Am 3. Oktober 2001 erschien der Soundtrack zum Horror-Action-Adventure-Game Silent Hill 2, das bereits im September 2001 veröffentlicht worden war. Der komplett instrumentale Soundtrack, wurde von Akira Yamaoka komponiert.
Nun, da nach Verschiebungen doch die Veröffentlichung des Remakes im Frühjahr 2024 ansteht, gilt es, sich über den Wert des außerordentlichen Spieles im Klaren zu sein: Hier wurde Psychoanalyse zu Popkultur.
Zum einen ist da die untypische Heldenreise des Protagonisten James Sunderland, die sich als Entwicklung einer Psyche heraus aus ihrer Gender-Krise beschreiben lässt. Diese wird metaphorisch ins Okkulte versetzt, wodurch sich Silent Hill 2 von den anderen Teilen der Serie, die eine Hauptstory verfolgen, unterscheidet. Silent Hill ist in Silent Hill 2 eine verfluchte Stadt, die schuldbeladene Menschen zu sich ruft und mit Monstern, die deren Ängste und Triebe verkörpern, quält. Diese Neuinterpretation des Höllenmotivs lässt sich laut der Feministin Vrai Kaiser mithilfe der Lacanschen Psychoanalyse verstehen: Durch verschiedene Spielenden gibt das Game dem Spieler Hinweise darauf, wie die Therapie des Subjekts funktionieren kann. James Sunderland hat aus Sexismus einen Femizid an seiner Frau Mary begangen, wird bestraft und verwandelt sich im besten Falle in einen neuen Mann.
Die Verwirrung in der unheimlichen Stadt wird mit TripHop-Songs wie „A World Of Madness“ oder „Alone In The Town“ hörbar. Die Angriffe der Monster werden durch Dark Ambient wie etwa bei „Ashes And Ghost“, „The Darkness That Lurks In Our Mind“ und „Block Mind“ untermalt. Die Elektronik unterstreicht das maschinenhafte Dasein der automatisch agierenden Ungeheuer.
Zum anderen bietet der Philosoph Slavoj Žižek einen psychoanalytischen Blick auf zwei Nebenfiguren – die Frau Maria und das kleine Mädchen Laura: In seinem aktuellen Werk Die Paradoxien der Mehrlust schreibt er über den Science Fiction-Film Solaris (1972) und die Netflix-Mystery-Serie Katla (2021). In Solaris ist es ein Planet und in Katla ein Vulkan, die die geheimen Wünsche der Menschen als Fake-Menschen („Wechselbälger“) materialisieren. Solaris kann damit als direktes Vorbild für Silent Hill 2 gelesen werden: Auch hier erscheint eine Doppelgängerin der toten Ehefrau sowie ein kleines Mädchen als Hinweis auf deren Tod. Beide sind geisterhafte Erscheinungen ohne eigenen Sinn. Žižek behauptet nun, dass dies der Status eines völlig Ich-entleerten Subjekts ist: nur ein Traum bzw. Symptom für jemand anderen zu sein. So ist Maria nur ein sexy Ersatz für die tote Mary und Laura eine mögliche Adoptivtochter für James.
Die Figur Maria ist nicht nur auf dem US-amerikanischen Cover des Soundtracks zu sehen, wie sie auf dem Boden des Clubs Heaven’s Night liegt, für den Yamaoka eine verschrobene Loungemusik geschrieben hat. Auch beschäftigt sich der Bluesrocker „Love Psalm“ und der kühle Ambient-Titel „Noone Loves You“ mit ihr.
Laura taucht mit dem Gothicrocker „Theme Of Laura“ und dem Elektro-Klavier-Stück „Laura Plays Piano“ auf.
Der Silent Hill 2-Soundtrack hat in letzter Zeit zudem mehrere Remixe wie auch Neuinterpretationen hervorgebracht: In My Restless Dreams… EP (2023) von BILLY COBB, Silent Dreams EP (2022) von KITTY GORE, Our Special Place (2022) von SILENT HILL TOURISM OFFICE, Silent Hell™ 2 (2017) von SILENTSILENT oder Silent Hill 2 Wave OST (2019) von YSIWTOO.
Akira Yamaoka
Silent Hill 2 Original Soundtracks
(Konami)
VÖ: 03.10.01