15 Jahre Linkin Park-Fake-Album „Under Attack“

Von was lässt sich über die einstige Nu Metal-Band LINKIN PARK und ihrem Sänger CHESTER BENNINGTON noch erzählen, was nicht schon totgeredet wurde? Vielleicht über Chester als ewigen Grunge-Musiker, nachgewiesen an einem Fake-Album?

Von 2002-2003 wurde Under Attack insgesamt viermal von mehreren dubiosen Labels und angeblich auch von Virgin Records veröffentlicht und kursierte, unauthorisiert, in Webforen und auf Konzerten. Auslöser für dieses Pseudo-Album dürften Geschäftemacherei windiger Webanbieter sein, die den extrem schnellen Erfolg des ersten LINKIN PARK-Albums Hybrid Theory (2000) ausbeuten wollten oder sogar Antiamerikanismus sein. So zitiert das erste Cover und der „Crawling“-Remix „Under Attack“ den 11. September.

Ähnlich wie bei dem Fake-Album Total Linkin wird als Ursprung Russland vermutet. Es wirkt wie die erste der LP-Underground-EPs, die die Band von 2002 bis 2016 jährlich an ihre Fans verteilte: Es versammelte Tracks der ersten LINKIN PARK-EP, die noch ihren ersten Namen Hybrid Theory (1999) trug, echte LINKIN PARK-Tracks und -Live-Mitschnitte, Fremdtracks völlig anderer Nu Metal-Bands (SPIRITFALL, (HED)P.E.) und Titel von Chesters erster Band, den (Post-)Grungern GREY DAZE. Und hier wird es interessant.

In den letzten Wochen wurde viel über die möglichen Gründe für Chesters Selbstmord am 20. Juli diskutiert, doch ausschlaggebend dürften weder die Verpoppung seiner Band, noch die Drogenprobleme seit dem 11. Lebensjahr, noch der Ausstieg bei seinen alten Helden, den STONE TEMPLE PILOTS oder gescheiterte Beziehungen sein. All dies hängt am zentralen Punkt: Am 20. Juli war der Geburtstag seines alten Vorbilds und Freundes CHRIS CORNELL (SOUNDGARDEN, AUDIO SLAVE), der sich am 18. Mai tötete und für den er noch auf dessen Beerdigung gesungen hatte (LEONARD COHEN – Halleluja). Cornell war für Bennington der Grunge-Musiker, der er nie hatte sein können und Grunge und nicht Nu Metal war die Musik, die ihm über das Trauma seiner Kindheit und Jugend hinweghalf: sexueller Missbrauch.

Nun weiß man auch vom Sänger der Nu Metal-Erfinder KORN, JONATHAN DAVIS, von Missbrauch in dessen Kindheit. Chester wuchs jedoch zu Anfang der 1990er auf als Fan von NIRVANA, Stone Temple Pilots und Soundgarden. Doch sowohl bei SEAN DOWDELL AND HIS FRIENDS? als auch bei Grey Daze kam er nicht mit seinen Bandkollegen klar, obwohl sie von seinem Gesang lebten. Man höre nur die Songs „Hole“ oder „She Shines“. Kein Wunder, dass er 1998 die Band verließ. Es war dann Produzent Jeff Blue, der schon Korn gesignt hatte, der ihn den Hiphoppern XERO um MIKE SHINODA vorstellte.

XERO waren nie eine Band aus der Crossoverszene wie (HED)p.e. oder Korn und hatten nun einen Grunger als Frontmann. Sie bildeten mit ihm Hybrid Theory bzw. später Linkin Park. Hier blieb Chester lange der Fremde, außer zu Shinoda, der sich heutzutage über die Nu Metal-Tage lustig macht. Was das Under Attack-Album zeigt, ist Chesters Trauma, das einem aus frühen Tracks wie „And One“ oder „Crawling“ ständig entgegenschreit. Kein Wunder, dass er 2006 zu einem Stilwechsel hin zu Poprock und Elektropop drängte, als er meinte, seine Vergangenheit nun verarbeitet zu haben. Das führte er nun bei DEAD BY SUNRISE weiter mit Songs für das Album Out Of Ashes (2009), die auf die Zeit um 1999 zurückverweisen.

Nun ist in den USA dank HipHop wieder ein Rock unterdrückendes Pop-Kartell entstanden, wie zuvor in den 1980ern, als hätte es die Grunge-Revolution von 1991 nie gegeben. Und Linkin Park waren am Ende Teil davon mit einem Album wie One More Light (2017), das genauso schlecht für JUSTIN BIEBER hätte geschrieben sein können. Chester fühlte sich als Grunge-Musiker gescheitert. Daran kann kein Zweifel bestehen. Auch die für September geplante Grey Daze-Reunion findet nun nicht mehr statt. Dennoch kann Benningtons fantastische Karriere vielen Missbrauchsüberlebenden Mut machen.

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