Der Abend, an dem man Regina Spektor fast nicht sah.
Mit ein wenig Drängeln kommt man zu einer an der Seite gelegenen, leicht erhobenen Plattform, von der aus sich die vermeintlich beste Sicht auf das ganze Geschehen bietet. Der erste Blick von dieser Position bestätigt, was das Schild am Eingang schon verriet: der Postbahnhof ist „ausverkauft“. Eine altersmäßig bunt zusammengewürfelte Klientel zeigt sich als Abnehmer der Karten und in bester Laune, bevor die Hauptakteurin die Bühne überhaupt betreten hat. Die aufgeheizte Stimmung im gut klimatisierten Konzertbereich des Berliner Fritzclubs kulminiert in heftigem Klatschen, als erst die Liveband und dann schließlich REGINA SPEKTOR selbst die Bühne betritt.
Während die Protagonistin ihren angestammten Platz am Klavier einnimmt, finden sich die drei Unterstützer hinter Cello, Violine und Schlagzeug ein. Beim ersten Song fallen einem gleich mehrere Dinge auf: Sound ist super, die Stimme exzellent, das Publikum kuschelig, Drummer und Streicher hervorragend und der hochgeklappt Flügel vom Tasteninstrument Sicht gefährdend. Ja, wohl die gesamte Gefolgschaft, die sich rechts in der Nähe des vermeintlich die Sicht fördernden Podests oder auf ihm befand, sah wohl mehr Korpus eines Flügels als Front der Spektor. Dieses Problem fand auch nach tosendem Applaus für den Opener erstmals verbal Anklang. Neben einem von einem männlichen Zuschauer ausgehenden hysterischen „Reginaaaa“, welches ein herzhaftes Lachen im gesamten Saal und bei Mrs. Spektor hervorrief, artikulierte eine junge Dame lauthals ihren Missmut: „“Regina, I can’t see you“. Die prompte Antwort: „It’s no problem, honey, I can’t see you either“. Wohl wahr! Genau das ist der unbeirrbare Charme der Sängerin, der diesen Abend die Nichtsehenden bestens vertröstet.
Ein tiefes Einatmen vor dem nächsten Song. Wirkliche Nervosität? Wer weiß das schon schon? Auf alle Fälle jedoch kommt sie in allem, was sie macht, absolut bodenständig und ehrlich herüber. So funktioniert die Interaktion zwischen Musiker und Rezipient einwandfrei: sie lacht mit den Leuten, z.B. über ein Heiratsantrag aus dem Publikum, es ist wieder derselbe hysterische Typ, nach jedem Song ein zaghaftes Danke begleitet von stürmischem Klatschen – mit Humor und Bescheidenheit gewinnt sie die Herzen der Masse. Dass dabei musikalisch alles zweifelsfrei perfekt ist, wirkt schon wie ein erwarteter Standard. Den Beweis für ihr vollendetes Können liefert die New Yorkerin mit einer Vielzahl von Songs des neuen Albums Far (