The Secret Chord – Tranquility Base (Deluxe Version)

„Now I’ve heard, there was a secret chord, that David played and it pleased the Lord.“ – So beginnt LEONARD COHEN 1984 sein mystisch-religiöses Poprock-Stück „Hallelujah“. Unzählige Musiker haben es gecovered, darunter BOB DYLAN, JOHN CALE, JEFF BUCKLEY, RUFUS WAINWRIGHT, REGINA SPECTOR, BONO (U2), BON JOVI und CHESTER BENNINGTON von LINKIN PARK. Nun hat sich ein schwedisches Synthiepop-Projekt nach dem geheimen Akkord benannt, den der biblische König David spielte, um Gott zu erfreuen. Wichtiger als dieser inhaltliche ist eher der zeitliche Bezug: JOAKIM PAULSSON aus Mjölby feiert die Musik um 1984, um der heutigen Musik den Rücken zu kehren.

Das feierliche Eröffnungsstück des Debüts Tranquility Base namens „This Is It“ kommt rein instrumentell mit ausladenden Synthies und zarter Gitarreninstrumentierung daher. Dann startet das rührselige „Back In Time“. Hier meldet sich IDA TROSELL zu Wort, die als Leadsängerin fungiert und den sehnsuchtsvollen Liedern mit ihrer hellen Stimme noch mehr Glanz verleiht. Sie zählt Popkultur-Elemente auf, an die sie sich glücklich zurückerinnert. Natürlich ist da sofort die „Nichts-Ist-Für-Immer“-Ideologie: „I know that nothing stays the same. I really miss those times!“ Synthies und Popkorn-Kino (Zurück in die Zukunft, 1985) – wer hier eine Träne verdrückt, ist ganz drin in der 80er-Retromanie. Diese hat ganze Musikgenres hervorgebracht wie den Retrowave (THE MIDNIGHTNEW ARCADES, …). Paulsson stellt sich dieser Konkurrenz, in dem er genau wie sie nicht versucht, den Synthiepop der 80er nachzumachen, sondern die Erinnerung an ihn zu perfektionieren.

Und tatsächlich brach in den 90ern ja eine gewisse Tradition verträumter Melodien ab, denn schon MADONNA hatte den HipHop in den Pop integriert. Der Pop wurde daraufhin Plastik, der Rock wurde härter (Grunge). Dieses Gefühl, dass früher alles besser war, ist als unpolitische Nostalgie, ja konservative Regression verschrien. Doch könnte es auch zum Handeln motivieren? Ist man nicht in der falschen Zukunft gelandet? Der schwedische Sänger JOHANNES KOTSCHY würde im traurigen „How Do We Move On?“ am Liebsten in den DeLorean steigen und die Fehler der Vergangenheit rückgängig machen: „Where do we go from here? Can we stop what’s stopping here? I just wanna turn back time.“ Liberale und Konservative stehen im 21. Jahrhundert vor einem Scherbenhaufen. Sie haben es zugelassen, dass die Neoliberalen das Recht mittels Freihandel aushebeln, damit es die Rechtskonservativen ganz abschaffen. Die so unschuldig wirkende kommerzielle Popmusik beruhte ja auch auf der imperialen Lebensweise, die mit dem Freihandel erkauft wurde. Dieser Kulturimperialismus hat die Umwelt mit zerstört, die man in „End Of Anthropocene“ betrauert.

Zu Beginn von „When We’re Dancing“ erklingt ein bekannter Rhythmus. „The Safety Dance“ von MEN WITHOUT HATS (1982) war ein New Wave-Hit, der sich verrückterweise im Musikvideo auch noch in das British Folk Revival der 80er einordnete. Paulsson und Trosell machen aus dem Dance-Kracher wieder einen wehmütigen Song. Dass dies dem Titel nicht gerecht wird, scheinen sie selbst zu ahnen und setzen in der Deluxe Version des Albums noch fünf Remixe dazu.

In „Fairytales“ zieht sich Ida die langen Kleider von 80er-Diven wie KATE BUSH und BELINDA CARLISLE an. Und wenn das nicht süß genug ist, muss auch noch Weihnachten bemüht werden („Christmas On The Moon“). Mit dem instrumentellen „Apinae“ zeigt Joakim jedoch, dass er handwerklich mit den schwergewichtigen Synthies alter Tage umzugehen weiß. Sein Debüt klingt viel versprechend und erfüllt wohl die Ansprüche, die er selbst an ein 80’s-Revival stellt.

 

The Secret Chord
Tranquility Base (Deluxe Version)
(Aztec Records)
VÖ: 13.11.2020

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