[B]Noisiger Indierock und instrumentaler Postrock: Die zwei Seiten einer Band mit Anspruch.[/B]
Auf ihrem soeben erschienenen Album ‚Variations‘ setzen TORCHOUS im Gegensatz zum wesentlich noiselastigeren Vorgänger Cut The Plans (mit Gesang) eher auf ruhigere, an Postrock angelehnte, rhythmusbetonte Instrumentalflächen, die ein ganz anderes, nicht minder aufregendes und anspruchsvolles Gesicht einer ambitionierten Band zeigen.
Die Berliner Band gibt es inzwischen seit gut zehn Jahren, eine außergewöhnlich lange Zeit für eine schon zu Schulzeiten gegründete Band, die sich schon früh ihre eigene Nische abseits gängiger Musik- und Marktstandards eingerichtet hat und maßgeblich an der Gründung und Entwicklung der geschmackssicheren Band- und Labelgemeinschaft Sinnbus (mit Bands wie DAS ZUCKENDE VAKUUM – jetzt MASONNE – , DELBO oder KATE MOSH, um nur einige zu nennen) beteiligt war.
Die Band fristete in ihren Anfangstagen ein klassisches Schulband-Dasein, spielte auf Schulfesten und nach und nach kamen auch schon mal kleinere Gigs in der näheren Umgebung hinzu. Nach dem Beginn als reine Coverband und den obligatorischen Besetzungswechseln wurden mit dem Einstieg von Bassist ROON GRAPENTHIN schon relativ früh eigene Songs geschrieben. Einen weiteren entscheidenden Einschnitt gab es dann, als ihr damaliger Sänger die Band verließ und von UWE BOSSENZ ersetzt wurde, der bis dahin nur Gitarre spielte.
Aus rechtlichen Gründen benannten sie sich schließlich von TORCH in TORCHOUS um, und als der damalige 2.Gitarrist 1998 die Band verließ, stieß über die Bekanntschaft zur Berliner Band DAS ZUCKENDE VAKUUM mit PIERRE TÜRKOWSKY der Bruder von deren Bassist MARCEL zur Band, und die bis heute bestehende Besetzung (+ Drummer und Gründungsmitglied THOMAS KUHN) war gefunden.
PIERRE und MARCEL sollten sich, Ironie der Geschichte, beim Auftritt im Rahmen des Sinnbus-Abends im Magnet Club im fairen (und augenzwinkernden) Wettstreit zwischen TORCHOUS und MASONNE Auge in Auge auf den gegenüberliegenden Bühnen später noch musikalisch messen. Zurzeit wird Bassist ROON, der sich für ein halbes Jahr nach Island aufgemacht hat, übrigens von DANIEL (von der befreundeten Band DELBO) kompetent ersetzt.
[B]BiB:[/B] Angesichts Eurer bisherigen Veröffentlichungen und insbesondere der gerade erschienenen neuen Platte Variations könnte der Eindruck entstehen, dass ihr ziemlich viel Wert auf Perfektion legt und unter Umständen ziemlich lange an den Songs herumfrickelt. Trügt der Eindruck?
[B]Thomas:[/B] Es geht nicht gerade schnell, das stimmt schon. Generell sind wir aber in dieser Hinsicht schon schneller geworden, es gibt aber auch Lieder, die zwei Jahre gebraucht haben, bis sie fertig sind, die wir immer wieder in einen Topf geworfen und dann wieder rausgeholt haben.
[B]Uwe:[/B] Perfektion ist vielleicht das falsche Wort, wir möchten einfach erreichen, auch mit zeitlichem Abstand noch von der Qualität des Songs überzeugt zu sein.
[B]Thomas:[/B] Wir versuchen zu vermeiden, ein sich immer gerne schnell einstellendes, allzu euphorisches Gefühl zu sehr überzubewerten, denn oftmals ist es schon so, dass wir nach einem oder zwei Monaten feststellen, dass wir doch nicht so zufrieden sind, wie wir zunächst dachten. Meistens beschließen wir einen Tag im Proberaum auch nicht mit einem komplett fertigen Song, doch wenn er uns am Herzen liegt, wird natürlich weiter daran gearbeitet, alte Ideen nochmal neu aufgegriffen und neue integriert. Eigentlich ist alles immer ziemlich im Wandel und im Fluss, und wir schrauben an einigen Songs schon mal ein halbes Jahr herum, insofern kann man schon von einer gewissen Frickelei sprechen. Unser Ziel ist aber einfach, dass wir mit den Songs auch später noch glücklich sind.
