The Midnight – Endless Summer (5 Year Anniversary Edition)

Rückblickend, was machten eigentlich THE MIDNIGHT da? Ihr erstes Album Endless Summer erschien im Sommer 2016 auf dem Höhepunkt der 80er-Retromanie und ist ein gutes Dokument dafür. Netflix hatte gerade die Retro-Mysteryserie Stranger Things herausgebracht, Retrogaming war überall und das Underground-Genre Vaporwave eroberte das Netz. Da passte diese Synthiepop-Revival-Platte wie die Faust aufs Auge.

Denn auch andere Synthiewaver wie FM-84 oder NEW ARCADES waren Mitte der 2010er am Start. Während etwa die Visionärin GRIMES in neue Welten des Elekropop vorstoßen wollte, setzten diese konsequent auf Retrofuturismus. Fünf Alben haben The Midnight seitdem veröffentlicht zuzüglich zahlreicher Remixe, die sie selbst befeuerten, indem sie sämtliche Instrumentals und Stems ins Netz stellten. TYLER LYLE aus Los Angeles und der dänische Produzent TIM MCEWAN schufen massenweise Songs, bei denen es müßig wäre, aufzuzählen, welchem 80er-Klassiker dieser oder jener ähnelt. Dieses Konzept besteht übrigens schon seit 2014, als sie ihre erste EP Days of Thunder veröffentlichten.

Das Titelstück startet amtlich mit einem einrastenden Kassettendeck, Game-Synthies und einer PC-verzerrten Frauenstimme: „Should have known at the end of summer. The innocence fades and the weak become stronger.“ Es ist die Sehnsucht nach der eigenen Kindheit, die sich hier Bahn bricht. Lyle singt seine Lyrics leidenschaftlich, bevor die 80er-Synthies sich groß und episch aufbauen. So lieben es die Fans. Die treibenden Beats würden jeden Zockerabend anstacheln.

Auf „Sunset“ verwöhnt JOHANNES JORGENSEN mit E-Gitarren und THOMAS EDINGER auf „Jason“ mit Saxophon. Für „Jason“ hatte die Band außerdem die Indiesängerin NIKKI FLORES gewonnen. Das Bandkonzept fasst Lyle in „Synthetic“ so zusammen: „Trying to turn the old into something new.“ Die Betonung liegt hier auf „trying“, denn tatsächlich passiert hier ja genauso viel Neues wie etwa bei STEEL PANTHER für den Rock. Während etwa DAFT PUNK French House und Elektrofunk tatsächlich erneuerten, werden hier die altbekannten Synthies wieder und wieder durchexertiert. Im Frankfurter Jargon: Kitsch parodiert die Katharsis.

Es sind reine Genussprodukte ohne nachhaltigen Wert, die hier geschaffen wurden, egal ob es die Melodien, Elektroelemente oder das Saxophon sind („Vampires“, „Memories“), nach denen die Hörer heutzutage hungern. Mit dem HipHop-Zeitalter ist es kalt und verwirrend geworden. Da ist der Wunsch, in einfache soziale und musikalische Verhältnisse zurück zu kehren. Auch die ruhigen Bonustracks „Comet“ und „Bend“ erfüllen ihn. „Lonely City“ ist hier die einzige Ausnahme, die auf Hyperpop verweist. Wer die 80er nicht mochte oder im 21. Jahrhundert aufwuchs, dürfte gähnen.

 

The Midnight
Endless Summer (5 Year Anniversary Edition)
(The Midnight Music, LLC)
VÖ: 24.06.2021

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Live

05.05.22, Frankfurt, Union Halle

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