Ist die Miss zur Frau geworden?
Vielleicht hatte sie keine Lust mehr auf Werbespots und ist deswegen so ernst geworden? Jedenfalls sind die neuen Songs der Schwedin MISS LI und ihrer Vier-Mann-Kombo nach zweijähriger Pause nicht mehr Apple- und Volvo-tauglich. Vielmehr könnte man Songs wie ‚Forever Drunk‘ als Abschreckmittel für die AA verwenden oder ‚The Devil’s Taken Her Man‘ als Hymne für soziale Einrichtungen gegen häusliche Gewalt vorschlagen. Wo sich ihre früheren Songs wie z.B. ‚Dancing The Whole Way Home‘ (2009) eher in einem Audrey Tautou-Film hätten finden lassen können, vermutet man neue Songs wie ‚Billy’s Got A Gun‘ oder ‚Shoot Me‘ eher in einem Tarantino-Streifen und denkt an Nancy Sinatra: Kill Billy, bang bang!
Was genau ist da also passiert? Der Vorteil einer verspäteten Rezension wie dieser hier ist ja, dass man sich bereits ein Bild über die Wirkung des zu besprechenden Werkes machen kann, statt es vorherzusagen. Gebohrt und gehackt wird da auf dem Song ‚Shoot Me‘, welcher wohl ein langwieriges „Leiden“ der kecken Dame schildern soll, ohne genau darauf einzugehen, worin dieses Leiden eigentlich bestand. Verurteilt wird – besonders von der deutschen Presse – der destruktive Klang der Texte. Aber, mal ehrlich jetzt, ist doch eigentlich egal, oder?
Ob MISS LI, geborene Linda Carlsson, nun an einer Depression litt oder einen gewalttätigen Alki als Liebhaber hatte, wo auch immer sie ihre Inspirationen her hatte, Tatsache ist, dass sie es im Gegensatz zu anderen Künstlern zu vermeiden weiß, in Selbstmitleid zu ertrinken. In einer gewissen TOM WAITS-Manier, wenn auch längst nicht so subtil wie der Meister, verarbeitet sie ernste Themen mit einer musikalischen Leichte, begegnet ernsten Worten mit einer lustigen Melodie auf der Trompete. Nein, die Kunst des Kabaretts und das ironisch zugespitzte Flair der 20er Jahre hat die Sängerin und Pianistin ganz sicher nicht verloren!
Und wenn sie also in ‚Arrested‘ darüber singt, wie sie für’s Pinkeln in der Öffentlichkeit festgenommen wird, dann sollte man vielleicht einfach über das schön überdrehte Bild lachen, statt es in einen feministischen Diskurs zu setzen.
Wahre Mangel bestehen bei Beats & Bruises jedoch im musikalischen Sektor. Wo die ersten beiden Songs ‚The Devil’s Taken Her Man‘ und ‚I Can’t Get You Off My Mind‘ noch klar und deutlich Charakter tragen, wunderbar schwunghaft, lasziv und geradezu westernhaft sind, da verliert das Album nach diesem gelungen Anlauf ziemlich schnell an Puste. Der Fuß hört dann auf mitzuwippen und die Gedanken beginnen zu wandern, jedenfalls bis zu ‚You Could Have It So Much Better (Without Me)‘, einem fast schon twistbarem und MANDO DIAO-igem Tanzsong, welcher auch als zweite Single-Auskopplung dient:
Danach nimmt das Album jedoch abermals ab, und auch eine letzte Aufwärtskurve in Form des Songes ‚Are You Happy Now?‘ kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass einigen Songs jenes gewisse Etwas fehlt, das aus musikalischem Können große Kunst macht und bewegt.
MISS LI am 24.09.11 live in Berlin/ Lido (Berlin Independent Night)
MISS LI
Beats & Bruises
(DevilDuck/ Indigo)
VÖ: 22.07.2011
Homepage: www.missli.se
Myspace: www.myspace.com/experiencemissli
Label: http://www.devilduckrecords.de/artists/miss-li.html
Autor: [EMAIL=daniela.saleth@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Daniela Saleth[/EMAIL]