Oooh MICHELLE, die Femme fatale, die aus Kanada kam. Die jetzige Dänin GUREVICH bietet auf ihrem sechsten Album all das an, was sie ausmacht: erotisch aufgeladener Slowcore und dekadent unterkühlter Indiepop. Zwei Jahre nach Exciting Times wurde sie vor allem wieder von Lisa Bregneager beim Mischen unterstützt.
Mit dem Tango „Art Of Life“ zelebriert sie eine Affäre als perfekte Liebesbeziehung. Das gewisse Etwas im Anderen macht den Unterschied: „Something in me, something in you make a masterpiece.“ In dem sacht treibenden „Temptation“ fragt sie sich, warum sie sich nicht daraufeinlassen sollte, wenn das Leben kurz ist und „when I’m so happy to see you“. Die Strophen singt sie wie einst PETER SCHILLING die Strophen in „Major Tom“, dessen englische Übersetzung 1983 in Kanada auf Platz eins kam.
In dem Slowcore-Stück „Feel More“ reckt und streckt sie sich auf einem Bett E-Gitarren, bereit sich auf ihre Lebenslust einzulassen. Es ist der Titelsong zur Netflix-Doku Sei lieb über die sexistische Sekte FLDS.
„For Old Time’s Sake“ setzt an ältere jazzige Indiesongs an. „Kiss“ verzaubert mit 80er-Jahre-Vibes aus Synthieflächen. Hier ist sie die Verführerin und haucht: „Let’s kiss and see, what happens.“
Ein Bisschen derb fällt dagegen die Puma-Fantasie „Mrs. Robinson“ aus. Will man wirklich als heilige MILF gelten, wie in dem Lied von SIMON & GARFUNKEL? Und die lähmende Erfahrung einer Fernbeziehung haben andere schon besser hinbekommen („Love From A Distance“).
Nach diesen kleinen Schwächen schließt das Album mit sachtem Optimismus und lockerem Gepfeife („Life Is Coming Back to Me“). Sie traut sich wieder raus und auch wenn „Nein“ „Nein“ heißt, wer kann bei Michelle schon „Nein“ sagen?
Michelle Gurevich
Ecstasy in the Shadow of Ecstasy
(Selbstvertrieb)
VÖ: 15.05.20