Sein bestes Album seit „The Rhythm Of The Saints“.
Aufatmen. Ich hatte wirklich Angst, diese Platte zu hören. Die Gefahr, dass So Beautiful Or So What das Andenken eines großen Musikers kaputt macht, stand schließlich im Raum. Andererseits hab ich an das Spätwerk wichtiger Musiker der 60er-80er nie große Erwartungen. Umso überraschender, dass ich während des ersten Hörens nicht mit hochgezogenen Augenbrauen und unter einem vorsichtigen Rundumblick, ob jetzt hoffentlich niemand gesehen hat, dass ich mir das angehört hab, den Stop-Knopf gedrückt habe.
So Beautiful Or So What ist so klar wie PAUL SIMON seit eh und je war, und man wundert sich wieder, wie er mit mittlerweile 70 Jahren immer noch diese Stimme haben kann. Doch es ist alles noch da. Nach den letzten zwei Alben (You’re The One 2000 und Surprise 2006), die man besser aus dem Gesamtwerk streichen sollte, könnte man aber auch sagen: Es ist alles wieder da. Es ist, als wäre seit Graceland kein Tag vergangen. Die Platte, die wohl einen der Höhepunkte in SIMONs Karriere markiert, hat Spuren bei Bands wie The Shins oder (unüberhörbar) Vampire Weekend gelassen. Jetzt hat PAUL SIMON seine Vorliebe für Weltmusik, Gospel und alten R’n’B wiederentdeckt und wie als Selbstzitat erneut mit den Pop-Songs verbunden, die seiner Feder entspringen. Er benutzt westafrikanische Kora-Harfen, Djembé-Trommel und eine Bambuspfeife namens Anklung, Tabla-Trommeln und Lehm-Schüsseln. Bass gibt es so gut wie gar nicht. In ‚Getting Ready For Christmas Day‘ wagt SIMON sich das erste mal ans Samplen und mischt eine Predigt von 1941 unter den Song.
Wie viele seine Altersgenossen könnte PAUL SIMON sich in seinen Texten Sorgen um die Welt, um sich und sein Erbe machen. Macht er aber nicht. Er denkt zwar nach über das Konzept Himmel, stellt den aber eher wie ein Arbeitsamt da. Er fragt sich nicht, ob er das Seelenheil erreicht. Ihn wurmt viel mehr, was er im Nirvana mit sich anfangen soll.
SIMON versucht nicht, das 21. Jahrhundert in seine Songs einzubauen. Für jemanden, der seit 1953 Musik macht, wäre das auch einfach merkwürdig. Und so ist So Beautiful Or So What eher ein Fund in Papas Plattenschrank (selbst das altmodische 10-Song-Konzept wurde wieder aufgegriffen) als ein Release von 2011. Das ist richtig so. Dieses Album ist zum Glück „so beautiful“ und nicht „so what“.
PAUL SIMON live am 11.07.11 in der Zitadelle Spandau
PAUL SIMON
So Beautiful Or So What
(Concord/ Universal)
VÖ: 08.04.2011
www.paulsimon.com
Autor: [EMAIL=melanie.gollin@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Melanie Gollin[/EMAIL]