Die Kinofilme Der Herr der Ringe I-III haben den Charakter Gollum zur Kultfigur werden lassen. Jetzt, wo sich Amazon den Tolkien-Mythos mit einer Milliarde US-Dollar für die Serie Die Ringe der Macht anzueignen versucht, ist es ratsam, sich auf das Werk zu konzentrieren. Während Die Ringe der Macht auf dem Silmarillion beruhen und so die Vorgeschichte zum Hobbit und zum Herrn der Ringe darstellen, ist die Geschichte des Hobbits Sméagol, der zur Kreatur Gollum wird, das Bindeglied zwischen dem Silmarillion und dem Hobbit. Tolkien verdeutlicht damit genial die Verbindung zwischen einem individuellen Einzelschicksal und Weltpolitik. So hängt die gesamte Zukunft des Kontinentes Mittelerde von dem einen Ring und dem Verhalten Sméagols/Gollums ab.
Der argentinische Musiker LOUIS GLIMMEN hat sich der Story angenommen. Als Solo-Black Metal-Projekt SMEAGOL’s FATE hat er im August 2022 bereits eine selbstbenannte Debüt-EP veröffentlicht. Diese bestand aus drei akustischen Black Metal- und drei Dungeon Synth-Stücken, die für die Gefühle des Hasses und der Einsamkeit standen. Nun verdeutlicht er die unheilvolle Entwicklung mit sechs richtigen Songs.
Kalte, harte Gitarrenseiten beginnen „The Birthday“, bevor die Metalgitarren über den Hörer hereinbrechen. Es folgen Dungeon Synthies und Drums. Die Strophe wird mit geflüsterten, deutlichen Lyrics bestritten, was einen Gothic-Touch hereinbringt.
Die spärlichen Lyrics drehen sich um die Machtgier. Die bestimmt die Geschichte: An seinem Geburtstag fahren Sméagol und sein Vetter Déagol zum Fischen auf einen See. Als ein Fisch anbeißt, wird Déagol ins Wasser gezogen, wo er den Ring der Macht findet und ihn an Land bringt. Sméagol wird vom ersten Blick darauf in dessen Bann gezogen und verlangt den Ring als Geburtstagsgeschenk. Als Déagol sich weigert, wird er von Sméagol umgebracht. Diese Ursünde begründet vergleichbar mit der christlichen Geschichte der Brüder Kain und Abel den Ringkrieg des Dritten Zeitalters, denn der Ring Saurons ist wieder aufgetaucht und wird später zur entscheidenden Waffe für die Hobbits Bilbo und Frodo Beutlin.
Doch zurück zu Sméagol: Dieser ist in „Dead Friend“ hin und hergerissen zwischen Schuldgefühlen gegenüber dem toten Déagol und dem Ring. Dem verfällt er in „Precious“ vollkommen: „What is this? Who I am?“ War Schneewitchens Stiefmutter eine der wichtigsten Narzistinnen der Kulturgeschichte, ist die Figur Gollum wohl einer der bekanntesten Schizophrenen und auch Objektophilen. Tolkien spielt hier mit Objekt-Lust und Machtgier. Demnach ist Sméagol sein Symbol für einen Menschen, der aufgrund seiner zügellosen Triebe zum Monster wird. In „Creeping“ ist diese Transformation vollzogen.
Spannend ist auch die Instrumentierung: In „Precious“ werden die rasenden Riffs von den Synthies gebunden. In „The Outcast (To My Darkness)“ rennen die Drums davon. Das Album schließt mit dem atmosphärischen Dungeon Synth-Track „Exiled“, denn der nur noch böse murmelnde Sméagol wird schließlich von seinem Volk vertrieben. So tragödienhaft kann Metal sein.
Smeagol’s Fate
Exiled
(Selbstvertrieb)
VÖ: 15.09.2022