Liebe zur Nation statt für Kinder und Alte – Verschwörungspop Nr.6

Mag sein, dass es jetzt, da etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung geimpft ist, bergab geht mit der verschwörungsideologischen Coronaleugner-Bewegung. Doch sie hat Erstaunliches erreicht:
Zu einem Regierungsprojekt die einzige relevante Alternative besetzt;
Demonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmern, bei denen der Querfront-Traum schlichthin wahr wurde, dass (Ex-)Linke mit Neonazis marschieren;
und sie konnte mehr Prominente für sich gewinnen als je eine andere rechte Bewegung. Selbst die Schauspieler der Allesdichtmachen-Kampagne unterstützten sie, ob sie das beabsichtigten oder nicht.

Der Widerhall ist vielfältig. Die Rapper SIDO und FLER bekundeten zumindest Verständnis für ihre kruden Theorien. Schlagerfuzzi MICHAEL WENDLER gab DSDS für seinen Verschwörungsglauben auf und RTL dann ihn. Während das einstige NDW-Sternchen FRÄULEIN MENKE mitdemonstrierte, spendete die esoterisch angehauchte NDW-Ikone NENA Licht und Liebe an die Bewegung. Besonders aber hat es der Fall XAVIER NAIDOO seinen Kollegen angetan. Sie alle reden viel von Freiheit für sich, aber nicht von der Sicherheit der Rentner vor dem Erkrankungstod. Sie eint die Wut selbstständiger Unternehmer, die sich vom Staat um ihre Einnahmen geprellt sehen – nur aus Rücksicht auf ein paar Alte, die ohnehin bald sterben würden. Dieser Agismus lässt sie mit einer antisemitischen Bewegung liebäugeln, die das Corona-Virus durch massenhafte Verstöße gegen die Hygienemaßnahmen in Deutschland verbreitet hat, ja, die den Verstoß gegen die staatlichen Vorgaben propagiert.

Naidoo ist die Krönung einer Entwicklung, die mit ihm schon Ende der 90er begann. Nicht nur dass er im Mai mit der Inforapper-Gruppe RAPBELLION gegen Corona-Impfungen anrappte („Ich Mach Da Nicht Mit“). Nach dem geplatzten Album mit HipHop-Star KOOL SAVAS hat er sich nun neue musikalische Kooperationspartner direkt aus dem rechts-verschwörungsideologischen Sumpf zusammengesucht. So ist sein alter libertärer Einflüsterer, der Verschwörungsideologe Oliver Janich, direkt in DIE KONFERENZ involviert, genau wie der rechtsextreme HANNES OSTENDORF, Sänger der Nazi-Band KATEGORIE C. Xaviers einstiges Engagement bei den BROTHERS KEEPERS, mit denen er gegen rassistische Angriffe sang („Adriano“), wird nun völlig konterkariert, denn Ostendorf war 1991 an einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim beteiligt. Mit der Konferenz singt Naidoo nun in „Heimat“ von Stolz auf die deutsche Nation und deutet sogar seinen alten Hit „Dieser Weg“ hinein. Im Video sind einerseits Szenen aus Corona-Demos zu sehen, die so als nationalistische Demos markiert werden. Andererseits sind Kinder zu sehen und die sind seit je her ein Steckenpferd von Naidoo.

Das Bizarre an Naidoos Gesang war schon immer die schwülstige Gefühligkeit, die er auf jedwedes Thema zu legen vermag. Einst sang er davon, dass er Angst um die Unschuld von Kindern habe („Wenn Ich Schon Kinder Hätte“), heulte später über erfundene Kinder aus Verschwörungstheorien („Wo Sind Sie Jetzt“, „Marionetten“) und ließ nun das Video „Heimat“ mit von der Schweizer Sekte OCG produzieren. Diese verbreitet über ihren Sender Kla.TV Verschwörungstheorien am laufenden Band. Ihr Guru, der Impfgegner Ivo Sasek, radikalisierte sich in den 2000ern zum rechten Ideologen, da man ihn aufgrund von Propaganda für Kindesmisshandlung verdächtigte. Prügel gegen Kinder soll laut Aussteigern in der OCG verbreitet sein.

So ist auch das angebliche Leid von Kindern durch Impfungen Triebfeder vieler Impfgegner, zu denen Naidoo jetzt mit Rapbellion auch zu zählen ist. Nicht das, was der Staat als Kindeswohl begreift (Schutz vor gefährlichen Krankheiten), ist ihr Ziel, sondern pseudowissenschaftliche Annahmen, Kinder würden durch Impfungen übermäßig leiden oder gar sterben. Der Agismus der Verschwörungsideologen richtet sich also nicht nur gegen Alte sondern auch gegen Junge.

Foto: © Xavier Naidoo

FacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmailFacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmail