Supermassive showbiz.
Mächtig soundgewaltig kamen sie daher, die Herren Bellamy, Howard und Wolstenholme. Kaum hatte man im altehrwürdigen Admiralspalast in der Berliner Friedrichstraße den großen Lüster gedimmt, schallten auch schon die ersten Akkorde von der blank gewienerten Bühne, und unter frenetischem Jubel des komplett ausverkauften Saales begannen die drei Engländer mit dem Set ihres kurzfristig angesetzten und (vermeintlich) geheim gehaltenen Vorabkonzertes. Gerade mal gegen Mitte letzter Woche hatte sich die Kunde davon durchs Internet und von Mund zu Mund eingefleischter Fans gearbeitet, Karten gab es Donnerstag Vormittag ab 10 Uhr nur über Ticketonline sowie daran angeschlossene Verkaufsstellen – und Gerüchten zufolge lediglich ganze 12 Minuten lang. Danach waren auch schon alle in der großen, weiten Welt verschwunden. Eigentlich aber nicht weiter verwunderlich, schließlich ist das Konzert in der o2-World am 29. Oktober schon seit längerem ausverkauft, und diese Errungenschaft Berlins schluckt an guten Tagen mal eben schlappe 17.000 Besucher. Dass Karten hierfür trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) auf einschlägigen Verkaufsplattformen inzwischen zu astronomischen Preisen gehandelt werden, war also nur noch ein Grund mehr, sich über den kleinen zusätzlichen Gig zu freuen und ein ergattertes Kärtchen würdigend in den Händen zu halten.
Dennoch stellte sich im Laufe des Abends dann eine gewisse Verwunderung, wenn nicht sogar Irritation ein. Gut, die leeren Sitze auf Balkon und Rang ließen sich damit erklären, dass es viele einfach nicht auf den Stühlen hielt, und sie daher entweder gen Brüstung strebten oder gleich einen Weg fanden, auf das überaus begehrte Parkett zu gelangen. Aber just auf diesem wollte nicht so recht Stimmung aufkommen. Abgesehen von einem kleinen, energiegeladenen Grüppchen vor Bassist Christopher Wolstenholme und vereinzelt begeistert mitwiegenden Einzelpersonen, stand der größte Teil dort unten doch relativ still und bedächtig. Woran es lag, ist schwer zu sagen – an MUSE selbst eigentlich kaum. Denn die rissen sich nun wahrlich sämtliche Beine aus, zogen die Hits der ersten vier Alben aus der englischen Melone, streuten Songs dazwischen, von denen man noch nicht mal mehr zu hoffen gewagt hatte, sie – schon allein aufgrund der inzwischen immensen Popularität der Band – nochmal oder überhaupt live sehen zu dürfen (ein fantastisches ‚Cave‘ beispielsweise oder auch ‚Spiel mir das Lied vom Tod‘, eingepustet von Wolstenholme), und quirlten all das schließlich noch ordentlich mit einem kleinen Ausschnitt aus The Resistance durch, dem lange und sehnsüchtig erwarteten fünften Studioalbum, das in Deutschland am 11. September und somit sogar noch vor England auf seine Hörer losgelassen wird.
War es also auch dort unten reine Verzückung, die zumindest weiter oben auf den Gesichtern zu sehen war? Oder Perplexität, die sich jedes Mal wieder einstellt, wird man Zeuge davon, welche unglaublichen Töne die immense Range von Bellamys Stimme aus seinem doch vergleichsweise schmächtigen Körper hervorzaubert, während er, bestückt mit silbern glänzenden Schühchen, die irgendwie viel zu groß aussehen, über die Bühne wirbelt und auch seiner Gitarre alles mögliche und unmögliche abringt? Vielleicht also tatsächlich schlicht die Musik, die oft wirkt, als verberge sich ein halbes Orchester dahinter und nicht „nur“ diese drei sympathischen Kerle Anfang Dreißig, die in manchen Momenten so aussehen, als wären sie selbst noch immer am meisten von dem überrascht, was sie da so tun. Und vor allem – welchen Effekt sie damit erzielen, während sie fast schon ein bisschen verloren gehen auf den langen Dielen des Admiralspalast, und statt große Reden zu schwingen, lieber die Musik sprechen lassen.
Man mag sie sich also nicht ganz in der o2-World vorstellen und genießt lieber andächtig diese seltenen Augenblicke, in denen man noch einmal in kleinem Kreis hinwegschweben kann. Das Zusammenspiel von Räumlichkeit, Soundanlage und Band waren optisch und besonders akustisch meisterlich. Selten findet man einen so reinen und optimal abgemischten Klang, das eigentlich sonst eher nicht auf derartige Veranstaltungen ausgelegte Theater hat eindrucksvoll bewiesen, dass es mehr kann. Unterstrichen wurde dies zusätzlich durch das klare Bühnenbild, das sich auf Band und Instrumente beschränkte (schön: das weiße Klavier, das Herrn Bellamy nach Bedarf zugeschoben wurde) und zusätzlich von einer dezenten und stimmigen Lichtshow untermalt wurde. Lediglich zum Finale wurden die großen Geschütze rausgekramt, und vor MUSE fiel zu den kraftgeladenen Tönen von ‚Knights Of Cydonia‘, und wie es sich für das Ende eines fabulösen Stücks gehört, der Nebelvorhang.
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Fotos © Verena Gistl, Trinity Concerts
Autor: [EMAIL=verena.gistl@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Verena Gistl[/EMAIL]