
Der Nahostkonflikt scheint vorerst gestoppt zu sein. Dem offenen Krieg zwischen der israelischen Armee und der palästinensischen Terrororganisation Hamas sind seit 2023 über 60.000 Menschen zum Opfer gefallen. Dass dieser Frieden hierzulande keineswegs im großen Rahmen öffentlich gefeiert wird, nachdem die pro-palästinensische Bewegung angeblich jahrelang genau dafür demonstrierte, lässt tief blicken. Der Großteil der deutschen Kulturszene hatte sich ihr angeschlossen, um gegen einen angeblichen Völkermord an den Palästinensern zu protestieren, darunter viele Akteure aus dem HipHop.
Seit Jahren ist hier der Berliner Rapper MASSIV („Palestine“, „Gaza“, „Arabwave“) aktiv. Schon 2021 featurete er den Publizisten und Politiker Jürgen Todenhöfer: „Mein Traum Vom Frieden“ schloss an dessen Buch Du sollst nicht töten von 2013 an. Todenhöfer hatte im Vorjahr die nach ihm benannte Partei TEAM TODENHÖFER gegründet und trat als deren Kanzlerkandidat an.
2025 glich Massiv dann seine Schnittmengen mit der ehemaligen LINKEN-Politikerin Sarah Wagenknecht in mehreren Gesprächen ab. Beide standen Mitte September mit seinem Rapkollegen BAUSA auf der Bühne einer Großkundgebung am Brandenburger Tor für die nach Wagenknecht benannten Partei BSW. Zudem kam der PINK FLOYD-Mitbegründer ROGER WATERS mit einer Videobotschaft zu Wort.
Sowohl das TEAM TODENHÖFER als auch das BSW werden für ihre Nähe zum verschwörungsideologischen Milieu kritisiert. Das dürfte Massiv trotz seiner friedliebenden, antirassistischen Haltung aber nicht stören. Schon 2020 verbreitete er die Verschwörungstheorie, die Terroranschläge in New York vom 11. September 2001 seien vorher bekannt, weil geplant gewesen. Damit ist er nicht allein, wenn man an AZAD („Hölle Auf Erden“) oder CAPITAL BRA („Feinde Reden Viel“) denkt. Außerdem spielt er jetzt mit dem Gedanken, sich selbst einmal als Kanzlerkandidat aufzustellen.
Ende September 2025 organisierte die LINKE dann eine Großdemonstration durch Berlin, die u.a. von dem umtriebigen HipHop-Journalisten Marcus Staiger sowie dem Violinisten MICHAEL BARENBOIM begleitet wurde. Bei einem Konzert zur Demo traten u.a. die Rapper K.I.Z, PTK und ALI BUMAYE als auch die Sängerinnen EBOW und AYA SAMRA auf.
Dass sich die HipHop-Szene derart einseitig zu einem Nationalkonflikt verhält, lässt sich nicht nur mit deren Herkunftsländern und überwiegenden Religion Islam erklären. Auch Verschwörungsideologie spielt hier eine Rolle, die auch in Songs und Interviews geäußert wird.
Da ist zum einen die klassische jüdische Weltverschwörung, vermittelt durch die Chiffre des jüdischen Reichen „Rothschild“, beispielsweise bei HAFTBEFEHL („069“, „Hang The Bankers“) oder bei CELO & ABDI („Mondsichel“, „Siedlungspolitik“).
Und dann gibt es zum anderen die postmoderne Version vom mittelalterlichen Bild des jüdischen Brunnenvergifters anhand der Coronaleugnung. Diese wurde von Rappern wie ALPA GUN („Was ist die Wahrheit?“) aber auch von Sängern wie XAVIER NAIDOO und MICHAEL WENDLER geäußert. Selbst Genres wie Neofolk und Metal haben jetzt mit Protagonisten wie DAN CAPP (WOLCENSMEN, GRÀB) und RICHARD M. WALKER (SOLSTICE) ihre Impfgegner. Die pro-palästinensische Bewegung geht zum Teil direkt aus der Coronaleugner-Bewegung hervor.
Es ist dieser beiläufige Antisemitismus in der Popkultur, den Jugend- und Sozialarbeiter so lange nicht bemerkten und ignorierten. Unter anderem dieser Verschwörungspop hat die deutsche und migrantische Jugend jetzt zu Tausenden auf die Straße geführt. Sie konnten erleben, wie man nationale Politik für ein anderes Land machen kann. Die Politisierung des HipHop wird weitergehen.