[B]BiB:[/B] Wie läuft denn Euer Songwriting? Habt Ihr ein gemeinsames Konzept, und kommt es diesbezüglich auch schon mal zu Reibereien oder Streitigkeiten?
[B]Uwe:[/B] Es ist schon eine seltsame Konstante in der Band, dass wir eigentlich nie richtig Streit haben, vor allem nicht darüber, welche Musik wir machen wollen. Es hat sich sehr schnell herausgestellt, dass wir einfach etwas verquer sein und nicht dem sonstigen Standard entsprechen wollen. Sicher hatten wir ursprünglich auch – wesentlich mehr noch als heute – Lieblingsbands, die uns beeindruckten und die uns natürlich beeinflussten. Alles andere ergibt sich aus dem gemeinsamen Songwriting und dem kontinuierlichen Proben. Es ist ja auch nicht so, dass es einen oder zwei Songwriter gibt, da sind schon alle involviert.
[B]BiB:[/B] Habt ihr generell gemeinsame musikalische Vorlieben und Lieblingsbands?
[B]Uwe:[/B] Früher schon eher als heute, heute sind die individuellen musikalischen Vorlieben schon wesentlich breiter gefächert. Einigen können wir uns sicherlich alle auf BLONDE REDHEAD aus New York, die wir vor kurzem sogar im Apollo Saal der Staatsoper in Berlin supporten durften, was für uns natürlich ein absolutes Highlight unserer Bandgeschichte war.
[B]Pierre: [/B] Als ich ’98 dazustieß, habe ich halt gemerkt, die haben einfach was Spezielles vor. Ich habe zu der Zeit eigentlich eher Hamburger Schule gehört, habe mich dann aber von der Band beeinflussen und inspirieren lassen und gemerkt, dass es noch andere Musik gibt, die mich begeistert. Das hat mich schon ziemlich stark geprägt.
[B]Thomas:[/B] Die Musikgeschmäcker der einzelnen Mitglieder sind mittlerweile schon sehr divergent, doch wenn es darum geht, zusammen Musik zu machen, gibt es eigentlich kaum Diskussionspunkte.
[B]BiB:[/B] Mit Sinnbus betreibt ihr zusammen mit befreundeten Bands und Musikern euer eigenes Label. Erzählt doch mal was zu den Anfängen und zur Entwicklung.
[B]Uwe:[/B] Mit Sinnbus ging es 1999/2000 los. Einige Bands, die sich teilweise noch aus der Schulzeit kannten und aufgrund der Musik sympathisch fanden, haben sich halt zusammengetan und einige Konzerte zusammen organisiert und gespielt, woraus dann der Kreis mit Bands wie DELBO, SEIDENMATT oder DAS ZUCKENDE VAKUUM entstanden ist. Seidem hat sich natürlich schon einiges entwickelt, auch wenn die Anzahl der Mitwirkenden inzwischen vielleicht sogar wieder zurückgegangen ist. Inzwischen gibt es einen Kern aus ca. 15-20 Leuten, auf die man sich einfach verlassen kann, was schon sehr wichtig ist.
Als das Label professioneller wurde, haben sechs Leute eine GbR gegründet, und diese sechs sind sozusagen der Kern, da bin jetzt nur ich aus unserer Band vertreten. Das ist quasi die Zelle, die die professionelle Arbeit beim Label bewältigt. Wir haben versucht, aus allen beteiligten Bands Leute zu integrieren, es ist jetzt aber auch niemand ausgegrenzt, wenn wir ein Label-Treffen haben, es sind auch immer wieder neue, andere Leute mit dabei.
Labelarbeit hat halt einfach viel mit kontinuierlichem, teilweise stupidem Arbeiten zu tun, vor allem was die Pressearbeit oder den Internet-Auftritt angeht, und das war irgendwann in dem ursprünglichen Sinnbus-Rahmen und dem Lust- und Laune-Prinzip nicht mehr möglich, so dass wir das professioneller aufgezogen haben.
[B]BiB: [/B] Generell kann man aber schon sagen, dass die Sinnbus-Geschichte kontinuierlich wächst, oder?
