THE TEARS – Here Come The Tears


Mir kommen die (Freuden-) Tränen: ANDERSON/BUTLER, eines der kreativsten britischen Songwriter-Duos nach Morrissey/Marr, glänzen mit der besten SUEDE-Platte seit ‚Dog Man Star‘.



Fiel die Reaktion der britischen Presse angesichts dieses überraschenden Comebacks des einstigen, bereits nach dem zweiten Album im Streit auseinandergebrochenen Songwriter-Nukleus einer der glamourösesten Bands des 90er-Britpops auch – wie so oft in derartigen Fällen – mal wieder eher verhalten aus, dürften alle, die insbesondere SUEDEs selbstbetilteltes Debüt sowie den Nachfolger Dog Man Star als zwei der wichtigsten und schönsten Alben britischer Gitarrenmusik der letzten 15 Jahre betrachten, mit hektischer Betriebsamkeit und schweißnassen Händen auf die Nachricht von der kaum mehr für möglich gehaltenen Zusammenarbeit des einstigen Indie-Boygroup-Pärchens BRETT ANDERSON und BERNARD BUTLER reagiert haben.

Nach dem Ausstieg von BUTLER veröffentlichten SUEDE bekanntlich einige weitere, sehr ordentliche Alben, die zwar nicht mehr ganz die kohärente Brillanz der ersten beiden epochalen Platten erreichten, aber mit einzelnen Songs wie ‚Trash‘, ‚Beautiful Ones‘, ‚Saturday Night‘ oder ‚She’s In Fashion‘ durchaus immer wieder in Reichweite der früheren ANDERSON/BUTLER-Glanztaten kamen.
Seit gut einem Jahr machte also die breaking news von der Versöhnung der beiden einstigen Streithähne die Runde, und nun liegt also tatsächlich das Debütalbum unter dem neuen Bandnamen THE TEARS vor.

Gleich mit der hervorragenden ersten Single, dem Album-Opener ‚Refugees‘, wird auf Here Come The Tears der Weg eindrucksvoll vorgezeichnet, erinnert der Song doch in seiner schwungvollen Eingängigkeit gleich mal an SUEDE-Perlen wie ‚We Are The Pigs‘ oder ‚Trash‘. Thematisch wird der idealisierte Wir-gegen-die-Welt-Romantizismus der Zweierbeziehung – definitiv ein Lieblingstopos von ANDERSON – besungen, der sich wie ein roter Faden durch den überwiegenden Teil der Songs zieht, allerdings zwischen der größtenteils ansprechenden Bildhaftigkeit auch schon mal von etwas allzu simpel anmutenden Platitüden durchsetzt ist.

Der früher übertrieben ausformulierte Hedonismus inkl. damit fast schon zwingend einhergehender Lebensangst und depressiver Düsternis weicht nun dem Blick aufs Alltägliche, mit dem Liebesideal in all seinen negativen und positiven Facetten als existenzieller, jetzt aber meist optimistisch konnotierter Triebfeder. (Musikalischer) Hedonismus schimmert allenfalls in den wenigen opulenten, pompös arrangierten Songs wie ‚The Ghost Of You‘ oder ‚A Love As Strong As Death‘ durch, und natürlich darf man sich genau dann auch wieder an dem von herrlig schwülstiger Larmoyanz kaum zu übertreffenden Timbre von BRETT ANDERSON weiden, dessen Stimme wie schon auf der letzten Suede-Platte A New Morning insgesamt aber deutlich rauer klingt als noch in den glamourösen und dandyesken Anfangstagen von SUEDE, als ANDERSON seiner zunächst bewusst eingesetzten Spielerei mit androgyn-gefärbten Versatzstücken inklusive nebulöser Geschlechter-Präferenz auch stimmlich gerne übertriebenen Ausdruck verlieh.

Seine ergreifenden Vocals werden in bekannt grandioser Manier von den meist wundervoll im Hintergrund, melodiös-rotierenden, gelegentlich auch forsch rockenden Wahnsinnsgitarren von BERNARD BUTLER untermalt, und neben den beiden das Album eröffnenden, euphorisch-mitreißenden Gitarrenpop-Smashern ‚Refugees‘ und ‚Autograph‘ lassen sich mit ‚Lovers‘, ‚Brave New Century‘ oder ‚Beautiful Pain‘ noch weitere glückselige Reminiszenzen an die eigene Vergangenheit mit verdächtig hohem Klassiker-Potenzial ausmachen.

Vielleicht war es der Respekt vor den selbst erschaffenen, unantastbaren Meilensteinen des Britpop oder auch vor den anderen Suede-Musikern, doch eine Namensänderung wäre angesichts dieses spektakulären Comebackalbums von BRETT ANDERSON und BERNARD BUTLER nicht zwingend notwendig gewesen, schließt es doch mit einem furiosen Mix aus Glamrock und Britpop nahtlos an die ersten beiden SUEDE-Alben an und begeistert mit einer aus jeder Note zu vernehmenden, im Vorfeld nicht unbedingt erwarteten Spielfreude von hoher Songwriting-Qualität.

THE TEARS
Here Come The Tears
(V2 Records/ Rough Trade)
VÖ: 20.06.2005

www.thetears.org
www.v2records.de

Autor: [EMAIL=thomas.stern@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Thomas Stern[/EMAIL]

FacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmailFacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmail