THE AIM OF DESIGN IS TO DEFINE SPACE – Berliner Act des Monats März 2008


Es ist einfach Dachsmusik.



Berlins vielleicht polarisierendste Band der letzten paar Jahre ist zurück. Ende Dezember gab es bereits das ist dabei sogar in zwei Versionen enthalten. Sind eure Qualitätsansprüche so unbarmherzig, hat es an Ideen gefehlt oder mögt ihr nur keine langen Platten?
SCHULZKY: Lieder entstehen bei uns erst wenn wir beschließen, ein neues Album aufzunehmen, d.h. ich bin kein „natürlicher“ oder „automatischer“ Songwriter, der das natürliche Bedürfnis hat, Songs zu schreiben. Oder beim Essen mit den Schwiegereltern ständig aufspringt, um mit seiner Wandergitarre Geistesblitze ins Handy reinzusingen! Ich kann auch drei Jahre angeln gehen ohne ein einziges Stück zu schreiben. Erst wenn es einen rohen Zeitplan oder eine Notwendigkeit gibt, setze ich mich hin und los geht’s. Lieder entstehen nicht aus einer Laune heraus, sondern werden ‚gemacht‘. Es ist eine Arbeit. Wir hatten bei Aimthusiasm original ein Stück über, mit dem genialen Titel ‚Asterix in Trouble‘, welches es nicht aufs Album geschafft hat. Aber du hast auch Recht, alles zu lange, alles Überflüssige ist überflüssig und kann weg, insofern entspricht das Kurze unserem Geschmack. Schnörkellos muss es sein. Bezüglich der beiden ‚See‘-Versionen: Die Tradition des eigenen künstlerischen Recyclings haben wir auch schon früher angewandt, siehe ‚Joiner‘ versus ‚Märkisch Crystal‘. Mittlerweile wird diese Methode kopiert von George Baselitz, der seine frühen Bilder alle ein zweites Mal malt. Eigenes recyclen ist für uns wahrscheinlich immer eher eine Option, als Songs zu covern. Dann vielleicht doch lieber ein Weihnachtsalbum aufnehmen, wie Sarah Connor!

Gosen U Can Rave II, Aim Of Design Good Time, Aimthusiasm – rein von den Titeln her klingt das bislang alles recht optimistisch. Dem gegenüber stehen – für mein Empfinden – recht kühler Sound, brüchiger Gesang, viele offene Fragen in den Lyrics. Wie passt das alles zusammen?
Alle Albentitel bisher sind Sprachspiele, wir jonglieren mit Begriffen, wir wandeln um, wir recyclen, wir dichten. Ich könnte dir die Bedeutung der einzelnen nennen, zum Teil haben wir sie auch schon gelüftet, aber sollen sich die Leute die Köpfe zerbrechen! Weißt du wie viele Wörter Goethe erfunden hat? Im Übrigen ist den Titel eines Albums zu bestimmen, also einen Abschnitt zu bezeichnen, immer fast der letzte Spaß, die letzte kreative Leistung einer Epoche, da geben wir uns gerne Mühe!
Die Lyrics sind brüchig, sagst du. Ich glaube, dass die Texte bei Aimthusiasm nur bedingt mit den früheren Sachen zu vergleichen sind. Die Sprache ist erst zum Gesang geworden. Vom Schrei zum Gesang, weißt du, wie bei einem Säugling: frisch geboren kreischt er entsetzlich, aber wenn er die Schönheit der Bienen und der Playstation erfasst, fängt er an zu jauchzen.

Wie geht ihr konzeptionell an ein neues Album heran? Gibt es vorab einen Masterplan oder wird im Laufe der Zeit einer entwickelt?
Ich bin mir nicht sicher, ob es jemals ein Konzept gab. Wie ich schon sagte, ein Album spiegelt immer nur die Zeit wieder, in der es entstand. Bei Aimthusiasm muss es wohl viel geregnet haben, hihi.

Wo siehst du Veränderungen in Aimthusiasm gegenüber den Vorgängern, vor allem inhaltlich?
Ich würde sagen, wir haben versucht unsere Sprache zu finden, unseren Ausdruck zu präzisieren. Konkrete Themen zu finden und zu Ende zu denken. Einen Song über eine Studentin in der Irrenanstalt gab’s hoffentlich noch nicht!