[B]Thomas:[/B] Es hat sich natürlich schon ein bisschen gewandelt von dem idealistischen Haufen, als noch 30, 40 Leute dabei waren und ganz euphorisch an Veranstaltungen herumgeschraubt haben, zu einem konstanteren und professionelleren Gebilde, unabhängig von der Anzahl der Leute, die ständig variiert. Auch die Art der Sachen, die wir machen, variiert oftmals. Mal ein halbes Jahr Label, mal Veranstaltungen wie das kostenlose Festival ‚Seefahrer‘ (Seefa) an der Wuhlheide und andere, die wir natürlich von langer Hand vorbereiten müssen. Sinnbus gibt es halt inzwischen als abstraktes Gebilde und ist nicht abhängig von der Anzahl an Leuten, die mitmachen
[B]Uwe: [/B] Wenn es in Richtung größer werden geht, dann betrifft das in erster Linie das Label als solches, wir hatten in letzter Zeit schon viele Releases, und momentan suchen wir auch endlich ein Büro. Martin von Seidenmatt hat sein Bett inmitten von CDs und Ordern etc. stehen, das ist das Büro sozusagen. Das geht so jetzt nicht mehr weiter, insofern ist auch dies ein Schritt zur weiteren Professionalisierung der Labelarbeit.
[B]BiB:[/B] Wie wichtig ist es für euch, beim Label ein Freundeskreis zu sein?
[B]Thomas:[/B] Es ist einfach total angenehm und vereinfacht vieles, beispielsweise, dass wir mit Anton (K. Feist) aufnehmen können, der ja auch zum Sinnbus-Kreis gehört. Man kann auch die Grenze nicht so genau ziehen, es ist einfach ein Pool von Leuten, die verschiedene Fähigkeiten und Möglichkeiten haben, und alles funktioniert halt ziemlich unbürokratisch auf Freundschaftsbasis. Es ist schon eine Art von sozialem Netz, wo man sich total gut aufgehoben fühlt, dazu gehören neben den ganzen Musikern außerdem noch Fotografen, Designer oder Tontechniker.
[B]Uwe:[/B] Man fühlt sich auf jeden Fall gut aufgehoben, viele Sachen wären den Bands ohne das Sinnbus-Netzwerk auf jeden Fall nicht möglich gewesen. Durch unsere Veranstaltungen haben die meisten Bands in den letzten Jahren schon vor mehr Publikum gespielt, als wenn sie normal getourt wären. Freunde von uns, Armin und Gert, die auch heute im Magnet dabei sind und beim Sinnbus-Abend mithelfen, haben beispielsweise jetzt eine Booking-Agentur gegründet, 14 Hoch 2, und da wird einem dann doch mal wieder klar, wieviel sich in den letzten Jahren eigentlich insgesamt bei uns getan hat.
[B]BiB: [/B] Euer neues Album [I]Variations[/I] unterscheidet sich ja sehr von dem Debütalbum Cut The Plans. Wie kam es denn zu der Idee, teilweise die älteren Stücke zu variieren und in einem völlig neuen Klangewand zu präsentieren? Hat sich das einfach so ergeben, und würdet ihr von einem Stilwechsel sprechen?
[B]Thomas:[/B] ‚Ergeben‘ trifft es ganz gut, es ist ja eine Stil-Variation, der andere Stil bleibt ja erhalten, sozusagen. Von Stilwechsel kann man da also nicht sprechen.
[B]Uwe: [/B] Vor drei Jahren hat ein Freund von uns eine Veranstaltung im Knaack in der Dizzy-Lounge gemacht, bei der Rockbands unplugged spielen sollten. Dort haben dann alle möglichen Bands aus dem Freundeskreis gespielt, und wir wollten in diesem kleinen, gemütlichen Ambiente mit einer super Atmosphäre unsere Stücke nicht einfach leiser oder akustisch spielen, sondern in variierten, alternativen Versionen auf die Bühne bringen und haben letztlich versucht, ein neues Set mit den alten Songs auf die Beine zu stellen, angelehnt an Chicagoer Postrock.
[B]Thomas:[/B] In einer Hauruck-Aktion haben wir innerhalb von vier Wochen ein einstündiges Set auf die Beine gestellt, was wirklich cool war und auch äußerst enthusiastisch aufgenommen wurde. Seitdem haben wir ungefähr 15 Variations-Konzerte zu bestimmten Anlässen gespielt, und dieses ruhigere Set gereicht uns natürlich auch Booking-mäßig zum Vorteil, da wir jetzt auch andere Künstler supporten bzw. mit ihnen zusammenspielen können, wie vor kurzem beispielsweise mit einer tollen schwedischen Band.
