Stell dir vor, GLEN MADLOCK steht auf der Bühne, schreit „Dance Berlin!“ und es passiert: nichts. Wenn man seinem Fahrer Glauben schenken darf, war Glen vor ein paar Stunden noch so stoned, dass er nicht mal in das Auto kam. Dafür rockt er die Bühne erstaunlich gut. Nur das Publikum – das ist nicht halb so Rock’n’Roll, wie es eigentlich aussieht. Verwurzelt beobachtet man das Geschehen, dabei müsste die Stimmung dem Andrang an der Bar nach zu urteilen auf dem feuchtfröhlichen Zenit sein, aber nein: Man hält lieber die Smartphones in die Luft. Ein Foto von Glen ist in diesem Moment wichtiger als Glen selber.
Schade eigentlich, denn der Abend ist grundsätzlich stimmungsvoll. MARSHALL HEADPHONES launcht das erste Musik-Smartphone im Meistersaal der Hansa-Studios – dort, wo der Geist von DAVID BOWIE, IGGY POP, DEPECHE MODE und U2 in jeder Ecke des Gebäudes schwebt und jeder Musik-Freak alleine deswegen schon überwältigt ist. Neben dem Stockwell-Lautsprecher ist das Smartphone MARSHALL LONDON das neueste Produkt in der Reihe des Gitarrenverstärker-Herstellers und wird heute vorgestellt. Es schmückt sich mit dem Titel „Lautestes Handy der Welt“, glänzt mit zwei Lautsprechern wie Stereo-Eingängen und lässt ansonsten die Musik sprechen, immerhin ist das Line-Up pompös: ZHOD, EARL SLICK, KADAVAR, GLEN MATLOCK von den SEX PISTOLS, und vor allem: COURTNEY LOVE.
Wegen ihr scheint das Publikum ohnehin nur gekommen zu sein. Man wartet sehnsüchtig auf Courtney. Die ist immerhin richtig skandalös und wer weiß, was für aufregende Sachen sie in ihrem Heroin-Rausch wieder auf der Bühne anstellen wird. Unter donnerndem Applaus schließt sich die Amerikanerin dem Set von Madlock und EARL SLICK an und zeigt mal eben allen den Stinkefinger. Das kommt gut an, das wollte man sehen. Okay, fast alle: „Soll die Alte doch lieber ihre Titten zeigen!“, findet der Typ vor uns. Aha.
Immerhin liegt plötzlich so etwas wie Stimmung in der Luft. In der vierten Reihe begießt jemand das Publikum mit Bier. Es wird kurz gehüpft und im Takt gewippt und endlich könnte wirklich alles losgelöst sein, wenn der Gig nur nicht in diesem Moment schon wieder zu Ende wäre. Für die Mehrheit scheint das okay zu sein. Nach einer Zugabe fragt hier niemand. Das gewünschte Stinkefinger- Foto ist im Kasten, das Publikum zufrieden. Rock’n’Roll? Naja.