„Wir spielen moderne, düstere Großstadtmärchen.“
MEIN MIO sind SEBASTIAN BLOCK (voc, bass), SIMON GOLDFAIN (git, voc), DANIEL SCHMIDT (keys) und HANNS OTTO (drums) und in dieser Konstellation eine ebenso junge wie vielversprechende Berliner Band. Anlässlich ihrer gerade erschienenen EP Nichts was hilft standen uns SEBASTIAN und SIMON Rede und Antwort.
popmonitor.berlin: Wer von Euch ist eigentlich der Astrid Lindgren-Fan? (Die Frage liegt nahe: 2007 stand im Zeichen des 100. Geburtstages von Astrid Lindgren, deren Kinderbuch Mio, mein Mio als literarisches Kunstwerk gilt. / Anmerkung der Red.)
Sebastian: Ich würde nicht von einem Fan sprechen. Wir sind alle mit den Geschichten von Astrid Lindgren aufgewachsen. Die Phantasie ihrer Charaktere hat uns als Kinder stark beeinflusst.
Mein Mio überschreitet die Grenzen. Man fällt aus der harten, tristen Realität in eine aufregende Welt, voller Rätsel und Abenteuer. So ähnlich muss auch Musik funktionieren.
Simon: Mio, Mein Mio war der Film, den ich als Kind an einem Geburtstag in meiner Heimatstadt Kiev sehen durfte – in einem Video-Café. Dieses Café verfügte über einen Beamer samt Breitbildleinwand und servierte die beste heiße Schokolade der Stadt. Für die damaligen Verhältnisse (es war Anfang der 90er) war es ein absolutes Non Plus Ultra. Das VHS-Band war sicher eine Raubkopie – Originale gab es damals so gut wie keine – die Farben waren sehr blass, so dass der Märchenfilm noch düsterer wirkte, als er ohnehin schon war. Ich glaube, das ist das, was der Film mit unseren Songs gemeinsam hat – wir spielen moderne, düstere Großstadtmärchen.
popmonitor.berlin: Die Geschichte von MEIN MIO als Band ist noch relativ jung. Wie und wann habt Ihr Euch getroffen und als Band zusammengefunden?
Sebastian: Ich würde fast so weit gehen und von Schicksal sprechen. Da es wirklich schwierig ist, die richtigen Leute zu finden. Auch wenn man sich vorstellen kann, dass Berlin ja voll von guten Musikern ist. Was auch stimmt. Aber jeder hat seine ganz persönlichen Vorstellungen. Ich hatte sehr lange gesucht und bereits drei verschiedene Bands zusammengestellt. Nie sollte es so richtig funktionieren. Dann bin ich zufällig auf Simon gestoßen und war sehr beeindruckt von seiner Musik. Ein paar Tage später waren wir eine Band. Hanns war zu der Zeit in meiner Berufsschulklasse, ich wusste dass er Schlagzeug spielt, doch leider hatte er durch seine Arbeit kaum Zeit. Als seine Firma Insolvenz anmeldete, änderte sich das. Glück im Unglück?! Er musste einfach dabei sein. Nach ein paar Proben zu dritt war uns allen klar, dass ein Klavier fehlte. Daniel kannte ich schon länger, und er sagte auch sofort zu. Alles passte.
Simon: Ich habe jahrelang alleine am Computer Musik gemacht und wollte wieder in einer Band spielen, und zwar Bass. Als ich die Songs von Sebastian hörte, habe ich ihm angeboten, eine Band zu gründen, statt wieder am Computer zu basteln. Wir haben einige Male zusammen mit Hanns geprobt, bis wir rausgefunden haben, dass SeBAStian schon wegen seinem Namen besser am Bass ist als ich. So wechselte ich dann zur Gitarre.
popmonitor.berlin: Sebastian und Simon haben neben MEIN MIO noch mit MiNIMUM ein sehr vielversprechendes Bandprojekt am Start, Daniel spielt außerdem bei VERY. Wie koordiniert Ihr Live-Termine, Aufnahmen etc. dieser drei Bands?
Sebastian: Da jeder die Musik der anderen Bands schätzt und respektiert, gibt es kaum Probleme. Es sein denn, bei allen drei Bands stehen Konzerte im selben Zeitraum an. Das ist einfach eine Frage der Absprache. Bevor ein Konzertermin bestätigt wird, wird immer sehr viel telefoniert.
Simon: Bis jetzt war es nicht schwierig, wir alle sind relativ flexibel – sprich ungebunden. Klar, kann es irgendwann zu Engpässen kommen oder im schlimmsten Fall zu Entscheidungen a la „entweder – oder“. Aber ich hoffe, es kommt nicht dazu.
popmonitor.berlin: Wer sind Eure musikalischen Referenzen und Vorbilder? Deutschsprachige Popmusik hat ja in den letzten Jahren einen immensen Boom erfahren. Wie steht Ihr zu dieser Entwicklung und hat das MEIN MIO künstlerisch beeinflusst?