Irgendwann fassten wir dann – auch durch den Anstoß von Freunden und Bekannten – den Entschluss, daraus einen Tonträger zu machen.
[B]BiB:[/B] Befinden sich nur Variationen von älteren Songs auf dem Album?
[B]Uwe: [/B] Von Cut The Plans befinden sich vier oder fünf Variationen auf dem Album, außerdem zwei Variationen von neuen Stücken, die dann erst auf der nächsten TORCHOUS-Platte drauf sein werden, im Original sozusagen.
[B]Thomas:[/B] Stilistisch treffen sie sich auch nicht unbedingt auf der Mitte, denn das sind halt generell parallele Dinge. Die Entwicklung geht aber schon dahin, dass die ruhigen Sachen dynamischer werden und unsere laute, krachige Zeit ruhiger und entspannter. Dadurch ist es natürlich immer noch ziemlich unterschiedlich, nähert sich aber tendenziell schon an.
[B]BiB:[/B] Seid Ihr mit der bisherigen Reaktion auf das Album zufrieden?
[B]Uwe:[/B] Ich bin ja beim Label für die Pressearbeit zuständig, Daniel von DELBO für die Online-Sachen, und wir sind gegenwärtig einfoch noch nicht so professionell, dass das wie ein Paukenschlag nach vorne geht. Wir müssen halt arbeiten, wie wir gerade Zeit haben. Die Resonanz ist aber generell sehr gut auf das Album und auch die Art der Aufnahme und des Sounds gefällt vielen Leuten. Die Aufnahme an sich ist halt schon etwas Besonderes, es ist eine Live-Aufnahme mit Raum-Mikro, bei der wir nicht mit Overdubs gearbeitet und alles nacheinander eingespielt haben, sondern live die Akustik eines großen Raumes genutzt haben, was ein ganz anderes Klangbild erzeugt. Es ist sehr dynamisch aufgenommen, eher wie klassische Musik, und man muss die Platte schon richtig hören, sich sozusagen dem Hörerlebnis hingeben, um richtig Gefallen an ihr finden zu können.
[B]BiB:[/B] Die heutige Veranstaltung läuft ja unter dem Motto „Sinnbus: The Battle“. Was ist die Idee dahinter?
[B]Uwe:[/B] Die Battle-Idee hatte vor einigen Jahren mal Fabian alias PANTASZ, ein Elektronik-Künstler auf Sinnbus, der auch all unsere Cover gemacht hat. Er hatte die Idee, zwei Bands auf zwei gegenüberliegenden Bühnen abwechselnd spielen zu lassen. Letztes Jahr haben wir die Idee dann hier im Magnet Club das erste Mal mit DELBO und KATE MOSH verwirklicht. Das Publikum entscheidet, wer beginnt, und zwischendurch wird mit einem Applausometer der Publikumszuspruch gemessen, alles natürlich scherzhaft mit einem Augenzwinkern. Die Bands machen Späße miteinander und spielen auch Songs zusammen. Letztes Jahr spielten sie zusammen Verstärker von BLUMFELD, die Leute waren schon etwas irritiert und wussten gar nicht, welcher Bühne sie sich denn nun zuwenden sollten.
Diesmal spielten TORCHOUS und MASONNE am Ende gleichzeitig ‚Kick Nave And The Sad Beats‘ von KATE MOSH sowie ‚Close To Me‘ von THE CURE, und man wusste in der Tat nicht so recht, welcher Band man nun seine exklusive Aufmerksamkeit schenken sollte, wenn man nicht als störender menschlicher Brummkreisel die um einen herum stehenden Leute nerven wollte.
Als Sieger dieser wirklich äußerst unterhaltsamen, ungemein pulsierenden und verdichteten Indierock vom Feinsten bietenden Performance mit augenzwinkerndem Battle-Charakter gingen übrigens laut Applausometer MASONNE hervor und traten somit die Nachfolge der Vorjahressieger KATE MOSH an.
Das Interview mit Thomas, Uwe und Pierre am 25.02.2005 im Magnet Club führten Thomas Stern und Alexander Eckstein.
CD-Kritik: www.torchous.de
www.label.sinnbus.de
Autor: [EMAIL=thomas.stern@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Thomas Stern[/EMAIL]