AMY MACDONALD am 07.03.2008 im Magnet Club


Die Anti-Amy.



AMY MACDONALD war zu Schulzeiten sicherlich Klassensprecherin. Eloquent, meinungsstark, engagiert. Aber die Klassensprecher waren eben meist auch so ein bisschen streberhaft. Setzten sich für ihre Mitschüler ein, wenn es um einen neuen Aufenthaltsraum oder das Ziel der nächsten Klassenfahrt gehen sollte – sich allerdings zu jeder Zeit ihrer Rolle bewusst. Deshalb waren unter denen, die auf der Schuldisco den Baileys wieder rückwärts von sich gaben oder einen Dreitagesverweis wegen Kiffens in der Raucherecke erhielten, nur im seltensten Fall die Klassensprecher.

Dieses Rollenbild führt AMY MACDONALD konsequent auch nach dem Ende ihrer Schulkarriere auf der Bühne weiter. Im Berliner Magnet Club war an jenem Freitag eine kleine, sehr talentierte, hübsche und nahezu perfekte Musikerin zu sehen. Die beinahe bei fast jedem Song eine andere Akustikgitarre in der Hand hielt und stimmsicher und fast schon kämpferisch ihre Texte vortrug. Würde man auf diese nicht achten, sondern nur auf Musik, Stimme, Gestik und (die im übrigen sehr sparsam eingesetzte) Mimik achten, würde man glauben, die uneheliche Tochter von Joan Baez und Pete Seeger vor sich zu haben, die unermüdlich und tapfer Antikriegslieder anstimmt. Darum geht es allerdings weniger – sondern um Kritik an Sensationsgeilheit und Drogensucht, gemischt mit ein bisschen Liebeskummer und den Sehnsüchten einer Anfangzwanzigerin.

Auch wenn das alles sehr nach „Liebes Tagebuch…“ klingt und, seien wir ehrlich, auch nicht ganz so tiefgründig ist, wie uns die Promoter der Plattenfirma weismachen wollen – es funktioniert im Grunde genommen ganz gut. Die Melodien sind schön anzuhören und nicht nur zum Mitwippen, sondern durchaus auch zum Abrocken geeignet, die Stimme geht hoch und runter und erinnert mitunter an keltische Gesangstraditionen. Highlights des Konzerts waren ihr Akustik-Cover von ‚Mr. Brightside‘ von den Killers sowie das von Britpop-Gott Paul Weller zum Lieblingslied geadelte ‚Poison Prince‘. Nicht nur die in der Überzahl anwesenden Schotten dürften sich an diesem Abend unsterblich in die Kleine mit den großen Kulleraugen verliebt haben – vor allem, wenn sie mit schottischem Akzent fast schon schüchtern ein paar Nettigkeiten an das ihr sehr gewogene Publikum zurückgibt.

Manchmal, aber nur wirklich ganz manchmal, hätte man sich gewünscht, dass sie die Flasche Wasser gegen einen anständigen Single Malt ausgetauscht hätte und zumindest eine winzig kleine Haarsträhne mal verrutscht wäre. AMY MACDONALD verabschiedete sich mit den für sie typischen Worten: „I hope you enjoyed the evening so far and you won’t get up to anything too nasty afterwards.“ Wir vielleicht nicht, Amy, aber Dir würde ein bisschen mehr Winehouse statt Wasser auch nicht unbedingt schaden. War trotzdem schön mit Dir.

www.amymacdonald.co.uk

Autor: [EMAIL=sandra.wickert@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Sandra Wickert[/EMAIL]

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