sozialisation u.a. über Klassik, Punkrock, New Wave, Indiepop, Electro. bAber vielleicht gibt es so eine Art Schnittmenge: …LCD Soundsystem, David Bowie, Primus, Notwist, Deus, Radiohead, Soulwax, Hot Chip, Qotsa, The National, Dredg…. Du siehst Thomas, die Liste könnten wir unendlich fortsetzen, aber dann sitzen wir morgen noch hier.
Ilja: Ich finde ja, die Referenz zu anderen Bands sagt eigentlich recht wenig aus, da man als Musiker nur hier und da Inspirationen bekommt, die dann beim Songwriting oder Produzieren durch viele Filter gejagt werden und für den Zuhörer wahrscheinlich überhaupt nicht mehr hörbar sind. Wenn ich jetzt also sage, dass meine Einflüße z.B. Prince oder Claudio Monteverdi sind, dann wird das wohl keiner wirklich nachvollziehen können, wenn er Leash hört. Oder vielleicht doch?



Es hat den Anschein, als würde bei Euch derzeit eine von großem Enthusiasmus beflügelte Aufbruchstimmung herrschen. Wie steht es tatsächlich um den Ehrgeiz, vielleicht nochmal den großen Durchbruch zu schaffen und wie würdet Ihr „Durchbruch“ für Euch überhaupt definieren?

Maik: Ja, das hast Du schon richtig wahrgenommen. Tatsächlich hat sich durch die neue Bandzusammensetzung in den letzten Monaten viel verändert. Das betrifft das Arbeiten an neuen Songs, das Zwischenmenschliche und auch die Richtung, die wir einschlagen, fühlt sich frisch an. Ebenso hat sich unsere Frustrationstoleranz erhöht, nachdem letztes Jahr innerhalb kurzer Zeit zweimal der Proberaum von Wassermassen geflutet wurde und wir unseren Bassisten Marcel an das Hilton Hotel in Dubai verloren haben. So was härtet ab.
Ansonsten haben wir natürlich den Ehrgeiz, alle großen Bühnen der Republik zu bespielen, nächstes Jahr bei den fetten Festivals am Start zu sein und unfassbar viele Platten bzw. MP3s zu verkaufen. Dann hängen wir die Jobs an den Nagel und leben nur noch unseren Traum vom Musik machen.
Nein, im Ernst, ich glaube, uns allen ist klar, dass es vor allem darum geht, unseren kreativen Bedürfnissen ein Ventil zu geben. Und so gesehen heißt „Durchbruch“ für uns ein solides und regelmäßiges Live-Booking aus professioneller Hand, welches wir neuerdings mit der Agentur Rock This Town auch haben. Mit der Musik Geld zu verdienen ist nicht der Antrieb und kann und darf es auch gar nicht sein. Das Feld überlassen wir gern den Mainstreamkünstlern. In erster Linie frisst das Musikmachen viel Zeit und Geld und da können wir uns glücklich schätzen, so ein cooles, tolerantes und liebevolles Umfeld zu haben, das uns vieles ermöglicht. In erster Linie wollen wir eine gute Zeit haben, unseren Fans, unserem Publikum eine geile Show und Party bereiten und ihnen für den Heimweg einen neuen Lieblingssong im Ohr mitgeben.

Maik ist ja musikalisch bspw. auch noch mit Sand.Ig unterwegs, gibt es weitere „Nebenprojekte“, die den einzelnen Bandmitgliedern ähnlich wichtig wie die Arbeit mit Leash sind? Oder liegt der Fokus zurzeit generell doch eindeutig auf dem Vorankommen mit Leash?