Simon: Ich komme aus der Ukraine bzw. ehemaligen Sowjetunion und wurde musikalisch am meisten von den Bands des sowjetischen Undergrounds beeinflusst, die allesamt auf russisch sangen. Für mich ist es nicht ausschlaggebend, in welcher Sprache getextet wird, wenn es mich anspricht. Wenn man sich die deutschsprachige Tradition in der Popmusik vor Augen führt, dann wurzelt alles mehr oder weniger im Punk oder Hip-Hop, von Kraftwerk abgesehen. Ich finde es gut, dass heutzutage versucht wird, damit zu brechen und einen Ausdruck für Emotionalität zu finden, der mit den Vorgaben bricht und sich doch jenseits vom Schlager-Herz-Schmerz wiederfindet.
Sebastian: Ich habe in meiner Jugend eigentlich nie deutschsprachige Musik gehört. Deswegen kann ich in dieser Richtung auch keine Namen nennen. Ich stand auf die Beatles, die Doors und viele andere Interpreten aus den Sechzigern. Im Prinzip alles, was mich irgendwie ansprach. Hauptsächlich habe ich jedoch meine Zeit damit verbracht, Songs zu schreiben, seitdem ich mit 12 ein Keyboard geschenkt bekam.
Dass ich deutsch singe, liegt wohl einfach an meinen mangelnden Englischkentnissen. Außerdem ist es eine Herausforderung.
popmonitor.berlin: Ihr habt ein recht enges Netzwerk von Bands/Künstlern um Euch herum gebildet. Welche Bands sind das (neben den bereits genannten) und welche davon möchtet Ihr uns und den Lesern empfehlen?
Simon: Ich bin seit etwa einem Jahr der Band CHERRY (www.myspace.com/marloncherry) verfallen. Sehr schöne, tiefe, hypnotische Songs von ausgezeichneten Musikern. Ebenso tief und hypnotisch ist ISABELS NOT HOME (www.myspace.com/isabelsnothome), ein weibliches Elektro-Projekt auf den Spuren von Depeche Mode. Ausserdem: SUSIE ASADO (www.myspace.com/susieasado), für mich die beste Chanteuse von Berlin und natürlich TEX, der deutschsprachige Songwriter schlechthin. Und wenn ich mal etwas Eigenwerbung betreiben darf: das iTunes-Label MiNIPOP records (www.minipop.de) veröffentlicht in unregelmäßigen Abständen „Musik zwischen den Stühlen“: z.B. russischen Trip-Hop von SIMON THE RUSSIAN oder therapeutischen Lyrik-Pop von STERNABWAERTS. Hier wird auch die MEIN MIO-EP digital erscheinen.
Sebastian: Wenn ich alle aufzählen würde, werde ich wahrscheinlich kein Ende finden und wenn ich jemanden vergesse, gibt es Ärger. Deswegen verweise ich nur auf mein Soloprojekt KASPER (www.myspace.com/kasperblock).
popmonitor.berlin: Gerade habt Ihr Eure erste EP Nichts was hilft fertig gestellt. Alle Songs stammen aus der Feder von Sebastian. In welchem Zeitraum und in welchen Situationen sind die Lieder entstanden?
Sebastian: Alle Songs auf der EP sind in den letzten drei Jahren entstanden. Die Texte spiegeln meine Gefühle und Gedanken aus dieser Zeit. Ich war in der Ausbildung und relativ neu in der Stadt. Oft war mir alles zuviel, außerdem kamen viele persönliche Probleme hinzu.
Wenn die Songs meist sehr schwermütig klingen, liegt das auch daran, dass ich ein sehr melancholischer Mensch bin. Auch wenn ich das gut zu überspielen weiß.
popmonitor.berlin: Die fast obligatorische Frage zum Schluss: Eure Pläne, Träume, Wünsche, Hoffnungen für 2008 sind?:
Simon: Wir werden so viel wie möglich touren und uns hoffentlich eine Fangemeinde erspielen. Toll wäre es, zum Ende des Jahres ein Album aufzunehmen. Ich persönlich hoffe, mit allem was ich mache, wachsen zu können.
Sebastian: Da kann ich mich Simon nur anschließen. Wir werden weiterhin vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzen.
Vielen Dank für das Interview!
Wir wünschen Euch viel Erfolg und alles Gute für die Zukunft der Band!
Die EP:
MEIN MIO
Nichts was hilft
(Eigenproduktion)
VÖ: 01/2008
www.myspace.com/meinmio
Fotos: © MEIN MIO
Autor: [EMAIL=jana.schuricht@bands-in-berlin.com?Subject=Kontakt von der Website]Jana Schuricht[/EMAIL]