The Graphic Canon – Weltliteratur als Graphic Novel

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Knapp 380 Seiten: Der neue Graphic Canon macht zunächst einen gigantischen Eindruck. Es ist bereits der zweite Band von Herausgeber RUSS KICK, der mit dem Untertitel „Weltliteratur als Graphic Novel“ Großes ankündigt – und in der Tat: Mit 44 Werken des 19. Jahrhunderts, darunter Romane, Komödien, Gedichte, Briefe und Satiren von Goethe, Wilde, Poe oder Dostojewski, adaptiert von 42 Künstlerinnerinnen und Künstler, wird der Name Graphic Novel durchaus ernst genommen.

Sein Versprechen, die Literatur der Welt darzustellen, hält der Kanon bei genauem Hinsehen jedoch nicht. Fünf Sprachräume werden abgedeckt: der englische, französische, russische, deutsche und dänische. Einige deutsche Literaten wie GEORG BÜCHNER oder E.T.A. HOFFMANN hatte man für die deutsche Ausgabe noch hinzugefügt. Dennoch erweist sich die Auswahl als klar anglo-amerikanisch dominiert.

Jane Austen - Stolz und Vorurteil
Jane Austen – Stolz und Vorurteil

Davon abgesehen glänzt der neue Band mit einer Vielzahl an Zeichnungen und Publikationen der letzten zwanzig Jahren, die von der Bandbreite aktueller Spielarten des Metiers zeugen. Fast jede Seite präsentiert neue Einfälle in Bildkomposition, Stil und Farbgebung: von klassischen Panel-Comics bis hin zu großflächigen, bunten Illustrationen. Im besten Fall dienen literarischen Werke dabei als Vorlage, die auf ihren Witz hin untersucht werden. So gelingt es MARTIN ROWSON mit seinen ebenmäßigen Panels, den „Tristram“ nicht nur nachzuerzählen, sondern spielerisch Ebenen und humorvolle Details hinzuzufügen. HUXLEY KING bindet Lettering und Visualität der Epoche ein, während ALEXANDRA KARDINAR und VOLKER SCHLECHT auf klassische Buchillustrationen setzen.

Gordon Byro - Sie geht in Schönheit
Gordon Byron – Sie geht in Schönheit

Doch nicht in jedem Fall führt die „kaleidoskopische Herangehensweise“ zu gewinnbringenden Adaptionen, die sich von ihrer Vorlage emanzipieren. Inmitten guter Einfälle erweist sich ein Teil der Grafiken leider als reine Reduzierung von Literatur. Begegnen einem dann seitenumfassende, textlose Einzelbilder, muss man sich fragen, ob der Begriff Graphic Novel nicht zu breit gefasst wurde. Sieht man den Graphic Canon jedoch eher als Streifzug durch das 19. Jahrhundert und Versuch, ein Porträt vom aktuellen Weltcomic zu zeichnen, kann dieser vielfältige Band durchaus Freude bereiten.

THE GRAPHIC CANON, Band 2
Russ Kick
(Galiani Berlin)
VÖ: 03.12.2015

Die Buchpremiere findet heute um 19:30 Uhr im Salon Karl-Marx-Buchhandlung statt. Hier geht’s zum Facebook-Event!

www.galiani.de

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