Auffällig ist das durchgängige Klangbild des neuen Albums, eine – wie ich finde – ganz neue Qualität bei euch. Wie groß war der Einfluss eurer Produzenten, insbesondere Kurt Ebelhäuser (Blackmail)? War dieses Mal einfach mehr Geld zur Verfügung, und war von vornherein klar, dass das Album dieses Mal geschlossener klingen soll?
Man muss sich vorstellen, dass wir erstmals an einem Stück an einem Album gearbeitet haben, die ersten beiden Platten wurden noch Stück für Stück aufgenommen. das erklärt das kohärente Klangbild bei Aimthusiasm. Ebelhäuser hat erst beim Mixing in seinem Twin Peaks Studio mit eingegriffen. Den wesentlichen Teil der Quälerei haben wir in Zusammenarbeit mit Rocco Weise in Berlin ausgestanden. Du musst dir die Arbeitsweise in etwa so vorstellen, dass ich in der Nacht einen Traum hatte, in dem mir ein Engel eine Idee zuflüsterte, sodass ich morgens als Erster ins Studio schlich, um die Arbeit des Vortages zu löschen, um damit das komplette Team in den Wahnsinn zu stürzen. Deswegen hat alles ewig gedauert und war unendlich teuer. Mir ist völlig unklar, wie Bands ihre Alben in zwei Wochen aufnehmen können. Also mir ist es schon klar, aber so klingen diese Hauruck-Platten meistens auch!

Dritte Platte, drittes Label – seid ihr zu schwierig im Umgang, oder welche Gründe gab es für den erneuten Wechsel?
Wir sind in der Tat extrem schwierig. Aber wenn die Bosse ihre Labels leiten wie eine Tankstelle, muss man sich nicht wundern, dass es nicht hinhaut.



Wenn du einer Oma erklären musst, welche Art von Musik ihr macht, wie würdest du es so ausdrücken, dass sie es versteht?
Es ist einfach Dachsmusik.

Das musst du mal ein wenig erklären. Ist Fridolin der freche Dachs inoffizielles Bandmitglied, spiritus rector oder was verbindet euch mit dieser Figur?
Fridolin ist eine Aimfigur und bestimmt die Linie. Dachse sind die coolsten Tiere in Mitteleuropa, und deswegen ist Dachsmusik gute Musik.

Einst war Gosen großes Thema, dann ‚Märkisch Crystal‘, die Chipfabrik, Frankfurt/Oder, jetzt Ahlbeck/Seebrücke und ‚Im Osten nichts Neues‘ – wird der Osten musikalisch und lyrisch unterrepräsentiert, sodass ihr in die Bresche springen müsst?
Findest du nicht, dass die ewig gleichen Bezüge und Querverweise der deutschsprachigen Musik auf Fehlfarben, Tocos, Pudelclub, Beatclub, Hamburg, Banane, was weiß ich, zu Tode langweilen? Dass sich ’nur untereinander befruchten‘ wie beim europäischen Hochadel zwangsläufig zur Mutation führen muss? Die Themenwahl bei uns erfolgt rein intuitiv. Wir haben kein ‚Ost‘-Problem, oder eine ost-bezogene Botschaft. Es fällt uns einfach nur schwer, über bayrische Bratwürste singen. Thats it! Obwohl wir das Gefühl haben, von einigen Gruppen umgeben zu sein, die mit lyrischen ‚Bratwürsten‘ ganze ‚Karrieren‘ bestreiten und dafür im FC Köln-Feuilleton noch Bussibienchen bekommen.

Ihr kokettiert ja gern mit eurer brandenburgischen Herkunft. Ist das, da ihr mittlerweile auf fünf Bandmitglieder angewachsen seid, immer noch repräsentativ für alle Beteiligten?
Ja. Wir sind eben richtige Dachse!

Du wurdest mal zitiert in Bezug auf Connections zu anderen Bands: „Ich glaube uns hassen alle, weil wir zu schön sind oder so und zu schlau.“ Kann man das immer noch so stehen lassen, oder ist Besserung in Sicht?
Mit anderen Bands geht’s mittlerweile, sie schauen erst misstrauisch über unsere erfrischende Naivität und fangen dann an zu wippen, wenn wir loslegen. Im Übrigen glaube ich, wir sind eher noch schöner geworden! Da ist keine Besserung in Sicht. Mit der Presse ist es oftmals viel schlimmer, die Politik einiger Medien erinnert teilweise an die Zensur in der schrecklichen DDR.

Fühlt ihr euch auch für’s Publikum zu schlau? Erfahrt ihr mehr positive Reaktionen auf Inhalte (die ja nicht immer einfach zu greifen sind) oder auf eine gute Show und tolles Design?
Nein, im Gegenteil, wir lieben unser Publikum! (Das würde Frank Sinatra sicher auch sagen!) Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass unsere Kunst nicht in Bezug auf ihre Rezeption hergestellt wird. Wir sind Ästheten, wir brauchen Schönheit, Linie, Verstand. Insofern sind die Chancen, dass wir jemals eine ‚people’s band‘ werden, wohl nicht so groß, oder?

