Nauvoo – Restoration

Wer glaubt, das kleine Genre des Dungeon Synth sei satanistisch, gar atheistisch, der irrt. Das neue Projekt NAUVOO aus Jackson versteht sich als „christlich“ und vertont allen ernstes den Ursprungsmythos des Mormonentums. Zwar haben einige Popsänger und -sängerinnen wie JEWEL oder CHRISTINA AGUILERA mormonische Wurzeln, doch über diese sogenannten Freikirchen ist außerhalb der USA wenig bekannt, obwohl es z.B. in Deutschland immerhin rund 40.000 Mormonen in etwa 180 Kirchgemeinden gibt.

Das erste Stück „The Night Before the Morning“ beginnt geheimnisvoll und entwickelt sich zu einem ordentlichen Dungeon Synth-Track. „A Prayer In The Woods“ lässt uns die göttliche Ansprache an den Schatzsucher und selbsternannten Propheten Joseph Smith, von Hause aus Presbyterianer, hören. Diese angebliche „erste Vision“ des 14jährigen Joseph soll sich 1820 in einem Wald in New York zugetragen haben. Der Artist Nauvoo gestaltet die Musik entsprechend feierlich. Allerdings sind sich die Chronisten hierzu nicht einig. So könnte es, wenn überhaupt auch einige Jahre später stattgefunden haben, begann Smith die Veröffentlichung seiner angeblichen Neuoffenbarungen doch erst 1827. 

Das Cover-Artwork zeigt seinen behaupteten Fund goldener Tafeln von 1823 dank dem Engel Moroni, der ihm das Buch Mormon, eine Art amerikanisches Evangelium, mitgeteilt haben sollen. Damit begann seiner Meinung nach die „Wiederherstellung“ (Restoration) der wahren Kirche Jesu, während er alle anderen Kirchen für gescheitert ansah. „Taught By Angels“ ist ebenfalls gelungener mystischer Synth. Ein freundliches Lied ist zudem seiner Frau Emma Hales gewidmet („Emma“). Er zog mit seiner neuen Kirche später nach „Kirtland“ in Ohio um, von wo er später nach Missouri vertrieben wurde. Hier gründeten die Mormonen ihre erste Stadt „Nauvoo“.

Die Anfangsjahre des Propheten Joseph ähneln damit extrem denen von Mohammed. Nachdem dieser durch den Erzengel Gabriel die ersten Teile des Koran erhalten hatte und den Auftrag, die allerletzte und wirklich wahre Religion zu verbreiten, wurde seine Frau Chadidscha seine erste Anhängerin, sprich Muslima. Später wurde auch er von einer aufgebrachten Bevölkerung vertrieben. Ähnlich wie sich der Islam nach Mohammeds Tod in Nachfolge-Konflikte zerstritt, spalteten sich auch die Mormonen nach Smiths Tod in verschiedene Freikirchen und Sekten auf.

Erst im letzten Jahr veröffentlichte etwa Netflix die Doku Sei lieb über die Fundamentalistische Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (FLDS), die offenbar v.a. existiert, um ihren Gurus möglichst viele Ehefrauen und -mädchen zu ermöglichen. Und ja, auch die Vielehe kennen wir aus der „islamischen Welt“. Eine andere Netflix-Doku namens Pfadfinderehre vom September 2023 zeigt die Verzahnung der Mormonen mit den amerikanischen Pfadfindern, von denen im 20. Jahrhundert Zehntausende Jungen missbraucht wurden. Das wiederum ähnelt dem „Knabenspiel“-System aus der „islamischen Welt“.

Nauvoo hat hier ein sehr schönes Album geschaffen. Schade eigentlich, dass er es vollständig in den Dienst eines solchen Kults stellt, der immer wieder wegen Amerika-Vergötzung, Rassismus und Homophobie auffällt. Kritische Bands wie THE LATTER DAY SKANKS klagten bereits die Pädophilie von „Kirchen“ wie der FLDS an („Son Of Perversion“).

 

Nauvoo
Restoration
(Selbstvertrieb)
VÖ: 01.11.2023

Album auf Bandcamp

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