100 Gecs – 1000 Gecs

„Jetzt geht zum Baum und schämt euch, für das, was ihr getan habt! Was ist das bitte für ein Album?!“ – So etwa könnte die Regieanweisung des Fotografen gelautet haben, als er das Shooting für das Coverartwork zu 1000 Gecs leitete. Das Duo 100 GECS aus Los Angeles hat hier tatsächlich etwas besonderes verbrochen. LAURA LES und DYLAN BRADY sind erklärte Fans des Hyperpop-Mikrogenres, das sich rund um PC Records entwickelt hat. Leute wie SOPHIE und CHARLI XCX haben hier ein ironisches Chaos aus Elektro- und Popeinflüssen aufgestellt, das besonders in der queeren Szene Anklang findet. Und 100 Gecs bereiten diesen Quatsch nun für die Masse auf. Es liegen 10 Titel von insgesamt 23 Minuten vor, die mit Einflüssen vollgestopft wurden.

„745 Sticky“ ist erstmal vor allem ein aufgedrehter Rap von Les mit konsequent hochgepitchter Stimme. Die Beats im Hintergrund sind schräg aber nicht besonders herausfordernd. Dann wird ein übernerviges Elektro-Zwischenstück gesetzt, dass sich alsbald in gläsernes Geklimper und Partyschreie aufgelöst. Es folgen fette Scratch-Attacken wie beim Dubstep mit jeder Menge Spaß-Geräusche. Die kindliche Freude am Rummatschen wird hier als digitales Mixen ausgelebt. Die deutsche Youtuberin Coldmirror versucht auf einem niedrigerem Level mit ihren „Fresh Dumbledore“-Tracks Ähnliches.

Doch gibt es auch Inhalt? In „Money Machine“ berichtet Les von ihrem gestörtem Verhältnis zu Love Interests, indem sie sich in einen miesen Typen hineinversetzt, der sie verhöhnt und ghostet. Bei „800db Cloud“ suchen Les und Brady zwischen Stille und schlimmen Glitch-Noise ihren Platz auf der Welt. Offenbar hört man privat hin und wieder auch Metal. Und richtig flippig und funny wird dann „Stupid Horse“, bei dem Funpunk in die digitale Sphäre übersetzt wird.

Ein wenig Erholung bietet zunächst „XXXi_wud_nvrstøp_ÜXXX“ mit Cutecore-Lyrics, die dann wieder von fiesen Electronics zerstampft werden. Liebeskitsch und Enttäuschung gehören offenbar zusammen. In „Gecgecgec“ schwört Brady gegenüber der Liebsten: „You can call on me anytime and I’m runnin‘ home to you.“ Doch er gibt zu: „Please remember, baby, I’m not stronger than, stronger than you.“

Fakt ist, dass Songs wie „Ringtone“ schwer erträgliche Ohrwürmer bohren. Geschlechter-, Genre- und Geschmacksgrenzen scheinen in dieser Soundwelt nicht zu existieren, weil ja im Internet alles gleichwertig nebeneinander steht. Vielleicht existieren 100 Gecs auch gar nicht, sondern sind nur KI-Produkte?

Zum Abschluss ein typischer Witz ihrer Fanbase: „Welches Musikgenre wollt ihr spielen?“ 100 Gecs: „Ja.“

 

100 Gecs
1000 Gecs
(Dog Show)
VÖ: 31.05.2019

www.100gecs.com

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