Die Reaktionen der Medien auf eure Platten waren bis jetzt meist sehr gespalten, ihr polarisiert offenbar, insbesondere durch eure Sprache. Wieviel Kalkulation steckt dahinter? Wie sehr treffen euch Negativkritiken bzw. inwiefern könnt ihr sie nachvollziehen?
Nein, also das gesamte Aimkonzept, der komplette Output ist natürlich gewachsen und absolut unkalkuliert. Wie ich schon sagte. Wir tun einfach was wir tun müssen. Wenn Platten über sexuelle Frustration, äh Kapitulation oder künstliches Präkariatsgejammer (na, wer ist damit gemeint?) oder angebliche neue Indie-Popstars, die aussehen wie Zivildienstleistende (und wer damit?) oder versoffene Norddeutsche mit schlampigen Schuhen und Hosen mit Bauarbeiterlyrik (?) bessere Kritiken oder mehr Echo oder was weiß ich bekommen als wir, ist mir das wirklich sehr egal.

Andererseits habt ihr offenbar prominente Verehrer, wie einen Georg von Tokio Hotel, der mit einem Aim Of Design-T-Shirt im Fernsehen auftrat. Übertrifft das Merchandising eigentlich eure Einnahmen aus CD-Verkäufen und Konzertgagen?
Merchandise läuft super, aber über Geld sprechen wir nicht, sorry. Wir hatten schon immer berühmte Fans. Sonst wären wir nicht nach unserer ersten Show im Mia.-Studio gelandet. Neulich hat mir der Ärzte-Manager geschrieben. Und der Vater unseres Fotografen und Videoregisseurs hat sogar einen Oscar gewonnen. Und wusstest du, dass mir der arrogante Ben Becker nach einer gemeinsamen Probe attestierte, ich sei noch sehr viel arroganter als er selbst? Er hat sich ehrlich gewundert! Und ich hab mich geehrt gefühlt.



Unter dem Menüpunkt „Kapitalismus“ gelangt man zu eurem Fanshop im Netz. Wieviel Kommerz darf oder muss in der Kunst sein?
Soviel wie möglich, würde ich sagen, wer gut ist muss sehr gut bezahlt werden! Die Zeiten von Sternburg sind endgültig vorbei. Früher haben wir die Aim-Events in ‚Ein Euro-Kneipen‘ gefeiert. Mittlerweile sind die Champagner-Rechnungen so hoch, wir hätten schon längst einen eigenen Tourbus!

Wichtig ist euch ganz offensichtlich immer die Optik, ob nun durch die Präsentationen bei euren Shows, das durchgestylte Coverdesign oder die Shirts mit eurem Logo. Wird so eine optische Fixierung auch zum Problem insofern, dass man euch auf Oberflächlichkeiten reduziert?
Ich bin ehrlich gesagt froh, dass wir ein markantes optisches Erscheinungsbild haben, wer hat so was schon. Wir werden darum sehr beneidet. Und wer halt nur ein Shirt haben will, der soll. Es ist ja auch von uns! Selbst wenn wir Aimofdesign-Gurken hätten, wären es ja immer noch unsere Gurken, verstehst du? Wer Lust hat, kann sich mit der Musik und dem Rest beschäftigen. Wer nicht, soll es lassen.

Ihr seid bekennende Sport-Fans: Wer wird Europameister, wie lange hält sich Klinsmann bei den Bayern, wer gewinnt in diesem Jahr die Tour de France und wo landet Barca am Ende der Saison?
Bei der Tour de France sind wir raus, ist seit ein zwei Jahren nicht mehr interessant irgendwie. Frank Rijkaard geht zu Milan, Mourinho zu Barca, Klinsmann tritt zurück als die Bayern auswärts in Cottbus nur eins-eins spielen und ihm wegen der hohen Spritpreise der dritte Bayernbus für sein 80-köpfiges Team gestrichen werden soll. Ach so, und Holland wird’s!

Record Release Show:

28.03.2008, Magnet
Greifswalder Straße 212-213, 10405 Berlin

THE AIM OF DESIGN IS TO DEFINE SPACE
Aimthusiasm
(Haute Areal/ Cargo)
VÖ: 22.02.2008

www.aimofdesign.de
www.myspace.com/aimofdesign
www.grossflughafen-gosen.com
www.hauteareal.de

Fotos: (c) ANDREAS MÜHE
Autor: [EMAIL=sebastian.frindte@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Sebastian Frindte[/EMAIL]

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