Oh nein, Weihnachten steht schon wieder in allen Discountern! Wer Kinder zu beschenken hat, der greift vielleicht zu einem netten Familienfilm samt Soundtrack. Auf ein hierzulande weniger bekanntes Kindermusical, Annie, könnte die Wahl fallen. Es beruht auf einem Comic von 1924, der 1926 – also vor 90 Jahren – zum ersten Mal als Band veröffentlicht wurde. Was in den USA als eine Broadway-Legende seit den 70ern gilt und 1982 zum ersten Mal verfilmt wurde, galt hier lange als nicht so einfach zu übersetzen wie etwa Mary Poppins. Seit 2013 liegt Annie neu und modern in deutscher Sprache vor. Stück und Verfilmung haben im Lauf der Jahrzehnte einigen Wandel erfahren und sind 2014 auch im HipHop-Zeitalter angekommen.
Der erste Film fällt in eine Zeit, in der fröhliche Kinderhelden geliebt wurden. Hollywood und Japan rissen sich darum, Romane wie Heidi, Die Kleine Prinzessin Sara, Pollyanna und Little Woman als Film oder Anime zu verkaufen. Stets werden die Mädchenfiguren in ein historisches Sujet gesetzt, das ihre Unschuld garantieren soll. Sie alle verlieren wie auch die Jungs aus Der Kleine Lord und Oliver Twist ihr bürgerliches Elternhaus, sind davon aber nicht traumatisiert. Stattdessen verfügen sie über eine unglaubwürdig glückliche und zuversichtliche Art, mit der sie die Herzen von Adligen oder Großindustriellen erweichen. Auch Annie schafft es, trotzdem sie aus einem Heim stammt, von dem Kapitalisten Oliver Warbucks aufgenommen zu werden.
Dieses Musical hat schon vielen Frauen den Weg geebnet. In den 80ern verzauberte Lockenkopf Aileen Quinn die amerikanischen Kinobesucher, während die Deutschen wohl eher von Radost Bokel als Momo verzückt waren. Am Broadway spielten Andrea McArdle, Shelley Bruce und die junge Sarah Jessica Parker (Sex and the City) verschiedene Mädchenrollen aus Annie.
Was so erfolgreich ist, muss sich irgendwann Walt Disney unter den Nagel reißen. Das war mit der Fernsehverfilmung von 1999 der Fall, in dem Alicia Morton die Hauptrolle spielte. Ihr gegenüber stand als Heimleiterin Miss Hannigan die fieseste Frau der 90er: Kathy Bates (Misery).
Nun könnte man bemängeln, dass fast alle großen Kinderfiguren der 80er und 90er Jahre weiß sind. Das wird am Broadway wohl auch erstmal so bleiben. Hier heißt der aktuelle Star Lilla Crawford, die auch das Rotkäppchen in Into the Woods (2014) spielt. Hier steht sie Johnny Depp als bösen Wolf gegenüber, der in seinem Musicalfilm Sweeny Todd den Annie-Hit „It’s the Hard-Knocked Life“ zitiert. Dieses Lied sollte hinlänglich als Sample aus dem gleichnamigen Song des Rappers JAY-Z bekannt sein.
Nach dieser ersten Aneignung von 1998 stellte er sich auch für die Produktion der Neuverfilmung von 2014 zur Verfügung. Der ebenfalls tätige WILL SMITH bot gleich seine Tochter WILLOW für die Hauptrolle an, die jetzt jedoch Newcomerin Quvenzhané Wallis spielt. Auch JAMIE FOXX, SIA, GREG KURSTIN und BECK waren am neuen Soundtrack beteiligt, der hörbar postmodernisiert wurde. Eingesetzt werden Handclaps, Beats und sogar Autotune, die einschließlich neuer Songs das Musical für HipHop-gewöhnte Kinder ansprechend machen sollen. Was freilich wegfällt, ist die ursprünglich historische Verortung in den 20er Jahren und damit die soziale Frage.
Annie (Original Motion Picture Soundtrack)
(Sony Music)
VÖ: 03.12.1990
Annie (Original Motion Picture Soundtrack)
(Walt Disney Records)
VÖ: 02.11.1999
Annie (Original Motion Picture Soundtrack)
(Rca Int./Sony Music)
VÖ: 17.11.2016