Maik: Du meinst sicher die Bands SAND.IG und Sirkorski, die beide schon für POPMONITOR gespielt haben? Beide Bands, in denen ich neben LEASH noch Schlagzeug spielte, pausieren derzeit. LEASH braucht die ganze Energie und Zeit, und so konnte ich den Jungs in den Bands auch nicht mehr gerecht werden. „Glücklicherweise“ ging es irgendwie allen so und so bin ich um die Buhmann-Rolle herum gekommen. Aber natürlich hängt an SAND.IG und Sirkorski viel Herzblut und ich schließe nicht aus, irgendwann mal wieder für eine Guerillashow zusammenzukommen.
Ebenso geht es ja auch den anderen LEASHies. Auch Ihre Spielwiesen liegen brach. Und ja, wir sind ziemlich fokussiert und schaffen uns ein immer professionelleres Umfeld mit Management, Bookingagentur (Rock This Town), Verlag und künftig dann auch mit Label. Dennoch ist es wirklich unglaublich, wieviel Zeit man nicht fürs Musikmachen, sondern für organisatorische Dinge so aufwendet, aber da haben wir die Aufgaben in der Band zum Glück klar verteilt.

Ende vergangenen Jahres gab es innerhalb weniger Wochen quasi eine Leash-Clubtour durch kleinere Berliner Clubs (Lovelite, General Dealer’s Club, Dazzle Danzclub, Kaffee Burger…). Welche (unterschiedlichen) Erfahrungen habt Ihr dabei gemacht? Zählt auch für Euch als inzwischen in Berlin etablierte Band noch das Credo, möglichst häufig live zu spielen oder ist es mittlerweile doch auch wichtiger, sich schon mal rar zu machen und gezielt Reiz- bzw. Höhepunkte zu setzen?

Marc: Nun, jede Band kennt das, man spielt in einem bestimmten Stadium ja noch nicht konstant vor unfassbar vielen Leuten. Aber wenn wir z.B. dachten, heute wird es „klein“, weil andere artverwandte gute Bands am gleichen Tag in der Stadt waren, dann war es manchmal so, dass wir von der positiven Resonanz total geflasht waren.
Man merkt natürlich, dass wir mit jeder Show weiter zusammengewachsen sind und das Publikum mitreißen können. Da haben wir wirklich ein paar sehr schöne, sehr skurrile und sehr aufregende Momente gehabt!
Maik: Im letzten Jahr war es schon so, dass wir ein Achtungszeichen setzen wollten, um in der Berliner Club- und Veranstalterszene wahrgenommen zu werden. Und das ist uns ganz gut gelungen.
Marc: Letztlich ist es ja auch eine, wenn nicht sogar die Essenz des Musikmachens – die Liveshows. Und wir wollten ganz bewusst in der quasi neuen Besetzung den steinigen Weg gehen, denn das ist, was eine Band zusammenschweißt!
Maik: In den nächsten Monaten werden wir bis auf ein paar tolle Highlights wie unsere Popmonitor Show im Rosi’s eher bundesweit und im benachbarten Ausland nach Livegigs Ausschau halten. Aber keine Sorge, wir werden regelmäßig, wenn auch nicht ganz so oft wie bisher, in Berlin zu sehen sein.

Am 24. August spielt Ihr zusammen mit Fuck Art, Let’s Dance! im Rahmen von Popmonitor live im Rosi’s. Auf was dürfen sich Fans und Freunde freuen, u.a. vielleicht auf erstmalig live präsentierte Songs? Oder sonstige Überraschungen?

Maik: Überraschungen? Nun ja, wir arbeiten noch an super funky Choreos und die neuen Kostüme werden gerade geschneidert. Wir wissen nur noch nicht, ob wir eher auf Pailletten oder Glitterfransen setzen sollen. Hast Du da vielleicht eine Empfehlung?
Marc: Genau, und Ilja kommt im Tutu. Nee Quatsch, Überraschungen sollen ja Überraschungen bleiben. Aber wir werden tatsächlich einen sehr neuen und sehr geilen Song spielen, worauf wir uns schon sehr freuen.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft!

www.leash-music.com
www.facebook.com/leashbandinfo
www.myspace.com/leashberlin

Fotos © Leash
Autor: [EMAIL=thomas.stern@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Thomas Stern[/EMAIL]

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