Mädchenhaft von außen, provokativ von innen. Klappt man das Artwork zu LOWELLs Debüt-LP auf, erwartet einen der Anblick einer wilden Schwarz-Weiß-Szene: zerrissene Kissen, zerschlagene Lampen und sich im Fernseher spiegelnde Promiskuität. Also doch Femme fatale statt Girly Girl? Warum auf irgendetwas festlegen, findet die Kanadierin, und spricht sich auf We Loved Her Dearly gegen stigmatische Geschlechtermodelle und patriarchale Fremdbestimmung aus. You live in a man’s world, I live in my own world singt sie auf „I Love You Money” und zelebriert mit enthusiastischem Lo-Fi-Pop, kindhaften Vocals und stürmischen Percussions die Freiheit und Individualität.
Alles spricht zunächst für ein meinungsstarkes Debüt. Gleich mehrere Songs, die in London mit SACHA SKARBEK (LANA DEL REY, MILEY CIRUS) und MARTIN TEREFE (JAMES BLUNT) produziert wurden, hat sie dafür verworfen, um sich selber treu zu bleiben. Inmitten von Claps und Beats, die in den Hooklines nach Aufmerksamkeit schreien, finden ihre ambitionierten Proklamationen jedoch kaum noch Gehör. Schon der Opener „Words Were the Wars“, auf dem sich Bass und Gesang über sechs Minuten hochschaukeln, klingt eher langatmig als gehaltvoll. Schöne Momente liefern das vom Piano dominierte „I Killed Sara V“ und die fröhliche Queer-Hymne „LGBT“, ansonsten plätschert We Loved Her Dearly mit gleichförmigen Songstrukturen und trivialen Floskeln wie Don’t Hate Our Love aber eher dahin. Ein bisschen mehr Bisskraft hätte nicht geschadet.
LOWELL
We Loved Her Dearly
(Arts & Crafts / Rough Trade)
VÖ: 12.06.2015